Fehlende Lobby verhindert Verbesserungen
aus Kradblatt 4/25 von Klaus Janßen
Gedanken zur 60 km/h-Petition, initiiert vom Scooter-Shop SIP aus dem bayrischen Landsberg am Lech. Roller und Mokicks sollten statt 45 endlich 60 km/h fahren dürfen. Was wurde daraus?

Auch ich habe schon 1979, als 16-jähriger Mokickfahrer, die vom Gesetzgeber zulässige Höchstgeschwindigkeit von damals 40 km/h als verkehrsgefährdend empfunden.
Um, im damals noch fließenden Stadtverkehr mitschwimmen zu können, war mein Wunsch eine regulär erlaubte Höchstgeschwindigkeit für Mokicks und Roller von 60 km/h, besser noch 70 km/h.
Die Regelung in der damaligen DDR war 60 km/h, was aus meiner Sicht und Fahrpraxis eine weitaus fortschrittlichere und sicherere Lösung war. Ein Grund, warum die Simsons mit 60 km/h Betriebserlaubnis heute noch, auch bei der westdeutschen Jugend, sehr beliebt sind.
Die Einführung, dass die Mofas mit nur 25 km/h vom Radweg auf die Straße wechseln mussten, war eine Gefährdung für die Mofafahrer und eine Zumutung und Behinderung des Kraftverkehrs und provozierte viele gefährliche Verkehrssituationen. Nach dem der damalige Bundesinnenminister Zimmermann 1985, bei seiner Irrfahrt auf dem Mofa, unkontrolliert durchs Blumenbeet bretterte und dann noch die Helmpflicht und der Führerschein fürs Mofa kamen, verschwanden langsam die Mofas, nicht nur vom Radweg, sondern fast gänzlich.

Die Kleinkrafträder mit 50 ccm (Klasse 4) mit um die 6 PS hatten damals keine bauartbedingte Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit und liefen einiges mehr als 80 km/h, waren jedoch für die meisten Jugendlichen in der Anschaffung und Versicherung unerschwinglich. Da waren Mokicks eine echte Alternative, jedoch wollte niemand mit nur 40 km/h den Verkehr behindern. So wurde geschraubt, um wenigstens ein bisschen mehr herauszuholen, und das Fahren mit dem Mokick war dann entspannter und auch sicherer. Jedoch bewegte man sich in einer rechtlichen Grauzone. Wer nur einen Führerschein der Klasse 5 hatte, war schon ohne gültige Fahrerlaubnis unterwegs. Wer sein Moped, Mokick, oder den Roller baulich verändert hatte, um schneller als 40 km/h zu sein, der fuhr ohne Betriebserlaubnis und ohne gültigen Versicherungsschutz. In der Bundesrepublik Deutschland war man als 16-jähriger Mopedfahrer mit 60 km/h und ein bisschen mehr, illegal und fast schon kriminell unterwegs, was Polizei und Justiz unnötig belastete. So manches Mal hatte man eine „Weiße-Maus“ hinter einer Gläser Verkleidung, oder einen dunkelgrünen Ford Consul im Nacken und entzog sich der behördlichen Kontrolle, durch abbiegen in unwegsames Gelände. In der DDR fuhr man mit 60 km/h völlig legal und unbeschwert mit der 50er.
Als die 80er Leichtkleinkrafträder (LKR) und der Führerschein 1b eingeführt wurde, kam jedoch langsam das Aus für die Mopeds, Mokicks und Kleinkrafträder mit 50 ccm. Nur wenige Jahre später verschwanden auch noch die 80 ccm Leichtkrafträder aus dem Bundesdeutschen Straßenbild. Die Rahmenbedingungen, wie Führerschein- und Kaufpreise waren einfach auf zu hohem Preisniveau für die zumeist jugendliche Käuferschicht. Die Versicherungsbeiträge für die 50er Kleinkrafträder und dann auch der Leichtkrafträder mit 80 ccm waren wegen hoher Schadensbilanz zu sehr angestiegen und machten diese für die junge Zielgruppe unbezahlbar. Eine 50er der Klasse 5, mit kleinem Versicherungskennzeichen, kostete damals jährlich 64 DM, eine 50er der Klasse 4 mit großem Nr.-Schild konnte bis hin zu 1200 DM Versicherungsbeitrag kosten. Die 80er 1b lagen anfangs bei ca. 300 bis 400 DM im Jahr. Übermäßige Lärm- und Abgasbestimmungen machten den Herstellern zusätzlich das Überleben immer schwerer. Die deutschen Hersteller hatten die Entwicklung verschlafen und konnten dann auch dem Preisdruck nicht mehr standhalten. So kam damals das Aus für einen ganzen Industriezweig, mit Marken wie Herkules, Kreidler, Maico, Zündapp und einigen mehr. Auch Simson und MZ überlebten den Anschluss an den Westen nicht dauerhaft. Zahlreiche Zweiradwerke und Fachgeschäfte schlossen. Nur Motorroller aus Italien und Fernost fanden noch genügend Absatz.

Die Politik versuchte der Industrie durch die Anhebung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit auf 45 km/h für die 50er Klasse zu helfen. (Eine halbherzige Lösung, 60 km/h wären sinnvoller gewesen.) Auch die Gesetzgebung für die 125er Klasse mit Autoführerschein und den Zugang schon ab 16 Jahren zu ermöglichen, wie es im Ausland schon Praxis war, waren ein Versuch die Zweiradwirtschaft anzukurbeln. Leider brachten diese Regelungen nicht den erhofften großen Erfolg. Auch die Senioren, die mit einem Autoführerschein auf eine 125 wechseln durften, gaben schnell wieder auf oder wollten nach einem Jahr Praxis dann doch den Führerschein für eine größere Maschine machen. Die Absatzzahlen, wie in den 70er- und 80er-Jahren mit den 50 ccm Mokicks, KKR u. LKR, konnten mit den 125ern bei Alt und Jung nicht mehr erreicht werden.
Der neue Trend zum Fahrrad und besonders zum E-Bike ist mittlerweile wohl an diese Stelle gerückt.
Wie sich die Elektroentwicklung auf den Moped-, Roller- und Motorradsektor auswirkt, wird erst die Zukunft zeigen. Bei Scootern kann ich es mir noch vorstellen, aber im Mokick- und Motorradsektor wird es wohl nur eine sehr begrenzte Akzeptanz und Zustimmung geben. Vielleicht hat ja die E-Schwalbe von Govecs bei nachfolgenden Generationen eine Chance. Leider scheint es bei der Jugend heute attraktiver zu sein, sich per App in der Stadt einen E-Scooter zu chartern, um den man sich nach Gebrauch nicht weiter kümmern muss. Die Nutzer sind für Pflege und technischen Zustand, so wie das Aufladen und die Unterbringung des Fortbewegungsmittels, nicht weiter verantwortlich.

Was die 60 km/h Petition angeht, so hat der Inhalt der Petition für die 50er Rollerfahrer und Liebhaber von Mokick-Oldtimern oder auch modernen E-Rollern, nicht an Aktualität verloren. Es wäre meiner Meinung nach, auch heute sicherer mit einer 50 ccm Maschine mit 60 km/h im fließenden Verkehr mitschwimmen zu können, als mit 40 oder 45 ein Hindernis zu sein. Nur müssten die Mokicks und Roller nicht auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen fahren dürfen, da die Differenz der Geschwindigkeit zu den heutigen PKW, LKW und Motorrädern zu hoch ist.
Die 60 km/h Petition wurde bereits 2023 vom Scooter-Shop SIP gestartet. Das Quorum von 50.000 Stimmen wurde übertroffen, die Stimmen im August 2023 an den Bundestagsabgeordneten Volker Ullrich von der CSU übergeben, getan hat sich aber nichts. „Der Vorgang befindet sich noch in Prüfung“, wie die Zeitschrift Motorrad im Januar 2025 berichtete (siehe www.motorradonline.de).
Es gibt bestimmt brenzlichere Themen, die in unserer Zeit anstehen, aber ganz außer Acht lassen sollte die Politik auch die alltäglichen Probleme von Menschen im Verkehr nicht. Politiker sind Profis im Aussitzen von Entscheidungen, die Lebenswirklichkeit und Lebensqualität, so wie das Überleben von Industriezweigen, Handel und Arbeitsplätzen bleiben dabei allzu oft auf der Strecke. Parlamentarier steigen wohl eher selten auf eine 50er und müssen im Berliner Berufsverkehr zurechtkommen. So fehlt es der 50er Fraktion, an fachkundigen und persönlich Betroffenen in den Ausschüssen und dem, z.Z. aktuellen Bundestages, mit nun 630 Abgeordneten. Die Hersteller von kleinmotorisierten Zweirädern und die Fahrer der kleinen Zweiräder, haben auch keine große Lobby.

Im Zeitalter von aufkommender E-mobilität, Umwelt- und sich ausbreitenden Tempo-30-Zonen und dem Ruf der Politik nach Verbot von Verbrennungsmotoren ist wohl kaum davon auszugehen, dass die Abgeordneten des Bundestages der 50 ccm Klasse noch eine Steigerung der Sicherheit und Attraktivität zukommen lassen, obwohl ja auch elektrisch betriebene „50er“ davon profitieren würden.
Ich hoffe, die 60 km/h-Petition vom SIP Scooter-Shop findet Gehör im Bundestag und wird positiv beschieden, so dass die Jugend von heute endlich entkriminalisiert den Spaß mit dem Mokick oder Roller bzw. Scooter, wie man es heute nennt, genießen kann. Denn für die Jugend war die 50er oder auch der Roller nicht nur ein günstiges Fortbewegungsmittel, es war das erste Stück Freiheit und der Eintritt in die Mobile Welt und das ist es für viele Jugendliche bestimmt auch heute noch.
Es wäre wünschenswert, wenn die 60 km/h Petition sogar auf EU-Ebene für ganz Europa zur Anwendung kommen würde.
Ich habe zuletzt vor ein paar Jahren mal ein paar Runden mit einem 50er Scooter durch Bremen gedreht, Mein persönliches Fazit: war mir zu gefährlich, weil zu langsam, man kann nicht mit dem fließenden Verkehr mithalten, man wird oft von überholenden PKWs geschnitten und das Fahrwerk mit den kleinen Rädern war so gar nichts, für den mittlerweile miesen Zustand der Straßen in Bremen, womit wir bei einer weiteren von vielen brachliegenden Großbaustellen der Politik angekommen wären.
—
Kommentare