Der Thunfisch als Kilometerfresser

aus Kradblatt 6/25 von Florian Sauer

Aprilia Tuono 1000R - mit dem V2 auf Reisen
Aprilia Tuono 1000R – mit dem V2 auf Reisen

Nach drei Jahren Tiger 1050 hatte ich keine Lust mehr auf aufrechtes Sitzen, den Mangel an Vorderradgefühl und nach 45 tkm begann mich der Gummibanddreizylinder der Triumph auch zu langweilen.

Ich wollte ein Nakedbike und eigentlich auch eines mit ABS. Die üblichen Verdächtigen kamen damals 2010 in die Auswahl und ich begab mich zum örtlichen Kawa-Händler, um die Z1000 in Augenschein zu nehmen. Da er auch Aprilia anbot, fuhr ich nach der Z auch die Tuono V2 Probe. Die war damals deutlich günstiger mit den Rabatten. Natürlich hatte ich mich auch über die Gebrechen der schicken Italienerin in Foren informiert. Da gab es wenige. Der Motor der Kawa war ein Gedicht, aber der Rest konnte weder in Verarbeitung und Fahrwerk, auch in der Bremse, mit der Aprilia mithalten.

Unterwegs in Europa
Unterwegs in Europa

Da verzichtete ich auf das ABS, war ja bisher auch ohne gegangen, sparte ein wenig Geld und lachte mir die Italienerin an. Statt des zweiten Kundendienstes nahm ich neun Monate später aufgrund eines unverschämten Angebotes einfach eine neue. Jene, um die es hier geht, ist also von 2011.

Was mir anfangs an der Tuono nicht gefiel war der Motor. Unfahrbar unter 2500 U/min, etwas schlapp bis 6000 U/min, aber dann doch energisch. Ich gewöhnte mich daran und mittlerweile habe ich daran Gefallen. Nach der Probefahrt der Tuono schwankte ich zwischen „Haben will“ und „Wenn halt der Motor nicht wäre“.

Begeistert war ich davon, dass die Tuono genau dahin fuhr, wo ich hin wollte. Bei der Z war das alles etwas zufälliger. Die Aprilia lag wie ein Brett.

Die Sitzposition wurde in vielen Tests bei der Tuono kritisiert. Der Kniewinkel sei zu spitz, zu sportlich. Ich kann das nicht ganz nachvollziehen. Für meine 180 cm war das exakt passend. Sofort fühlte ich mich auf der Kiste daheim. Bei der Kawa hingegen hatte ich nach 5 km bereits einen Krampf im Oberschenkel.

Die Sitzposition ist gar nicht übel. Mittlerweile gab es Tagesetappen von knapp über 700 km und ich kann danach noch ohne Zuhilfenahme eines Krans absteigen. Dass es derart bequem ist, hätte ich nicht erwartet. Da kann sich so mancher Tourer eine Scheibe abschneiden.

100.000 km mit der Italienern - warum nicht?!
100.000 km mit der Italienern – warum nicht?!

Original war die Übersetzung recht lang. Vermutlich um die Fahrgeräuschprüfung zu bestehen. Das wurde zwar bald auf 15/42 (Original 16/40) geändert, kann aber auch damit nicht kaschieren, dass enge Kehren im 2. Gang nicht sauber zu fahren sind. Im Gegensatz zu vielen anderen Moppeds ist der Erste nicht nur eine Anfahrhilfe, sondern kann auch tatsächlich genutzt werden. Dank serienmäßiger „Anti-Hüpf-Kupplung“ (Anti-Hopping) kann man in diesen auch spielend leicht runterschalten, ohne dass einen das Hinterrad beim Auskuppeln überholt. Zwischengas, runterschalten, Kupplung schnalzen lassen. Was bei bisherigen Krädern immer deutliches Missfallen erzeugte, woraus blockierende Hinterräder, verhagelte Linie und ähnliches resultierte, interessiert den „Thunfisch“ gar nicht. Einfach anbremsen, Zwischengas, Gang reinballern, umlegen und dann – verhalten – im Scheitel wieder feuern. Sollte mal das Vorderrad am Kurvenausgang im Gefecht den Bodenkontakt verlieren, dann wird dieses durch einen serienmäßigen Lenkungsdämpfer im Zaum gehalten.

Zugegeben, es ist deutlich stressiger als mit einem drehmomentstarken Mopped, aber es macht auch Spaß. Zumal im Einser auch tatsächlich was passiert. Also: 1. Gang in Kehren. Und hier findet man so eine Anti-Hüpf-Kupplung dann richtig gut.

Ich rüstete meine Tuono mit einem Kettenöler aus, montierte den Famsa Tankrucksack und auf das Sportrack von Hepco&Becker ein Topcase, welches ich noch von der Tiger hatte. So ausgestattet ging es dann oft nach Italien, aber auch Spanien, Portugal und Frankreich standen auf dem Programm.

Unterwegs mit Aprilia - ein Genuss für alle SInne
Unterwegs mit Aprilia – ein Genuss für alle SInne

Defekte gab es natürlich auch. So ist der Öldrucksensor sehr sensibel und die Anzeige erscheint, wenn man den heißen Motor neu startet. Das ließ sich nicht beheben. Der Tacho wurde nach 3.000 km auf Garantie getauscht, weil die Scheibe einen Sprung hatte, ebenso im Laufe der Zeit beide Scheinwerfer aufgrund von Rissen. Mehrfach gab es hintere Radlager und bei hoher Feuchtigkeit (Starkregen) nervte das Display, indem es nach Service schrie. War aber nie was im Fehlerspeicher abgelegt.

Italienisches Design ist zeitlos
Italienisches Design ist zeitlos

Nach rund 50.000 km ließ ich das Fahrwerk von der Firma FRS (Franz Racing Suspension) revidieren und verwendete dazu das Federbein der Aprilia Mille, weil dieses einen Ausgleichsbehälter bietet und auch in der Druckstufe einstellbar ist. Das hätte ich früher machen sollen. Wirklich ein Gedicht und steht dann dem Öhlins einer E3 Tuono V4 Factory, die ich später hatte, in nichts nach.

Etwa 5.000 km später ereilte mich dann 2015 auf Sardinien ein Highsider. Den konnte ich zwar abfangen, aber die darauffolgende Linkskurve erwischte ich nicht mehr. Ich sah mich schon in der Natursteinmauer, schaffte es allerdings irgendwie diese zu verfehlen und folgte dem Kurvenradius im Graben, wo ich jäh von einem Felsbrocken gestoppt wurde. 

Das Resultat war eine Weber B Fraktur bei mir, eine komplett zerstörte Vorderradfelge und ein abgerissener Maskenhalter. Ob der Rahmen was hatte? Die Gabel war jedenfalls gerade, das Mopped fuhr mit neuem Rad freihändig geradeaus und in Kurven merkte ich kein Defizit. Klar war aber auch, dass ich sie so nicht mehr verkaufen konnte und so blieb mir das Mopped, obwohl ich im Anschluss auch erst eine 2016er und später eine 2020er V4 kaufte. Auf der V4 Tuono habe ich inzwischen  auch über 70.000 km Erfahrung.

Bei 65.000 km war dann die hintere Umlenkung des Federbeins verrottet und wurde ersetzt. Kurz darauf zeigte der Tacho bei Ortsdurchfahrten Geschwindigkeiten bis 300 km/h an und ich musste mir das sündhaft teure Tachokabel (120 €) kaufen. Bei 90.000 km hatte ich ein Einsehen und spendierte ihr neue Bremsscheiben von Brembo. Lenkkopflager und Kupplung sind tatsächlich immer noch Erstausrüstung.

Ansonsten gab es Ölwechsel, Ketten (dank Öler halten die rund 40.000 km), Bremsbeläge, mal Zündkerzen und viele Reifen. Als Luftfilter habe ich von Beginn an einen K&N montiert.

Der Thunfisch läuft …
Der Thunfisch läuft …

Irgendwann hatte ich auch Akras verbaut, die mit dem sogenannten Map2 gefahren werden. Da ich aber dann bei Gruppenfahrten nach ganz hinten geschickt wurde, da ich damit eine Geruchsspur von Benzin legte, rüstete ich wieder auf Original um, zumal der Verbrauch mit den originalen Töpfen rund einen Liter niedriger war. In der Regel liegt dieser bei 6,5–7 Ltr./100 km. Höher wird es nur im Kurzstreckenbetrieb oder bei schaltfauler, unmotivierter Fahrweise. Dann tendiert die Diva zum Frustsaufen und haut sich schon mal 8,5 Ltr. weg. Also immer höher drehen und viel schalten, dann stimmt auch der Verbrauch.

Das Ventilspiel wurde bei der ersten Kontrolle bei 20.000 km leicht korrigiert und dann noch weitere 2x kontrolliert, ohne dass etwas gemacht werden musste. Zuletzt bei 77.000 km.

Man darf drei Reifengrößen hinten fahren und der serienmäßige 190/50 erwiesen sich als unhandlich. Zwischen 190/55 und 180/55 konnte ich kaum einen Unterschied feststellen. In beiden Fällen handlich und präzise. Reifen fahre ich in der Regel das, was günstig ist. Auch gerne mit alter DOT, musste aber feststellen, dass die Pirelli Rosso 2 nur 2500 km hielten. Sportsmart MK3 von Dunlop halten das doppelte.

Bei 98.000 km musste der defekte Tacho getauscht werden – ein schönes 100.000 km Foto kann ich also nicht liefern. Der Neue zeigt nur 3.208 km, die alte Dame ist aber tatsächlich sechsstellig.

Im April ging es in die Vogesen, über Pfingsten ins Trentino und obwohl noch eine 2020er Aprilia Tuono V4 mit semiaktivem Öhlins Fahrwerk in meiner Garage steht, fahre ich die V2 gerne. Klar, V4s kann sie nicht folgen, wenn die es ernst meinen, aber von legaler Fahrweise im öffentlichen Straßenverkehr reden wir da schon lange nicht mehr.