aus Kradblatt-Ausgabe 4/24 von Rolf Paul

Die Unkaputtbaren

Vor einiger Zeit hat das KRADblatt auf seiner Facebook-Seite die Leser dazu aufgerufen, doch mal ihre Motorräder vorzustellen, die mehr als 100.000 km gelaufen haben. 

Für kurze und lange Reisen ideal: Yamaha XJ 900 N
Für kurze und lange Reisen ideal: Yamaha XJ 900 N

Zuerst dachte ich mir „100.000 km? Das ist doch nichts Besonderes …“ Aber dann habe ich mich entschlossen, etwas zu schreiben – weil mein Motorrad nicht gerade an jeder Straßenecke zu sehen ist. Also vielleicht ist es ja doch etwas Besonderes?

Anfang dieses Jahrtausends fuhr ich eine Yamaha XJ 650 von 1982 – von vielen als „die Unkaputtbare“ bezeichnet. Mit der war ich auch bestens zufrieden, aber irgendwann fand ich heraus, dass es auch mal eine „nackte“ 900er XJ gegeben hat. Die verkleidete XJ 900 „F“ wurde in den 1980er und bis Anfang der 1990er Jahre zehntausendfach verkauft. Die nackte XJ 900 „N“, die speziell für Deutschland entwickelt wurde, kam 1985 auf den Markt. Aber fast niemand wollte sie haben – damals waren halt nur verkleidete „Big Bikes“ gefragt. Und so kam es, dass sie schon 1986 nach nur etwa 1.500 Verkäufen wieder vom Markt genommen wurde.

Auf die nächsten 120.000 km
Auf die nächsten 120.000 km

Anfang 2009 machte ich mich auf die Suche. Und wie es der Zufall wollte, wurde nur 15 Kilometer von meinem Wohnort entfernt eine „N“ von 1986 angeboten. Sie war technisch top, hatte aber ein paar Gebrauchsspuren. Wir wurden uns schnell handelseinig und für schlappe 850 Euronen gehörte sie mir.

In den nächsten Wochen brachte ich sie wieder in Form. Viel gab es außer putzen, putzen und putzen eigentlich nicht zu tun. Natürlich habe ich erst mal eine komplette Inspektion gemacht. Die Auspuffanlage tauschte ich gegen eine gut erhaltene Gebrauchte aus, spendierte ihr Koni-Stoßdämpfer, ließ die Sitzbank neu polstern und verbaute Stahlflex-Bremsleitungen. Viele Aluminiumteile wie Gabeltauchrohre, Motordeckel usw. polierte ich auf Hochglanz. Und anstelle der serienmäßigen Blinker im „Backstein-Format“ bekam meine XJ die gleichen runden Blinker wie meine 650er.

Und dann ging’s ans Fahren: Der Motor ist kräftig und durchzugsstark. Auf der riesigen Sitzbank sitzt man auch zu zweit entspannt wie auf einem Sofa. Die 98 PS sind dort, wo Motorradfahren Spaß macht, also auf Landstraßen, mehr als ausreichend. Auch wenn die XJ mit 245 Kilogramm kein Leichtgewicht ist, lässt sie sich sehr handlich und sportlich fahren. Die mit 218 km/h angegebene Höchstgeschwindigkeit sollte man aber nicht unbedingt ausreizen; da pendelt es doch etwas …  Optimal für längere Touren und Urlaubsfahrten ist dagegen der so gut wie wartungsfreie Kardanantrieb.

Apropos Urlaubsfahrten: Mit meiner XJ 900 N habe ich in den letzten 15 Jahren acht Länder bereist: die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, England, die Schweiz, Österreich und Italien. Dabei hat sich gezeigt, dass auch sie die Bezeichnung „die Unkaputtbare“ verdient – toi, toi, toi … Außer regelmäßigem Wechseln der Flüssigkeiten und Filter sowie alle paar Jahre Einstellen der Ventile gab es fast nichts zu tun. 

Inzwischen hat meine Yamaha XJ 900 N fast 120.000 km auf der Uhr. Wie bereits zu Anfang gesagt: Das ist nichts Besonderes. Denn es gibt viele XJ 900, die weit mehr als das Doppelte drauf haben.