aus Kradblatt 3/16
von Pastor Holger Janke
www.bikershelpline.de

Fit in bzw. auf die Kiste

Holger und die ZZur später Stunde kommen meine Frau und ich nach Hause und als wir das Auto in die Garage fahren, wird mein Motorrad, das dort am Ende vor der Mauer steht, beleuchtet. Ich freue mich, sie zu sehen! Mir wird plötzlich klar, dass der Winter im Schwinden ist und bald wieder die gemeinsame Zeit startet. Laut gedacht, sage ich, als ich sie – nur leicht mit einem Flaum von Staub garniert – nackt und unbedeckt betrachte: „Mäuschen! Ich glaube, du brauchst einen kleinen Frühlings-Check!“

Meine Frau hat sich über die Jahre in unserer Ehe daran gewöhnt, dass ich nicht nur sie allein mit einem Kosenamen anspreche, und sagt nichts. Warum Mäuschen Mäuschen ist, weiß ich nicht genau zu erklären. Vielleicht, weil eine 30 Jahre alte 750er für heutige Verhältnisse sehr zierlich wirkt? Vielleicht auch, weil ihre Armaturen in sämtlichen Tests damals als „Mäusekino“ beschrieben wurden. Kosenamen lassen sich so schwer rational erklären! Ob Hasi, Schatz, Schnucki oder Mausi; wer kann das ergründen? Wem das Herz voll ist, dem läuft der Mund halt über.

Fit in die KisteAls der neue Tag beginnt und meine Frau schon am frühen Morgen 45 Minuten Zeitvorsprung heraus­gefahren hat, weil ich zu lange in der Box lag, schleiche ich mich verspätet in die Duschkabine. Sie hat schon die Warmlaufphase hinter sich, ist frisch, motiviert und startklar. Bevor sie ins Rennen geht, schaut sie noch schnell für einen Abschiedsgruß ins Badezimmer und sagt, als sie mich so nackt und unbedeckt betrachtet: „Mäuschen! Ich glaube, du brauchst einen kleinen Frühlings-Check!“

Der Satz geht mir nach! Nach vielen Jahren in einer Partnerschaft weiß ich, solche liebevollen Botschaften zu schätzen. Ich betrachte mich also nach dem Duschen und muss mir ehrlich eingestehen, dass auch an mir die letzten 30 Jahre nicht so ganz spurlos vorüber gegangen sind. So bei Lichte betrachtet, ohne Verkleidung, könnte man auf die Idee kommen, mal einen Service ins Auge fassen zu müssen.

Noch bevor ich ins Tagesrennen starte, rufe ich in der Praxis an, um einen Termin zu vereinbaren. „Sie waren auch schon lange nicht mehr bei mir!“, höre ich die Stimme meines Docs, „Da machen wir wieder, wie vor acht Jahren, eine kleine Hafenrundfahrt und ein großes Blutbild.“ Ich mag humorige Mediziner, die die Dinge so liebevoll umschreiben können. „Kleine Hafenrundfahrt und großes Blutbild“ hören sich so unverfänglich an wie ein umfangreicher Werkstatttest, der umschrieben würde als „kleine Bremsprüfung und große Inspektion“.

Nach überstandenem Testlauf, erfahre ich die Auswertung samt Einschätzung der Plazierungschancen. „Für ihr Alter sieht das alles sehr gut aus!“, resümiert der Doc fast seelsorgerlich. Wie ich diese Formulierung inzwischen hasse, weil ich sie überall nach jedem Test höre: Für ihr Alter! Dass ich kein Neufahrzeug mehr bin, weiß ich, aber muss man denn einen gut gepflegten Youngtimer gleich zum Oldtimer stempeln? Der Arzt erklärt mir, dass ich auf eine gute Ernährung und ausreichend Bewegung achten sollte. „Essen Sie viel Obst und Gemüse! Treiben Sie regelmäßig Sport!“, sind seine Tipps. Zum Abschluss schreibt er mir eine Buchempfehlung auf einen Zettel und verabschiedet sich freundlich: „Dann bis in acht Jahren!“ Dieser Satz in dieser Situation hätte auch von meiner Frau kommen können.

Als ich zu Hause den Zettel lese, steht dort der Buchtitel „Fit in die Kiste“. Ich bin schockiert. Ist das noch Humor? Ich bin sauer, aber meine Frau beruhigt mich.

Ein paar Tage später finde ich ein Buch liebevoll verpackt auf dem Küchentisch. Meine Frau ist schon wieder früher in den Tag gestartet, weil ich – wieder einmal – in der Box festhing, und hat auf einen Zettel geschrieben: „Schrauberhandbuch für einen lieben Menschen“. Ich packe es neugierig aus und lache herzhaft. Meine Frau hat den Buchtitel geändert! Mit einem Edding war das „in“ durchgestrichen und dafür ein „auf“ drübergeschrieben: „Fit auf die Kiste“, lese ich nun – und danach noch das ganze Buch.