aus Kradblatt 11/22 von Berthold Schröder

Der Dauerläufer

BMW R 1200 GS über 200000 km
220.000 Kilometer auf der Uhr – weiter geht’s!

Das ist meine Dicke – im Vergleich zu den neuen GS’en ist es doch ein schlankes Reh – mit ihren stolzen 214.000 km. Sie ist Bj. 2008 und in ihrem ersten Leben war das gute Stück in England zu Hause. Nach einem Reimport kam sie wieder nach Deutschland, wo ich sie ihrem zweiten Besitzer mit 67.000 km abgekauft habe. 

Eigentlich war die GS nie mein Traummotorrad, doch bei der Probefahrt war es Liebe auf dem ersten Ritt. 

Außer Verschleißteilen, die Steuerung der Spritpumpe, einer Lichtmaschine (die den vielen Regenfahrten irgendwann nicht mehr gewachsen war) und einem undichten Simmerring am Winkelgetriebe, war das gute Stück bis jetzt immer ein treues Gefährt. Obwohl sich der undichte Simmerring noch zu einer spannenden Geschichte entwickelt hat. 

Leckender Simmering in Norwegen
Leckender Simmering in Norwegen

Bei einer Reise nach Norwegen ist mir im Norden von Dänemark beim Blick auf den Hinterreifen eine sehr glänzende Felge ins Auge gesprungen, obwohl nach 1000 km, hätte sie doch eher schmutzig sein müssen. Bei genauerem Betrachten war klar, da ist was undicht. 

Guter Rat ist teuer, was tun? Am nächsten Morgen ging die Fähre nach Norwegen. Abbruch oder weiter? Die Entscheidung fiel auf weiter, es wird doch in Norwegen auch BMW Motorradwerkstätten geben und die waren auch schnell im Internet gefunden. 

Die erste Werkstatt war auch direkt in Kristiansand, passt ja prima. Doch mit dem BMW Service war es nicht so dolle, hier wurde uns nicht geholfen. Erstens waren die Mechaniker in der Mittagspause und zweitens machen sie um 15 Uhr Feierabend und den Simmerring wollte er auch partout nicht verkaufen, weil ja auf jedem Fall die Lager des Winkelgetriebes defekt seien. Was tun? Nach einigem hin und her hat er mir dann einen Liter teures Getriebeöl verkauft und die Wegbeschreibung zum nächsten Baumarkt war gratis (um Werkzeug und Trichter zu besorgen). 

So war tägliches Einfüllen angesagt und die Hoffnung lag auf der nächsten Werkstatt in Bergen, wo wir zwei Tage Aufenthalt geplant hatten. Aber auch hier gab es absolut keine Bereitschaft einem Reisenden zu helfen. 

Damit nichts auf die Bremsscheibe tropfen konnte, wurde zum Auffangen des Öles ein Papiertaschentuch unter den undichten Ring geklebt, ging es dann zwei Wochen durch Norwegen weiter. Das Nachfüllen der geringen Menge wurde schnell zur Routine und konnte auch auf jeden zweiten Tag reduziert werden. Die Idee mit dem Taschentuch hatte meine Frau, so konnte ich die Menge, die sich rausdrückte, immer im Auge behalten und es beruhigte auch etwas meine Nerven. 

Nach 4646 km wieder daheim angekommen habe ich mich an die Reparatur gemacht und es war wirklich nur der Ring und die Lager des Winkelgetriebes laufen auch nach 214.000 km immer noch.

Die BMW R 1200 GS schlägt sich auf kleinen und großen Touren super
Die BMW R 1200 GS schlägt sich auf kleinen und großen Touren super

In meiner ersten Verzweiflung habe ich bei Facebook nach Tipps für mein Problem gefragt und wer schon mal eine Frage dort gestellt hat, weiß was es für eine Lawine auslösen kann. Es wurden höchstens noch 40 km prognostiziert, oder das Auseinanderfallen und der Totalschaden vorausgesagt. Aber ich habe es trotzdem gewagt und es war die richtige Entscheidung. 

Ja es gibt schon manchen guten oder hilfreichen Rat oder Tipp, doch manchmal muss doch der Bauch entscheiden. Denn im Endeffekt müssen wir unsere Entscheidungen selbst verantworten. 

Was mich auch zu der sehr beliebten und gehassten Reifenfrage bringt. Wir fahren auf vier Motorrädern den Bridgestone Battlax A 41, den am meist verrissenen Reifen – so kommt es mir manchmal vor, aber wir sind zufrieden. Ich kaufe nicht die Erstausrüster Variante und habe somit eine Laufleistung zwischen 12 und 15 tausend Kilometer. Die Haftung gefällt uns auch und dann kommen immer Sprüche wie: „An der rechten Hand gibt es etwas zum drehen“ … usw. usw. … doch von Werbefläche (auch als Angststreifen bekannt) ist keine Spur. Da sag ich einfach jeder wie er mag und kann. 

Reifen flicken in Rumänien
Reifen flicken in Rumänien

Last Minute Urlaubsreise-Nachtrag: Auch wenn manche Freunde meinten, sie würden sich nicht trauen mit so alten Motorrädern so eine Strecke zu fahren, haben wir es doch gewagt. Dieses Jahr ging unsere Reise nach Rumänien, das wir als ein Land kennenlernen durften, das modern, traditionell und auch ärmlich ist. Ein Land, das uns landschaftlich in seinen Bann gezogen hat. Aber bevor ich hier ins Schwärmen komme, wie schön die Reise war, sage ich etwas zu meiner alten Dame (obwohl, 14 Jahre ist ja kein Alter). Es geht ja um die Fahrleistung und mit über 220.000 km hat das Motorrad die 6420 km mit Bravur gemeistert. Der einzige Ausfall auf der Tour war einem Zahn von Dracula geschuldet (Plattfuß durch einen Nagel) und davor ist keiner gefeit, der sich auf Reisen begibt. Da ich schon von Motorrädern mit über 300.000 km auf dem Tacho gelesen habe, ist auch für mich das nächste Ziel gesetzt. In diesem Sinne: Allseits gute Fahrt.

Anmerk. d. Red.: Wir freuen uns immer über Erfahrungsberichte unserer Leser und Leserinnen. Motorräder mit über 200.000 km begegnen uns aber eher selten – schreibt uns also auch gerne, wenn ihr weniger Kilometer auf der Uhr habt! Mehr Infos gibt’s per E-Mail unter redaktion@kradblatt.de.