aus bma 08/06

Text: Winni Scheibe
Fotos: Winni Scheibe, Honda

Mit den sensationellen Sechszylinder-Werksmaschinen holte Honda 1966 und 1967 gleich vier WM-Titel in Reihe. Als das Werk zehn Jahre später die CBX 1000 präsentierte, war die technische Ähnlichkeit mit dem erfolgreichen Rennmotorrad verblüffend.

Mitte der siebziger Jahre war Honda in Zugzwang gekommen. Alle Welt sprach nicht mehr von der CB 750 Four oder gar GL 1000 Gold Wing, die Motorradkundschaft balgte sich um die Kawasaki Z 1000, Suzuki GS 750 und Yamaha XS 750. Im gegenseitigen Leistungs-Wettrüsten mußte der weltgrößte Motorradhersteller unbedingt ein Brikett nachschieben. Die Order an die Entwicklungsabteilung war daher: Baut sofort ein Überbike! Ob das neue Superbike vier oder gar sechs Zylinder bekommen sollte, darüber war man sich zunächst nicht einig. Letztendlich fiel die Entscheidung jedoch für das halbe Dutzend. Chefentwickler wurde Soichiro Irimajiri, jener grandiose Ingenieur, der Mitte der Sechziger die Sechszylinder-Werksrenner konstruiert hatte. 

 Und so darf es auch nicht wundern, daß die technische Verwandtschaft zur erfolgreichen GP-Maschine tatsächlich verblüffend war. Um den 33 Grad nach vorn geneigten Sechszylinder-Motor möglichst schmal zu halten, wurden Lichtmaschine und Zündanlage hinter dem Zylinderblock positioniert. Zwar waren für den Antrieb der beiden obenliegenden Nockenwellen keine Zahnräder, wie im Rennmotor zuständig, dafür sorgte eine stabile Zahnkette für präzise Steuerzeiten der insgesamt 24 Ventile. Kunstvoll hatte man die sechs Unterdruck-Vergaser am Zylinderkopf angeflanscht, die gleiche Mühe gab man sich beim Verlegen der 6-in-2-Auspuffanlage. Für Jedermann gut sichtbar, hängten die Techniker das „Six-Pack” in einen unten offenen Brückenrahmen. Und das mit Absicht. Auf keinem Fall sollte eine Rennverkleidung den Blick auf die technischen Finessen verwehren. Ganz im Gegenteil. Mit großer Sorgfalt hatten Techniker und Stylisten die CBX 1000 so konstruiert, daß der Motor voll zur Geltung kam. Selbst bei der Formgebung des Kraftstofftanks entwickelte man erstaunliche Kreativität. Von der Seite wirkte der Tank zierlich, aber von oben betrachtet war er so breit, daß er den gesamten Zylinderkopf überdeckte. Aber längst nicht genug. Auch beim Motorsound wollte man alles Dagewesene übertreffen. Der Auspuffton sollte dem Geräusch eines Düsenjägers gleichen, und das bekam man tatsächlich so hin. Allerdings nur für den Prototypen. Den Verkaufsmanagern war der Klang zu aggressiv, sie forderten und bekamen einen Sechszylinder-Porsche-Sound.

Mit der CBX war Honda ein weiterer Meilenstein in der Motorradgeschichte gelungen. Das Bike leistete 105 PS, war 274 kg schwer und brachte es auf 225 Stundenkilometer. Die Leser einer Fachzeitung wählten den Überhammer gleich zum „Motorrad des Jahres”, und im ersten Verkaufsjahr 1979 ließen sich rund 1600 Maschinen allein in Deutschland absetzen. Doch den Kuchen mit der „Sechszylinder-Kundschaft” mußte sich Honda mit Kawasaki teilen. Japans kleinster Motorradhersteller hatte auf der IFMA 1978 nämlich die Z1300 vorgestellt. In jeder Hinsicht übertraf der Koloss die CBX. Bei der Z1300 war der Sechszylinder-Reihenmotor sogar wassergekühlt, der Hubraum betrug 1286 ccm, die Leistung lag bei 120 PS, das Big-Bike war 318 kg schwer und lief 220 km/h. Die CBX 1000 gab es für 11.262 DM, wer die Z 1300 wollte, mußte 12.228 DM ausgeben. Teurer im Motorradangebot 1979 waren nur noch die Münch-4 TTS-E für rund 26.000 DM und die 1100er MV Agusta für fast 30.000 DM.

Die beiden japanischen Hersteller hatten die Rechnung aber ohne den Wirt gemacht. Nicht, daß das Kartellamt etwas gegen die hohen Preise gehabt hatte. In diesem Fall waren es fachkundige Sicherheitsexperten, die in Deutschland „schwarz auf weiß” belegen konnten, daß Motorräder, wenn sie mehr als 100 PS Leistung hätten, viel zu gefährlich wären. Auch verdichtete sich das Gerücht, daß die Bundesregierung beabsichtigte, demnächst nur noch Maschinen mit maximal 75 PS zuzulassen. Schöne Aussichten! Damit es aber erst gar nicht so weit kommen konnte, trafen sich ganz schnell Sachverständige, Experten, Politiker, Hersteller und Importeure und vereinbarten ein „Gentlemen’s Agreement”: Das Leistungs-Limit von 100 PS.

Doch zurück zum CBX-Wunderwerk. Der Motor war eine Wucht. Ohne Vibrationen schickte er seine enorme Power seidenweich via Fünfganggetriebe und Kette an den 4,25 V 18 Hinterrad-Reifen. Nichts gab es am Triebwerk auszusetzen. Und dennoch war die CBX nicht das Gelbe vom Ei. So viel Mühe man sich mit dem Motor auch gegeben hatte, das Fahrwerk kam da nicht mit. Eine Telegabel mit nur 35 mm Standrohrdurchmesser, die in Kunststoffbuchsen gelagerte Hinterradschwinge und mäßige Federbeine waren in erster Linie für das Desaster verantwortlich. Besonders beim Topspeed wackelte die „Six” wie ein Lämmerschwanz. Da halfen auch die neuen ComStar-Felgen mit den erstmals verwendeten schlauchlosen Reifen wenig, die man zunächst zum Sündenbock erklärte. Für das Modelljahr 1980 wurde die CBX 1000 überarbeitet. Zu dieser Kur gehören geänderte ComStar-Räder, das „Speichenprofil” zeigte nun nach außen, eine luftunterstützte Telegabel sowie eine nadelgelagerte Schwinge. Optisch unverändert blieb die CBX weiterhin das Flaggschiff im Honda-Programm. 

1981 kam als Weiterentwicklung die CBX 1000 ProLink auf den Markt. Bei dieser Maschine sprach man nun nicht mehr vom Supersportler, sondern vom GT „Gran Turismo” -Modell. Und wie es sich für einen echten 100 PS starken Supertourer gehörte, war die neue CBX mit einer Oberteilverkleidung versehen. Eine stabile Telegabel mit jetzt 39 mm Standrohrdurchmesser und die moderne Pro Link-Hinterradführung mit einem zentral angeordneten Federbein sorgten für angemessene Fahrstabilität. Die Neuauflage war allerdings auch um etliches schwerer, vollgetankt drückte sie 293 kg auf die Waage, und wer unbedingt den Sechszylinder-Brummer wollte, durfte nun dafür 14.165 DM vom Konto holen. Doch die Tage der CBX 1000-Generation waren längst gezählt. Wer eine sportliche Honda haben wollte, holte sich die neue CB 1100 R, die Tourenfahrer entschieden sich für die Gold Wing. Ende 1982 stellte das japanische Werk die Produktion der Sechszylinder ein.

Inzwischen sind etliche Jahre vergangen, die CBX ist längst ein begehrter Klassiker. Und wie es nun mal bei „alten” Motorrädern so ist, stehen die CBX-Modelle aus der ersten Garnitur in der Sammlerliste ganz oben. Wichtig ist nur, sie muß im Originalzustand sein. So wie sie 1978 zu uns kam, mit 105 PS im Brief und dem mangelhaften Fahrwerk.
Heute bezeichnet man so etwas als Charakter, liebt und schätzt es.

Technische Daten Honda CBX 1000, Baujahr 1978
Motor:
Sechszylindermotor, DOHC, vier Ventile pro Zylinder, Bohrung x Hub 64,5 x 53,4 mm, Hubraum 1046 ccm, Verdichtung 9,3:1, Leistung 105 PS bei 9000 U/min., Sechs Keihin-Gleichdruck-Vergaser, Ø 28 mm, Kontaktlose-CDI-Zündanlage, 12 Volt Generator.

Getriebe:
Fünfganggetriebe, Endantrieb über O-Ring-Kette.

Fahrwerk:
Rückgratrahmen, Motor dient als mittragendes Teil, Telegabel Ø 35 mm, Hinterradschwinge mit zwei Federbeinen, vorne Doppelscheibenbremse, Ø 272 mm, hinten Scheibenbremse, Ø 300 mm, vorne und hinten ComStar-Räder, schlauchlose Reifen, vorne 3.50 V 18 und hinten 4.25 V 18.

Abmessungen und Werte:
Radstand 1495 mm
Gewicht 274 kg
Tankinhalt 24 Liter,
Höchstgeschwindigkeit 225 km/h
Preis 1978: 10.160 DM