aus bma 1/12 – Geschichtsstunde

Text: Rainer Manhoff
Fotos: Pressebilder

Der Anfang: Easy RiderManche empfanden sie als erfrischend, andere als lächerlich oder gar als mörderisch. Die Rede ist von der Ära der Softchopper, von der die bikende Zunft vor ziemlich genau 30 Jahren regelrecht überrollt wurde.

Nachdem der legendäre Streifen „Easy Rider” 1969 über die Leinwände flimmerte, begann die Szene anders zu ticken. Wer hätte damals gedacht, dass Peter Fonda, Dennis Hopper und ihre Harleys damit eine ganze Ära prägen würden? Bis dahin stand der Begriff „choppen” für das mehr oder weniger planvolle Um- oder Abbauen diverser Motorradteile. Selbst wenn Softchopper ihre Wurzeln in den USA haben, sind sie dennoch keine Erfindung von Harley-Davidson. In Milwaukee wird schließlich zünftig gechoppt oder gecruist – nicht gesoftchoppert. Norton und Triumph waren in den frühen siebziger Jahren die ersten, die auf den anrollenden Publicity-Zug des „American Way Of Life” aufspringen wollten – und legten prompt unsanfte Bauchlandungen hin.

Kawasaki Z1000 LTD von 1979Anders sah die Sache bei Kawasaki aus. Mit der 82 PS starken Z 900 hatten die Japaner seinerzeit das stärkste Big Bike im Programm. Genau die richtige Basis, um die Amis mit dem ersten Custom-Modell aus Nippon im Jahr 1976 zu überraschen. Die KZ 900 LTD fuhr die Konkurrenz in Grund und Boden und verkaufte sich wie geschnitten Brot. Dabei hielten sich die Modifikationen in überschaubaren Grenzen.

Ein kleineres 13 Liter-Spritfass, ein höherer Lenker, dazu eine fette Stufensitzbank samt voluminösem Hinterreifen und ein paar zusätzliche Chrom-Teile reichten völlig, um den Fans ordentlich die Köpfe zu verdrehen. Es dauerte nicht lange bis Honda die smarte CM 185 T und Yamaha die XS 650 U.S. Custom mit drehmomentstarkem Parallel-Twin präsentierten. Und die Rechnung ging auf.

Nun kam es, wie es kommen musste und ein Hersteller nach dem anderen unterzog seine Standard-Modelle einer internen Customizing-Kur. Kawasaki legte mit der Z 650 SR und der Z 440 LTD nach, Honda ließ die Güllepumpe zur CX 500 C mutieren und Suzuki stellt die GS 550 und GS 750 als angechoppte L-Version in die Schaufenster.

Yamaha XS 400 SE von 1980Es folgte ein aberwitziger Wettlauf um den größten und stärksten Softchopper. Yamaha brachte 1980 die XS 750 U.S. Custom und die XS 1100 Midnight Special, Suzuki die 100 PS starke GSX 1100 L. Ein Jahr später stand schließlich auch hierzulande die Kawasaki Z 1000 LTD in den Startlöchern. Größter Haken der schwergewichtigen Boliden war die Tatsache, dass aufgrund der aufrechten Sitzposition kaum an hohe Geschwindigkeiten zu denken war. Durch die softe Fahrwerksabstimmung gehörte zudem nicht sonderlich viel dazu, um die Bikes an ihre Grenze zu bringen. Die kleineren Softchopper erfreuten sich uneingeschränkter Beliebtheit – insbesondere bei Fahrschulen. Wer den Lappen hatte, liebäugelte nicht selten mit dem Modell, das er – respektive sie – bereits in der Fahrschule ausgiebig testen konnte. Und auf den ersten Blick eines Neulings konnte ein solcher Softchopper durchaus überzeugen. Ein breiter Lenker, die aufrechte Sitzposition eine niedrige Sitzhöhe vermitteln viel Sicherheit.

Die italienische Motorradindustrie konnte nicht so schnell handeln wie sie eigentlich wollte und lief dem Trend mit etwas Verspätung hinterher. Umso schlimmer, als sich herausstellte, dass diese Mode, so schnell wie sie kam, auch wieder verschwand. So stellte Cagiva erst Mitte der achtziger Jahre die 650 Indiana mit sportlichem 650er Pantah-Motor vor, kurz darauf sogar mit 750 ccm. Eine Zeit, in der Harley-Davidson selbstbewusst die Sportster 1000 (1982) und die kleinere Sportster 883 (1986) vorstellte und so die Zielgruppe gezielt auf jüngere Damen und Herren ausbaute. Kunden fernöstlicher Bikes wählten insbesondere zu dieser Zeit ihr Fahrzeug nach wesentlich logischeren Kriterien aus, als beispielsweise Harley-Fans. Speziell für deutsche Motorradfahrer spielen Preis, Leistung und Einsatzzweck bei der Wahl eine enorm wichtige Rolle.

Suzuki GN250 ab 1982Als der Softchopper-Boom Mitte der achtziger Jahre endgültig vorüber war, strafften insbesondere Yamaha, Suzuki und – in geringerem Maße – auch Honda ihre Modellprogramme. Die völlig un­über­sichtliche Modellpalette mit teilweise über 60 unterschiedlichen Angeboten je Marke war weder für Kunden, Händler noch Hersteller praktikabel. Neben einer miserablen Ersatzteilversorgung und horrenden Lagerhaltungskosten sorgte die Marktüberschwemmung mitunter für Ratlosigkeit unter der Kundschaft.

Während sich Yamaha im Segment der Softchopper auf den luftgekühltem OHC-V2 mit zwei Ventilen pro Zylinder konzentrierte, widmete man sich bei Honda schon frühzeitig dem aufwendigeren V4-Konzept mit DOHC-Ventilsteuerung, vier Ventilen pro Zylinder und Wasserkühlung. Als Sekundärantrieb griff man hingegen genauso gern auf einen Wellenantrieb zurück, was zu Beginn der achtziger Jahre keineswegs eine Selbstverständlichkeit war, da für die Umstellung von Kette auf Kardan neben dem Motorgehäuse und Getriebe auch der Rahmen kostenintensiv modifiziert werden musste. Nichtsdestotrotz schreckte Honda nicht davor zurück, dem lebendigen DOHC-Reihenvierzylinder der CB 900 F Bol d’Or in der US Custom-Version ein spezielles Vorgelege ins Getriebe zu pflanzen, um aus den nominell vorhandenen fünf Gangstufen derer zehn zu zaubern. Resultat: auf Wunsch brachiale Beschleunigungswerte bei ge­wöhnungsbedürftiger Bedienung. Nun, die Amerikaner sind für vielerlei Späße zu haben.

Yamaha XV 1000 SE von 19831983 stellte Yamaha die smarte XV 500 SE als Mittelklasse-Softchopper vor. Der Erfolg blieb jedoch aus. Das Design war einfach zu brav, um sich als kleine Ausgabe der XV 750 einen Namen zu machen. Erst die spätere XV 535 Virago verhilft dem Hersteller ab 1988 zum ganz großen Erfolg und gehört zu den meistverkauften Motorrädern ihrer Zeit. Umso erstaunlicher, da es Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre keine nennenswerte Softchopper-Szene gab. Gleichzeitig jedoch ein Indiz dafür, dass die Vorzüge dieses Konzeptes besonders gerne im Einsteiger-Segment genutzt werden.

Das Umdenken der fernöstlichen Softchopper-Kultur war offensichtlich – weg vom multikulturellen Reihenvierzylinder, hin zum innovativen, leistungsstarken Objekt der Begierde. Den Zenit bildete 1983 das 120 PS starke Beschleunigungsmonster Honda VF 1100 C. Parallel entwickelte Suzuki die GV 700 und GV 1200 Madura, gleichfalls mit V4-Konzept – beide wurden hierzulande ausschließlich über Grau-Importeure angeboten. Honda backte nach technischen Problemen mit den V4-Motoren indes wieder kleinere Brötchen und präsentierte 1984 die VT 500 C mit 52°-V2-Motor. Gegenüber der in die Jahre gekommen CX 500 C / CX 650 C machte die VT mit längs eingebautem V-Motor einen deutlich grazileren Eindruck. Dieser problemlose und zudem sehr handliche Softchopper stellte wieder die praktischen Vorteile der einfachen Beherrschbar- und Anspruchslosigkeit in den Vordergrund.

Honda VF 1100 C von 1983Währenddessen begegnete Suzuki dem Klientel mit der technisch zwar interessanten, jedoch wenig gefragten GR 650. Der ausgeklügelte Zweizylinder zeichnete sich durch eine variable Schwungmasse aus, um auf diese Art einen Kompromiss zwischen Laufruhe und Drehfreude zu finden. Als Kawasaki 1985 die LTD 450 mit halbierten GPZ 900 R-Motor und die VN 750 Vulcan mit kultiviertem 55°-V2, Wasserkühlung, Doppelzündung und Kardanantrieb vorstellte, steht die Ära der Softchopper bereits kurz vor ihrem Ende.

Mit klar gezeichneter Linie und dem insgesamt minimalistischen Gesamtkonzept setzt die Suzuki VS 750 Intruder im Jahr 1986 jene Akzente, die aus einem Softchopper einen charismatischen Low Rider machen. Sie war der erste konsequente Chopper aus Fernost und beendete damit die Ära der Softchopper. Als im Jahr darauf schließlich die 1400er Intruder präsentiert wird, stehen Freizeit-Rocker gänzlich Kopf: Ellenlange Zylinder, armdicke Krümmer und ein markanter, rund 90 kg schwerer Motor. Aber das ist, wie auch die Zeit der Cruiser, wieder eine andere Geschichte.