aus bma 01/10

von Text & Fotos: Frank Sachau

Cochems Wahrzeichen: Hoch über der Mosel thront die Reichsburg.Pralle Reben und pure Romantik, graues Gold und brutale Banditen – Eine Motorradtour entlang der viel gewundenen Mosel und auf der Hunsrückhöhenstraße wird zur spannenden Zeitreise in die Vergangenheit.

Vorbei an engen Gassen, urigen Fachwerkhäusern und besten Weinlagen. Vor wenigen Tagen standen wir am Ballon d’Alsace. Der 1.247 m hohe Berg im Süden der Vogesen bot grandiose Fernblicke bis in die Alpen und liegt im Grenzgebiet des Elsass mit Lothringen und dem Hochburgund. Wären da nicht die Erdkrümmung und unsere altersbedingt abnehmende Sehschärfe, hätten wir unser Ziel, das Deutsche Eck in Koblenz, wo die Mosel in den Rhein mündet, schon sehen können. Pockennarbiger Asphalt ließ uns hinunter nach St. Maurice sur Moselle rumpeln, wo die Mosel, la Moselle, sich auf ihren weiten Weg macht. Tagelang streiften wir durch die Vogesen Richtung Norden, um sie schließlich im Dreiländereck Frankreich – Luxemburg – Deutschland wieder zu treffen.

In Perl, wo der Flusslauf erstmalig das Bundesgebiet erreicht, beginnen wir unsere Reise stromabwärts entlang der sehr gut ausgeschilderten Moselweinstraße. Bis Oberbillig, was für ein Ortsname, bilden die träge dahin fließenden Wassermassen die Grenze zum Großherzogtum Luxemburg. Würde jetzt eine fette Kröte die vor uns liegende Straße überqueren, würde sicher einer von uns bremsen und anhalten, dann das Tier vorsichtig auflesen und ihm einen Kuss geben – mit sehr viel Glück stünde dann vielleicht eine Moselweinkönigin vor uns, mit der wir gerne unsere Sitzbänke teilen würden. Was soll’s, der Teer ist breit und eben, die Kurven schön rund und übersichtlich, es bieten sich viele Gelegenheiten, die abwechslungsreiche Landschaft entlang der Obermosel zu genießen.

 

FähreNur hier gedeiht die wohl älteste Weinsorte, der Elbling. Die alten Römer brachten ihn und weitere Reben mit ins Land der Barbaren, wo an den Sonnenhängen des stark gewundenen Flusses, dem Weingott Bacchus sei Dank, ideale Anbaubedingungen herrschten. Zweitausend Jahre hat die Römervilla in Nennig auf dem Buckel, da wirken unsere angegrauten Maschinen geradezu jugendlich. Mehr als ein Dutzend historischer Bauten wurden bisher entdeckt und ausgegraben, manche waren, wie unsere Motorräder, mit fortschrittlicher Technik ausgestattet. Die Saar mündet bei Konz in die Mosel, die Ruwer hinter Trier. Daher kommt auch der Name für eine der wichtigsten Weinregionen Deutschlands: Mosel-Saar-Ruwer. Wir erreichen Trier. Die sehenswerte Stadt gilt als Tor zur Mittelmosel, die die beiden Gebirgszüge Eifel und Hunsrück voneinander trennt. Trier gehört nicht nur zu den ältesten Städten Deutschlands, es kann auch mit dem größten erhaltenen Stadttor des römischen Weltreiches, der Porta Nigra, auftrumpfen. Der Fluss beginnt, einem überdimensionalen Regenwurm gleich, Schleifen zu bilden.

Wir bleiben dran und schwingen mit. Von den Höhenzügen aus können wir nicht nur das geschäftige Treiben auf dem Strom beobachten, sondern auch das friedvolle Miteinander an den steilen Hängen, wo Burgen und Weißweinreben gute Nachbarn sind. Hier ist die Heimat bekannter Sorten wie Riesling, Silvaner und Müller-Thurgau. Welcher Biker hat noch nie etwas von der Zeller Schwarze Katz, dem Piesporter Goldtröpfchen oder dem Kröver Nacktarsch gehört. Im nahen Neumagen-Dhron stoppen wir die Kräder vor dem Weinschiff – dem steinernen Nachbau einer von Sklaven angetriebenen, mit Weinfässern beladenen Römer-Galeere. Weltgeschichte lässt sich mit einer Tasse Kaffee in der Hand viel besser verstehen – die Konditorei gegenüber sieht so einladend aus, dass wir nicht widerstehen können. Unwiderstehlich sieht auch die halb nackte Dame auf dem Bullayer Dorfbrunnen aus – eine Schönheit, die sich gerade aus dem Kleid schält, Namenspatin des süffigen Rebensaftes Bullayer Brautrock. Gut zu Fuß müssen die Winzer sein, die an den bis zu 65 Grad steilen Weinbergen bei Bremm, Calmont und Ediger-Eller arbeiten. Auf dem hiesigen Schiefer wird vor allem Riesling angebaut, einzigartige Weine, die von vielschichtiger Mineralität geprägt sind.

Das Schloss Dhaun an der Burgen- und SchieferstraßeMit den jungen Winzern sind auch andere Zeiten angebrochen – jetzt geht Klasse vor Masse. Die zweithäufigste Rebsorte an der Mosel liefert den Rivaner, eine Kreuzung von Riesling und Silvaner. Das nahe Cochem liegt schon an der Untermosel, über der Stadt erhebt sich das viel besuchte Wahrzeichen, die mächtige Reichsburg. Unter der Brücke hinüber nach Cond ist täglich Bikertreff, an schönen Wochenenden ist der Parkplatz am Rande der mit engen Gassen durchzogenen Altstadt fest in den Händen der Motorradfahrer. Von denen haben wir auch den Tipp bekommen, unsere Reifenflanken am Valwiger Berg zur verstärkten Mitarbeit aufzufordern. Die Kehrenorgie rauf und runter weckt Erinnerungen an Touren über das Stilfser Joch. Wir wechseln wieder hinüber auf das linke Moselufer, dem wir bis kurz vor Koblenz treu bleiben werden. Die Enge im Tal hat das Entstehen größerer Orte verhindert, jedes Dörfchen ist natürlich gewachsen – hübsch herausgeputzte Fachwerkhäuser, lauter Unikate. An manchen machen Hochwassermarken deutlich, wie ganze Straßenzüge unter Wasser liegen, wenn die Mosel über die Ufer tritt. Und ist das Nest noch so klein, Straußwirtschaften findet man wie Sand am Meer: Gemütliche kleine Weinstuben, in denen man nach Herzenslust probieren kann. Hat der Gaumen den richtigen Rebensaft herausgeschmeckt, sorgt der Direktverkauf, sehr zur Freude der Zecher, für moderate Preise.

Am Deutschen Eck in Koblenz vereinigen sich Mosel und Rhein  Die Mosel scheint an Schwung verloren zu haben, ihre Bögen werden weiter. In Koblenz lockt ein Besuch am Deutschen Eck. Dort wurde auch an uns Biker gedacht, ein Motorradparkplatz bietet kostenlose Stellflächen in bester Lage. Anschließend erklimmen wir das Kaiser-Wilhelm-Denkmal. Zusammen mit dem Monarchen, der über uns aus 37 Metern Höhe auf dieses schöne Fleckchen Erde schaut, genießen wir das Panorama, wo nach 550 Kilometern Länge die Mosel Freundschaft mit dem Rhein schließt. Viel weniger Beachtung findet der zwischen den Strömen liegende Hunsrück. Wir machen uns wieder auf die Reifen und steuern auf der B 9 in Richtung Boppard, bis uns die 327 auf gelbem Grund in ihren Bann zieht. Die Hunsrückhöhenstraße hat ihren Weg gemacht – zielstrebig von Koblenz nach Saarburg. 1938 befahl Hermann Göring den Bau als militärische Aufmarschstraße gegen Frankreich. Die Trasse wurde in der Rekordzeit von nur 100 Tagen fertig gestellt. Lange vor der Wehrmacht marschierten römische Legionen durch den südlichsten Teil des Rheinischen Schiefergebirges.

Hoch über KlottenMehrspurig gewinnen wir an Höhe, weite Kurven verwöhnen mit flottem Tempo, dichter Mischwald verhindert noch neugierige Blicke. Nach dem wir den Verkehrsknotenpunkt Emmelshausen passiert haben, wird es merklich ruhiger. Die Häuser in den kleinen Orten sind mit Schiefer, dem grauen Gold des Hunsrücks, verkleidet. In den Flickenteppichen aus Feldern und Wäldern sorgen einsame Gehöfte für etwas Abwechslung. Entspanntes Dahingleiten ist angesagt, bis wir am Ortseingang von Kastellaun die seit etlichen Kilometern unbenutzten Bremsen zur Arbeit auffordern müssen. Eng mit dem Hunsrück verbunden ist die schillernde Person des Schinderhannes: Ende des 18. Jahrhunderts, als französische Truppen das linksrheinische Gebiet besetzt hatten, begann der blutjunge Johannes Bückler, Schinderhannes genannt, seine kriminelle Karriere. Armut und Hunger, Raub und Mord waren an der Tagesordnung. Bückler setzte sich in der Bande brutal durch, stieg bis zum Räuberhauptmann auf, wurde gefangen genommen, konnte aber fliehen. Und weil wir nicht auf der Flucht sind, passieren wir Kappel im gemäßigtem Tempo und bald danach den Regionalflughafen Hahn. Weder ans Fliegen noch an den Bau eines Towers dachte man im 14. Jahrhundert, als die Herren der Burg Baldenau einen Wach- und Beobachtungsturm auf der schmalen Höhe zwischen Hinzerath und Wederath errichten ließen. Der Stumpfe Turm steht noch heute als stummer Zeitzeuge direkt am höchsten Punkt der Hunsrückhöhenstraße im Kreuzungsbereich B50 / B327. In Morbach, nur sechzehn Kilometer vom Mosellauf entfernt, biegen wir links ab und tanzen durch saubere Kurven über den Höhenzug Idarwald nach Bruchweiler und weiter nach Allenbach. Ganz in der Nähe liegt der 816 Meter hohe Erbeskopf, der Gipfel des Hunsrücks.

Mosel-WeinstraßeZu seinen Füßen erblickt der Idarbach das Licht der Welt und gurgelt nach Idar-Oberstein. Wasserkraft treibt dort die Schleifmühlen der historischen Weiherschleife an. Die Anfänge des Edelsteinschleifens gehen zurück auf die reichen Mineralienfunde in der Region und deren Abbau seit dem Mittelalter. Auf dem Kippstuhl liegend hat der Schleifer Achate und Edelsteine geschliffen. Einblicke in die Geschichte der Stadt und Wissenswertes über wertvolle Mineralien erfahren wir im Deutschen Edelsteinmuseum. Nach dem Besuch kommen unsere Maschinen schnell wieder auf Betriebstemperatur, als wir den steilen Asphalt nach Vollmersbach erklimmen. Auf der herrlichen Nebenstrecke über Nieder- und Oberhosenbach cruisen wir gemütlich durchs hügelige Land, bis wir bei Hottenbach auf die Hunsrück Schiefer- und Burgenstraße nach Rhaunen stoßen. Wir bleiben der landschaftlichen Drei-Sterne-Etappe treu und gelangen durch das Hahnenbachtal nach Kirn, dessen Stadtbild von der Ruine der Kyrburg geprägt wird. Für einige Kilometer ist die Nahe unser Begleiter, bis wir in Hochstetten ins malerische Kellenbachtal einbiegen.

Eng und windungsreich ist es hier, was den Spaßfaktor deutlich nach oben treibt. Vor der Töpferei Seifert in Königsau stoppen wir die Motoren. Der sehenswerte Familienbetrieb zeigt das traditionelle Handwerk der Hunsrück-Keramik in seiner vollen Bandbreite – von Kitsch bis Klassik. Wenig später treffen wir bei Büchenbeuren wieder auf die Hunsrück-Höhenstraße, die weiter der Wasserscheide Nahe – Mosel folgt. Wir halten die Höhe, bis wir bei Hermeskeil vor dem Kassenhäuschen der sehenswerten Flugausstellung landen. Auf dem weitläufigen Gelände und in den Ausstellungshallen können wir über 100 Exponate bewundern: Vom ersten Gleiter bis hin zur Concorde wird alles geboten. Weiter im Südwesten, zwischen Osburger und Schwarzwälder Hochwald, nur 20 Kilometer vom Mosellauf entfernt, findet die Hunsrück-Höhenstraße, die Straße der weiten Aussicht, ihr Ende. Das Ende des Schinderhannes und 19 seiner Kumpane sah so aus: Sie wurden gefangen genommen und 1803 auf dem Schafott enthauptet. Seither kann der Hunsrück ohne Angst vor Überfällen bereist werden.

Unterkunft: Hotel “Zur Post”. Ob an der Mosel entlang, durch den Hunsrück oder hinauf in die Eifel, die Post ist der ideale Ausgangspunkt für Touren in die schönsten Motorradregionen Deutschlands. Das familiär geführte Haus glänzt mit einer ausgezeichneten Küche und einem historischen Gewölbekeller. Garage, Routenvorschläge, geführte Touren. Übernachtung / Frühstück im Doppelzimmer ab 38 Euro pro Person. Bettina und Klaus Berens Bahnhofstraße 24 · 56818 Klotten / Mosel, Fon 02671 7116 www.hotelzurpost-klotten.de

Literatur und Karten: Mosel – aus der Reihe „In Deutschland unterwegs“. 10 Motorradtouren durch die Region der Weinberge, Fachwerkdörfer und Römervillen. Sylva Harasim und Martin Schempp, Highlights-Verlag, ISBN 3-933385-19-9, 11 Euro.

Motorrad Powerkarten „Mittel- und Westdeutschland“, Good Vibrations Verlag, 8 laminierte Blätter im Schuber, Maßstab 1 : 250.000, nahezu unkaputtbar, Preis 19,90 Euro. ISBN 393741821-0. Die Karten sind im Buchhandel oder unter www.bike-book-shop.com erhältlich.

Informationen:

Mosellandtouristik GmbH, Kordelweg 1, 54470 Bernkastel-Kues, Fon 06531/97330, www.mosellandtouristik.de
Hunsrück-Touristik GmbH, Gebäude 663, D-55483 Hahn-Flughafen, Fon 06543/507700, www.hunsruecktouristik.de