Schotterpiste4500 Kilometer mit dem Motorrad durch Osteuropa – Rumänien, Moldawien, Polen. Teilweise ist es eine Reise in eine andere Zeit. Wir haben hauptsächlich gute Erfahrung mit den Einheimischen gemacht, wurden überall freundlich empfangen …

aus Kradblatt 8/16
von Gela Wahlen

4500 km durch Osteuropa, Rumänien • Moldawien • Polen

AbfahrbereitNachdem verschiedene Ziele, wie Sankt Petersburg oder Türkei zu umrunden angedacht waren, wurden sie auf Grund der politischen Situation verworfen. Wir entschieden uns für Rumänien / Moldawien. Jeder durfte noch ein paar Wegpunkte hinzufügen und so war die Reiseroute im Groben geplant.

Zur Zeitersparnis buchten wir über eine rumänische Spedition, den Transport unserer Mopeds, One-Way Hamburg–Bukarest. Ein bissel bange war uns schon, kommen die Mopeds und das Gepäck auch unversehrt dort an?

An einem Sonntag im Mai ging es für die „Drei“ (Suzuki 650, Tiger 800 und BMW 1200 GS) von Hamburg aus per Transporter in den Osten. Wir flogen am Freitag darauf über Düsseldorf nach Bukarest. Dort angekommen wurden wir von dem „Spediteur“ am Flughafen abgeholt und quer durch Bukarest, die mit 1,9 Millionen Einwohnern sechstgrößte Stadt der EU, zu unseren Mopeds chauffiert – Sight­seeing inklusive.

Auf dem Weg nach BranDie Spannung war groß, sind sie alle da? Ja, es hat super geklappt. Umziehen, Gepäck dranpinnen und fertig. Wir mussten noch auf unseren bayrischen Weggefährten, der mit seiner BMW F 800 GS auf eigener Achse angereist war, warten. Nachdem das Navi ihn gefühlte dreimal quer durch die Bukarest geführt hat, kam auch er eine knappe Stunde später an.

Nun waren wir vollzählig und das Abenteuer konnte beginnen. Unser erstes Ziel: Burg Bran. Der Weg dahin war die erste große Herausforderung. Da wir auf große Straßen verzichten wollten, sind wir den ganzen Urlaub über nach Navi – Option kurvenreiche Strecke – gefahren. Da kann es schon mal passieren, dass die „Straße“ futsch ist und es seitlich über Stock und Stein zum nächsten Stückchen Asphalt geht. Plötzlich standen wir dem nächsten Problem gegenüber: Eine Herde Rindviecher auf dem allabendlichen Weg in den Stall. Die Panik brach aus und die ersten rannten schon los, während die anderen wohl noch überlegten was ihnen da plötzlich auf ihrem Weg entgegen kam. Tja, so eine Begegnung mit ’ner bayrischen Kuh hat schon was.

Burg BranIn Bran angekommen, fanden wir auf Anhieb ein nettes Hotel mit Sicht auf die Burg. Am nächsten Morgen, wachten wir zum Glück nicht blutleer auf. Naja, eigentlich hat Vlad III. Drăculea es nie betreten, andere meinen, er hätte dort lediglich eine einzige Nacht in Gefangenschaft verbracht. Wie dem auch sei, die im Jahre 1377 gebaute Burg erinnert an die Beschreibung von Draculas Burg aus Bram Stokers gleichnamigem Roman. Leicht gruselig war es aber trotzdem.

Nach dem Frühstück, ging es erst mal zu Fuß in die Stadt, Souvenirs für die Daheimgeblieben besorgen, natürlich Fotos knipsen und die rumänischen Lei abheben bei einer Bank die paradoxerweise „BRD“ heißt.
Alles erledigt, Motorräder bepacken und weiter. Mit gut 450 km quer durch die Walachei – Richtung Moldawien, auf teilweise unbefestigten Wegen erreichten wir unser nächstes Etappenziel Bârlad.

PferdewagenGut erholt fuhren wir am nächsten Morgen gen Osten. Teilweise kann man denken, man macht eine Reise in die Vergangenheit. In manchen Dörfern ist die Zeit stehengeblieben. Mit Pferdefuhrwerken werden Transporte unternommen, allerdings hat fast jeder der „Kutscher“ sein Handy am Ohr, was uns in die jetzige Zeit versetzt. Es gibt schöne, einsame, kurvige Strecken mit offroad Einlagen. Wir sahen die armen Roma, die am Wegesrand schliefen, und es gab die reichen Romadörfer. Unsere Strecke führte uns durch ein solches. War schon ein komisches Gefühl auf einmal in eine Straße abzubiegen, in der die Wohnhäuser fast nur aus Türmen bestanden. Die Dächer glitzerten in der Sonne und auf der Straße waren die Menschen auffallend bunt bekleidet.

Chisinau Kathedrale der Geburt des HerrnÜber die Moldau von Rumänien aus ging es flott, aber auf der anderen Seite, wo wir nach Moldawien einreisen wollten, dauerte es länger. Reisepässe wurden eingesammelt und die ernst dreinschauenden moldawischen Grenzbeamten verschwanden in ihre Büros. Wir waren die einzigen, die an diesem Morgen einreisen wollten. Etwas später wurden auch die Fahrzeugpapiere eingesammelt. Nach einiger Zeit kamen sie wieder raus und begutachteten unsere Motorräder. Nach ca. 1 Stunde stand der Einreise nichts mehr Wege.

Wir fuhren die erste etwas größere Stadt Hîncești an, um dort unsere Euros in moldawische Leu zu tauschen. Man kennt die Filmausschnitte, wo die Außerirdischen landen, so muss man sich das vorstellen als wir mit vier Mopeds in Hîncești „eingefallen“ sind. Nach dem Umtausch und einer kleinen Stärkung fuhren wir weiter nach Chișinău, der Hauptstadt und der bevölkerungsreichsten Stadt des Landes.

MaramuresEine geeignete Unterkunft zu finden erwies, sich als nicht so einfach. Mit nur ca. 400 Euro Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist Moldawien das statistisch gesehen ärmste Land Europas. Allerdings hatte man dies bei den Übernachtungskosten nicht gemerkt. Hier fanden wir das „teuerste“ Hotel der gesamten Reise. Rechnung gab’s auch keine, da das Papier alle war. Nach unserem Check-in, informierten wir uns was es denn hier so zum Anschauen gäbe. Die freundliche Rezeptionistin lachte und sagte: „Hier gibt es nichts Sehenswertes!“ Na gut, denn gehen wir halt in ein Moldawisches Restaurant. Auch dies war im Verhältnis recht teuer. Wir besichtigten noch die Stadt und blieben bei einem kühlen Chișinău Blondă (das einheimische Bier) im Biergarten hängen und ließen den Trubel der Universitätsstadt an uns vorbeiziehen.

Maramures HolzkircheEigentlich war für Moldawien zwei Tage angesetzt, nur ist es so lütt das Land, es erstreckt sich gerade mal in ca. 350 km in nord-südlicher und ca. 150 km in ost-westlicher Richtung, so dass wir uns entschlossen, am nächsten Tag wieder auszureisen. Schnell noch mal volltanken, was recht günstig war, ca. 80 Cent pro Liter.

Wir fuhren den nördlichsten Grenz­übergang nach Rumänien an. Nachdem wir ihn gefunden haben, keine Schilder, kein Hinweis, kam dasselbe wie auch schon bei der Einreise, nur mussten wir umgerechnet pro Motorrad 2,50 Euro zahlen (keiner weiß wofür). Lange Wartezeiten, obwohl wir die einzigen waren, die ausreisen wollten. Über die Moldau und durch die rumänischen Grenze – kein Problem.

Wir besichtigten noch das Frauenkloster „St. Ven. Simeon Stylite“ in Hirova. Hier wurden wir nach anfänglichem Zögern herzlich empfangen. Die Nonnen zeigten und erklärten uns stolz ihr Kloster. Der Weg nach Botoșani war ausschließlich unasphaltiert, dementsprechend sahen unser Mopeds aus – einheitsgrau.

SchotterpisteVon Botoșani aus fuhren wir am nächsten Morgen zur Besichtigung eines weiteren rumänisch-orthodoxen Frauenklosters in Humor. Danach ging es durch den östlichen Teil Maramureș nach Vișeu de Sus.
In Vișeu de Sus fanden wir einen Zwei-Man Waschbetrieb. Für umgerechnet 3,50 € pro Bike wurden hier unsere vier Motorräder wieder blitze blank geputzt. Ganz in der Nähe fanden wir eine nette Unterkunft.

Am nächsten Tag gab’s ’ne lütte Runde durch Maramureș, mit Besichtigung einer Vielzahl berühmter Holzkirchen. Maramureș hat eine Gesamtfläche von 6.304 km². Der Nordteil dieser Region liegt in der Ukraine. Zum Abschluss stand dann noch der „Lustige Friedhof“ auf dem Programm. Im Jahre 1935 hatte sich der junge Ion Stan Patras verpflichtet, günstige Holzkreuze für die armen, verstorbenen Menschen zu schnitzen. Er schuf bunt bemalte, mit geschnitzten, naiven Versen und Bildern, die auf komische Weise das Leben des Verstorbenen beschrieben. Sein eigenes Kreuz hatte Ion Stan Patras noch vor seinem Tod, 1977 angefertigt. Dieses erzählt den Besuchern vom Erfinder des „Lustigen Friedhofes“ und dass ihn bis zu seinem Tode, Besucher aus 62 Ländern besucht haben. Bei 29 °C am Abend genossen wir das Abendessen im Freien.

Sicherer Mopeds Abstellplatz Eigentlich wird hier der Abfall vor Baeren geschuetztDonnerstag ließen wir die Mopeds stehen. Wir wurden in der Holzklasse mit der Waldbahn oder auch Wassertalbahn durch die Karpaten gefahren. Waldbahnen waren damals in den Karpaten weit verbreitet. Sie schlängeln sich, auf einer Spurweite von 760 Millimetern – der so genannten Bosnischen Spurweite – an den Wasserläufen durch das Tal der Vaser bis ans Grenzgebiet der Ukraine, mit leeren Holztrucks bergauf und die schwer beladenen Züge hingegen rollen bergab ins nächste Sägewerk. Danach freut man sich wieder auf die bequemen, gepolsterten Sitzbänke unserer Mopeds.

 

Waldbahn der KarpatenWir verließen das schön warme Maramureș und fuhren entlang der ukrainischen Grenze über die Ausläufer des Hutapasses, durch Ungarn und Slowakei über die hohe Tatra, wo uns sehr feuchte 8 °C erwarteten, was uns ein bissel den Kurvenspaß nahm, nach Polen, durch Kraków, der zweit größten Stadt des Landes und Warszawa (Warschau) nach Suchowola unweit von Litauen entfernt. 1775 ermittelte ein polnischer Kartograf Suchowola als den geografischen Mittelpunkt Europas, im Zentrum befindet sich ein Findling, der diesen markiert.
Im Süden gehören einige Gemeinden aus der historischen Region Siebenbürgen zum heutigen Kreis Maramureș. Auch der gesamte Südwesten jenseits des Gutâi-Gebirges gehört mit zu der Region.

TigerwaescheAb nun führte uns unsere Reise nach Westen. Wir fuhren durch Masuren, die Straßenverhältnisse sind gut, allerdings mehr so langgezogene Kurven und so schlängelten wir uns durch die Wälder und Seenlandschafts Polens. Auf der rund 150 Kilometer langen „Storchenroute“ gibt es tatsächlich Dörfer, in denen mehr Störche leben als Menschen, die werden dann auch Storchendörfer genannt.

Eine Stadtbesichtigung hatten wir noch vor uns – Danzig. Danach trennten sich unsere Wege, unser bayerischer Weggefährte macht sich auf seinen Weg nach Hause und unsere Tour führte uns zurück nach Hamburg, wo wir dann eine Gesamtstrecke in von ca. 4.500 km auf kleinsten, kurvenreichsten, teils unbefestigten Straßen bzw. Wegen hinter uns hatten.

Es war ein schöner, abenteuerlicher Trip in die östlichsten Regionen Europas. Wir haben hauptsächlich gute Erfahrung mit den Einheimischen gemacht. Wir wurden überall freundlich empfangen und unsere Mopeds waren immer super untergebracht.