aus bma 08/05

von Peter Mund

Urlaub, also morgens um acht Uhr die Maschine gesattelt und los ging es. Es versprach ein herrlicher Tag zu werden. Ich hatte mir vorgenommen, von Lelystad quer durch das Ijsselmeer nach Enkhuizen zu fahren. Kurz vor Lelystad nahm das Schicksal seinen Lauf. Der Voltmeter fing plötzlich an zu „spinnen”. Von den anfangs stets angezeigten 14 V Ladestrom blieben maximal noch 8-10 Volt auf der Anzeige. Bei der nächsten Gelegenheit ging es auf den Randstreifen. Motor aus und erst einmal alles nachgeschaut. Da ich nichts Außergewöhnliches entdecken konnte, wieder aufgestiegen, Zündung angeschaltet, freudig auf das Knöpfchen gedrückt und hörte nur noch ein schwächliches Klack. Die Batterie hatte ihren Dienst quittiert ohne mich vorher um Erlaubnis zu fragen! Was blieb mir anderes übrig, als den 2. Gang rein, bei 30 Grad im Schatten mit voller Ledermontur einen flotten Trab vorgelegt und im entscheidenen Moment das Motorrad erklommen und die Kupplung schnalzen lassen. Das Geräusch des anspringenden Motors war wie Glockenläuten am Sonntag. Ich beschloß, die Tour hier abzubrechen, und auf direktem Weg nach Hause zu kutschieren. Müßte ich die Maschine noch maximal zwei Mal unterwegs anschieben, na und? Es kam alles ganz anders. Als erstes erwischte ich die falsche Autobahnauffahrt und bewegte mich in Richtung Amsterdam. Also nächste Abfahrt wieder runter und an der folgenden Kreuzung passierte was passieren mußte: Ich würgte den Motor beim Anfahren ab! Na klasse, also das gleiche Spielchen von vorne. 2. Gang, leichter Trab usw. Nur war das Motorrad diesmal anderer Meinung. Die Batterie war inzwischen dermaßen über den Berg, daß nicht einmal bei eingeschalteter Zündung die Kontrollbirnen brannten. Zu meinem Glück kam mir ein holländischer Motorradfahrer zu Hilfe. Er rief den holländischen ADAC an. Nach einer Wartezeit von einer Stunde kam der Pannendienst und erweckte meine Yamaha GTS 1000 mit Hilfe eines Starthilfekabels wieder zum Leben. Zu meinem Erstaunen sollte diese Hilfeleistung kostenlos sein. Ich habe ihm freiwillig 10 Euro zugesteckt.
Schieben, bitte...Also wieder rauf auf die Bahn und 11 km vor Amsterdam ein Stau. Gas zu, Kupplung gezogen, langsam ausrollen lassen, Patsch, Motor aus! Ich versuchte schiebend den Randstreifen zu erreichen und muß für Außenstehende wohl ziemlich blöd aus der Wäsche geguckt haben. Rasch löste sich der Stau auf, und ich war plötzlich sehr alleine. So versuchte ich schiebend die nächste Ausfahrt zu erreichen. Vielleicht habe ich es auf diese Art einen ganzen Kilometer geschafft, vielleicht auch nicht. Denn es herrschten noch immer gute 30 Grad und die ganze Prozedur fand schließlich im Lederdress statt. Irgendwann setzte ich mich auf die Leitplanke und war mit meinen Gedankengängen ziemlich zu Fuß. Ich hatte mich bis ca. 400 m an die Ausfahrt herangearbeitet, diese letzten 400 Meter kamen mir allerdings vor wie 400 Kilometer. Also Pause. Kurze Zeit später kam auf dem Seitenstreifen ein Motorrad auf mich zu. Eine Honda Transalp mit ganz vielen blauen Lichtern, die alle lustig blinkten. Der holländische Polizist fragte mich, ob ich mit dem Motorrad gestürzt wäre. Ich verneinte. Der Polizist daraufhin: „Ich dachte nur, weil sie so weiß im Gesicht sind.” Ich hatte nicht mehr die Kraft zum Lachen. Er meinte, daß es aus Sicherheitsgründen besser wäre, wenn ich das Motorrad von der Autobahn schieben würde. Ich konnte ihn überzeugen, daß ich die Maschine nicht einen einzigen Meter mehr schieben würde, egal was passiert. Der Polizist funkte kurz mit der Zentrale und ich traute meinen Augen nicht, als fünf Minuten später ein Polizeiwagen mit zwei Polizisten besetzt angerauscht kam, alle drei Männer sich auf mein Motorrad stürzten und es bis zur Ausfahrt schoben. Ich konnte nichts anderes tun als hinterherzutrotten. Ich bedanke mich noch auf diesem Wege für die tatkräftige Hilfe. An der Ausfahrt angekommen, rief ein Sheriff einen Werkstattdienst für mich an.
Kurze Zeit später tauchte der Werkstattwagen auf. Kurz zwei Kabel angeklemmt, Knöpfchen gedrückt, der Motor läuft! Ich sagte: „Herzlichen Dank”, er sagte: „65 Euro.” Vielleicht sollte ich auf mein Auto auch „Werkstattwagen” schreiben. Für diesen Betrag bin ich immerhin vier Kilometer weit gekommen. Nach diesen vier Kilometern ging mir beim Gaswegnehmen schlagartig der Motor aus. Also wieder rechts raus. Zu meinem Glück bildete sich aufgrund hohen Verkehrsaufkommens ein Stau auf meiner Höhe. Ich also nichts besseres zu tun, als Auto für Auto abzuklappern mit der Frage: „Haben Sie ein Starthilfekabel?” Nach zehn Absagen bot sich ein LKW-Fahrer an, mir seine 24 V zur Verfügung zu stellen. Nein, dann doch nicht. Zwei Fahrzeuge später das unerwartete Glück. Ein Ehepaar war sich sicher, ein Starthilfekabel im Kofferraum zu haben. Allerdings mußten vorher etwa zwei Koffer, zwei Taschen und einige Plastiktüten auf dem Randstreifen ausgebreitet werden. Das Kabel lag natürlich ganz unten. Kabel angeschlossen, Knöpfchen gedrückt, Hurra, er läuft! Drauf auf die Maschine, Gas geben und nicht mehr anhalten. Es ging alles gut bis 50 Kilometer vor der Grenze. Nun fing die Tankwarnlampe an zu leuchten. Sch…., ich muß tanken! Nächste Raststätte angefahren. Ich hatte mir das Ganze so gedacht, daß ich das Motorrad auf den Seitenständer stelle, den Motor auf keinen Fall abstelle. Mit laufendem Motor tanken muß ausnahmsweise einmal erlaubt sein. Ich fahre also stolz an die Zapfsäule, hebele lässig den Seitenständer raus, öffne die Tankklappe und muß danach wohl einen Gesichtsausdruck gezeigt haben, als hätte ich in eine saure Zitrone gebissen. Der Tankdeckel ist natürlich abgeschlossen. Und mit welchem Schlüssel wird der Tankdeckel geöffnet? Naaa? Ja, stimmt! Immerhin blieben mir nun zwei Möglichkeiten: 1. den Motor laufen lassen und nicht tanken oder Möglichkeit zwei. Ich entschied mich schweren Herzens für Möglichkeit zwei. Für meine letzten Euros füllte ich den Tank, schloß ihn ordnungsgemäß wieder ab und machte mich unverzüglich auf die Suche. Nach was? Genau, wieder dieses leidige Thema Starthilfekabel. Die Raststätte sah keine Möglichkeit. Also jeden Tankkunden angebohrt. Bei Nr. 10 war ich erfolgreich. Die restliche Fahrt bis nach Hause verlief dann ohne Probleme.
Um 8 Uhr morgens gestartet, als ich das heimatliche Wohnzimmer betrat, zeigte die Uhr 0:00. Gleich am nächsten Tag habe ich mir ein Starthilfekabel gekauft. Sollte also jemand irgendwann in die gleiche Situation kommen, ich kann helfen!