aus bma 03/03

von Lothar Hartmann

Im Harz hinter Seesen.Das Wetter war ausgezeichnet, leicht bedeckt und nicht zu warm, so wie es der Biker liebt. Dem Abstecher in den Harz stand also nichts im Wege. An einem Mittwochnachmittag ging es in Bremen los und über die Autobahn Richtung Hannover. Nach der Abfahrt Seesen folgten wir den Empfehlungen im „Tourenfahrer-Roadbook Harz”, um uns schon ein wenig auf die Kurvenkratzerei einzustellen. In Herzberg/Sieber hatten wir eine kleine Ferienwohnung gebucht. Gleich neben unserem Quartier fand sich eine nette Kneipe, die auch über Gästezimmer verfügt. Wie die Wirtin uns erzählte, gebe es für sie keine angenehmeren Gäste als Biker: Morgens frühstücken sie, dann sind sie den ganzen Tag unterwegs und abends kommen sie mit viel Hunger und Durst wieder zurück. Und immer gut drauf. Das freut jede Wirtin. Das Lokal ist, wenn man von Herzberg kommt, gleich das erste rechts in Sieber. Eine alte MZ schmückt den Parkplatz, damit der Biker weiß, wo er anhalten kann. Sieber ist ein kleines Harzdorf mit mehr Gästebetten als Einwohnern, ruhig und verschlafen. Wir mögen das.
Am nächsten Tag sollte es losgehen. Neben unserer Ferienwohnung logierte ein harzerfahrenes Paar. „Über 20 Jahre kommen wir schon hierher. Wandern Sie auch? – Ach nein, Sie fahren ja Motorrad. Sie müssen unbedingt …” und so ging es weiter ohne Ende bis wir gnädig zum Frühstück entlassen wurden.
Zwei Empfehlungen waren allerdings wirklich gut. Zum einen das blaue Meer bei Rübeland, zum andern die Roßtrappe bei Thale. Laut Eigenwerbung handelt es sich um den Grand Canyon von Deutschland. Eine interessante und bikerfreundliche, weil kurze Wanderung zu beiden Plätzen ist garantiert.

 

Wir fuhren also von Sieber über Sankt Andreasberg und Braunlage nach Schierke. Von Schierke aus kann man mit der Kutsche auf den Brocken fahren. Für den Gast wird hier einiges geboten. An jedem zweiten Haus hängt eine Brockenhexe und überall gibt es den berühmten Schierker Feuerstein, ein Harzer Nationalgetränk.
Nur ein paar Kilometer weiter liegt Drei Annen Höhe. Hier hält die Harzquerbahn, eine Schmalspureisenbahn mit richtig schönen Dampfloks, die die Wende überlebt hat und zu neuem Glanz gekommen ist.
Weiter ging es über Elend (heißt wirklich so), Königshütte, und Elbingerode nach Rübeland zum blauen See. Das Blau ist wirklich sehenswert und einmalig. Postkartenromantik pur.
Destille in NordhausenUnsere Tour ging weiter nach Thale zur Roßtrappe und zum Hexentanzplatz. Wir haben zwar niemanden auf dem Besen reiten sehen, aber überall an den Häusern und Balkonen hingen besenschwingende weibliche Wesen. Der Tourist scheint das so zu wollen, oder nennt man das Folklore?
Ein paar Worte noch zum östlichen Harz. Dort sind die Touristenpfade noch nicht so ausgelatscht wie im Westen, die Menschen dort wollen sicher auch Geld verdienen, sind dabei aber irgendwie normal geblieben. Man ist eine Spur freundlicher und unkomplizierter. Wir fahren gern durch den „wilden Osten”, haben dort immer freundliche und hilfsbereite Menschen gefunden, die Quartiere sind meist etwas preiswerter.
Über Friedrichsbrunn, Allrode, Güntersberge und Breitenstein ging es dann nach Stolberg, wunderschön erhalten und restauriert, ein schönes Fleckchen Erde, um anzuhalten und Eis zu essen.
Immer weiter ging es auf möglichst kleinen Straßen, fernab vom großen Rummel, auf der Suche nach schönen Erlebnissen und schönen Touren.
Von Stolberg über Rottleberode, Stempeda, Neustadt, Niedersachswerfen (wieder so ein putziger Ortsname) und Ilfeld kurvten wir nach Appenrode, Ellrich, Walkenried, Bad Sachsa, Bad Lauterberg und über Herzberg zurück nach Sieber. Es gab viel zu sehen. Unterwegs machten wir in Bodetal Rast. Die Angler standen in langen (sehr langen) wasserdichten Hosen im Fluß und zogen Forellen heraus. Es kroch der Duft von allerfeinstem Räucherfisch in unsere Nasen. Wir suchten aufmerksam nach einer Räucherei, fanden ein Hinweisschild und fuhren über einen feuchten Kalkweg zu einer riesigen Forellenzucht.
Draußen gab´s jede Menge Sitzgelegenheiten, drinnen geräucherte oder gegrillte Forellen. Da gab´s nur noch eins: Zwei Forellen, ein Wasser und ein Bier bestellen und dann Picknick im Freien bei bestem Wetter in schöner Landschaft. Der Halt lohnt sich wirklich.
Wer im Harz war, muss am Kyffhäuser gewesen sein. Also hin, aber vorher machten wir noch einen Abstecher nach Nordhausen zur Kornbrennerei mit Führung und anschliessender Verkostung. Der Besuch erinnerte uns fast an die Single Malt Destillen, die wir in Schottland gesehen hatten. Das blaue MeerIn Nordhausen hatte es früher viele Brennereien gegeben. Manches Schnäpschen soll wohl früher auch ohne Steuer gebrannt worden sein. Jetzt gibt es nur noch diese eine kleine Destille, die einige Varianten zum (gebrannten) Korn anbietet, die ganz witzig schmecken. Ich kam aber erst abends in den Genuss, schließlich stand ja noch der Kyffhäuser an. Dort sollte man wirklich völlig nüchtern sein. Die Straße von Kelbra zum Kyffhäuser wird wohl nur von einigen Alpenpässen überboten. Ein Biker jagt hinter dem nächsten her, jeder will wohl in Bestzeit rauf oder runter. In den Kurven gibt es ein paar Versammlungsparkplätze zum verschnaufen, Benzin reden und dann geht es wieder los.
Oben auf dem Kyffhäuser gibt es Eis und Kuchen und einen Parkplatz, der fünf Euro kostet, wenn man kein Gast im Restaurant ist. In voller Motorradmontur bei Sonnenschein kann der Weg weiter zum Denkmal allerdings arg lang sein, dafür ist der Blick über das Tal aber grandios.
Am Samstag sollte es dann wieder Richtung Heimat gehen. Wir wollten gemütlich über Bundesstraßen nach Bremen fahren und hatten eine schöne Tour über Gieboldehausen, Northeim, Einbeck, Stadtoldendorf, Bodenwerder, Hameln, Bückeburg und Sulingen nach Bremen geplant. Wir hätten aber lieber die Autobahn nehmen sollen, denn es schüttete wie aus Kübeln. Meine Jacke hielt das Wasser draußen, meine Hose leider nicht. Gerade an einer recht kälteempfindlichen Stelle marschierte das Wasser nach ca. zwei Stunden direkt in die Stiefel. Die Sozia hatte es da besser. Sie meinte immer nur, dass es ihr gut ginge, ich sollte bloß weiterfahren, damit wir dann irgendwann und irgendwie nach Hause kommen.
Die Hose ist zur Reklamation zum Hersteller. Selbst Schottland hatte sie aus-, respektive dichtgehalten. Da soll doch ein Schauer im Weserbergland, auch wenn er das eine oder andere Stündchen gedauert hat, einigermaßen trocken zu schaffen sein. Zumal der Hersteller mit Garantie versprochen hatte, dass eventuelle Feuchtigkeit nur von drinnen nach draußen dampft und nicht umgekehrt.