aus bma 6/11 – Fahrbericht

von Thomas Franck

Sommer Diesel 462 Modell 2011Wer den aktuellen Motorradmarkt verfolgt, stellt fest, dass klassische Modelle aussterben. Dies hat verschiedene Gründe wie z.B. verschärfte Umweltauflagen, geänderter Zeitgeist, Kostendruck, Rationalisierung in der Produktion usw.

Auch Traditionsmarken wie Royal Enfield bleiben von dieser Entwicklung nicht verschont, das aktuelle Modell gefällt nicht jedem. Dazu kommt, dass Indien kein Billiglohnland mehr ist. Vor 15 Jahren verdiente ein Facharbeiter ca. 40 Mark im Monat, heutiger Verdienst ca. 800 $. Der Preis der Royal Enfield hat sich in dieser Zeit etwa verdoppelt.

Sommer Diesel 462 Modell 2011Bedauerlicherweise geht der ansteigende Kostenfaktor nicht direkt mit der Qualität von Teilen konform, der indische Jamei Faktor ist allgegenwärtig. Außerdem ist die Zuverlässigkeit von Lieferungen sehr schwankend, mitunter kommen nur 30% der bestellten Teile, oft sind dann 5% direkt für die Tonne oder bedürfen aufwändiger Nacharbeit. So ist z.B. ein Schutzblech aus italienischer Produktion bei höherer Qualität zum gleichen Preis wie das indische Pendant erhältlich, ohne wochenlange Kommunikation und mit hoher Verlässlichkeit der Lieferung.

Für Hersteller individueller Motorräder, wie Jochen Sommer, bringt diese Entwicklung natürlich Probleme. Auch Kleinserien wie die Sommer Diesel 462 benötigen einen konstanten Nachschub von Komponenten, die schwankende und teilweise unzureichende Qualität macht das Arbeiten nicht einfacher. Die logische Konsequenz ist eine zunehmende Verlagerung der Produktion nach Deutschland bzw. der Bezug von Zubehörteilen aus anderen Quellen wie Italien. Bei einzelnen Komponenten wie Bremsankerplatten oder Primärtrieb ist Jochen Sommer diesen Weg schon gegangen. Das bedeutet faktisch eine Neukonstruktion, einhergehend mit qualitativer Verbesserung der Teile.

Sommer Diesel 462 Modell 2011Mit dem Wechsel auf das Enfield EFI Modell stellt sich auch die Frage nach der Verfügbarkeit mancher Ersatzteile, daher entschloss sich Jochen, den Rahmen selbst zu produzieren. Die originalen Rahmen weisen eine ziemlich heftige Streuung in den Maßen auf, außerdem zeigte sich, dass Langstreckenfahrer teilweise völlig schmerzfrei hinsichtlich des Überladens sind, was mitunter zu instabilem Fahrverhalten, u.U. auch zum Bruch führte.

Der Sommer-Rahmen besteht aus nahtlos gezogenem ST 35 mit geschlossenen Unterzügen. Das Hauptrohr hat 50 mm Durchmesser der Rest 40, bzw. 25 mm. Die Versteifungen werden natürlich alle verschweißt, besonderen Wert wird auf qualitativ und optisch hochwertige Nähte gelegt. Die Geometrie entspricht prinzipiell dem alten Enfield Rahmen (wobei das ermitteln der Daten schwierig war, denn es gibt wohl keine zwei die identisch sind), nur der Radstand ist 1,5 cm länger. Insgesamt ist die Konstruktion deutlich stabiler als das indische Pendant und bedeutend exakter gefertigt. Die Schwinge bleibt original, die Aufnahme ist sehr verwindungssteif aufgehängt.

Sommer Diesel 462 Modell 2011 ZahnriemenDie Scheibenbremse vorne ist jetzt serienmäßig, die Trommelbremse vorne wird nicht mehr produziert. Die Casquette (Scheinwerfer-/Instrumentenverkleidung) entfällt, die Gabelbrücken stammen von Sommer. Der Tank wird ebenfalls selbst produziert, hat ungefähr den gleichen Inhalt wie der alte (13,5 Liter) und ist gummigelagert, nicht mehr verschraubt. Es gibt nur Einzelsättel, keine Sitzbank. Der Sattel des Fahrers ist in Grenzen einstellbar. Motor und Getriebe bleiben identisch, es gibt das 5-Gang Getriebe (Pre Unit) nicht in ausreichender Stückzahl.

Jochen SommerStärkere Motoren sind momentan nicht geplant. Hatz hat derzeit nichts passendes in der Palette, außerdem widerspräche es Sommers Philosophie vom 2-Liter Nutzkrad. Als Option gibt es Zahnriemen oder Kette wie gehabt, Speichen und Felgen sind jetzt grundsätzlich aus Edelstahl. Radgröße / Bereifung bleibt bei 3.5 bzw 3.25×19 (Heidenau). Was nicht aus Edelstahl oder aus poliertem Alu besteht, ist pulverbeschichtet oder hochwertig lackiert. Das Gewicht beträgt vollgetankt gut 170 kg und damit ca. 20 kg weniger als beim Vorgänger.

Die Sommer wird auch 2011 kein Massenprodukt sondern ein qualitativ hochwertiges Motorrad mit Raum für individuelle Wünsche. Preislich wird sich das Ganze mit 8600 Euro ungefähr im bisherigen Rahmen bewegen. Bestellungen sind ab sofort möglich, zwei sind schon angezahlt, bis zu den Sommerferien geht Jochen von 10 Exemplaren aus, bis zum Jahresende dann noch mal circa 10.

Besitzer des „alten“ Modells müssen auch nicht traurig sein, schließlich besitzen sie ein Motorrad, dass nur gut 300 Mal produziert wurde, so eine Exklusivität hätte mancher Harley-Fahrer gerne.

Mehr Infos gibt es bei Sommer Motorradtechnik, Hauptstraße 85 in 65817 Eppstein. Telefon: 06198/500851, Web: www.motorradmanufaktur.de.