aus Kradblatt 7/17
Text: Wolfgang Roßbach, Fotos: Wolfgang & Uta Roßbach, Kradblatt
Zuerst erschienen auf www.motorrad-blogbuch.com

#FHR60 – wir waren live dabei

Pfingsten, es ist wieder soweit. Wie seit vielen Jahren ist das FHR für uns ein fester Termin. Es ist aber auch einfach zu geil – Du stehst ab 8 Uhr morgens an der Strecke und lässt Moppeds der unterschiedlichsten Klassen bis 18 Uhr an Dir vorbeiorgeln. Ohne Pause. Zwei Tage lang. Es riecht nach Benzin. Lecker!

Nachdem wir Zeltplatz, Hotel, Privatunterkünfte in und um Bremerhaven ausprobiert haben, geht es diesmal mit unserem Bulli los. Ohne Plan wollen wir so nah wie möglich an der Rennstrecke campen. Naiv, oder? Diesmal wird diese Blauäugigkeit belohnt. Wir reisen am Samstagnachmittag an und finden einen superschönen Platz direkt am Hafen und parken unseren VW Bus neben Schiffen und zwischen anderen Campern. Die Sonne scheint. Romantik pur.

Wir bummeln zur 5 Minuten entfernten Rennstrecke, um einige Bekannte und Fahrer zu begrüßen, die wir über die Jahre kennengelernt haben. Irgendwie ist immer alles gleich in Bremerhaven, aber halt toll „gleich“, bis auf eine wichtige Änderung, auf die ich später noch zu sprechen komme.

Es herrscht hektische Betriebsamkeit, denn das Rennen findet ja auf einer öffentlichen Straße statt, die über Nacht zu einer Rennstrecke umgebaut wird. LKWs mit Strohballen, Gabelstapler, wuselige Menschen – es soll noch regnen und der Kurs muss morgen früh fertig sein. Wir wandern zum Bulli, kochen ein paar Nudeln auf dem Gaskocher und genießen das Hafenambiente.

Tag 1 – Training und Qualifikation

Der erste Tag beim FHR ist der Tag des Trainings und der Quali. Es ist noch nicht richtig voll, aber die Fahrer ziehen schon volle Lotte am Gas. Egal, ob Oldies aus den 60er Jahren, Sidecars oder fette Superbikes, hier ist wirklich alles dabei. 11 unterschiedliche Klassen gehen in Bremerhaven an den Start.

Die Fahrer sind in der Regel keine Profis, wenn auch ziemlich rennerfahren. Man glaubt es immer gar nicht, was für Gestalten unter den Helmen stecken. Das FHR zeigt, dass man nicht jung sein muss, um 1a sportliche Leistungen zu zeigen. Graue Haare soweit das Auge reicht. In den sehr sportlichen Klassen sinkt jedoch meistens das Alter. Viele IDM, IRRC, Isle of Man und Macau Grand Prix Akteure, wie z.B. Didier Grams sind hier am Start. Die meisten der älteren Maschinen sind in liebevoller Kleinarbeit selbst zusammen geschraubt. Woher ich das weiß? Die Fahrerlager (für die 400 Teilnehmer) sind Tag und Nacht geöffnet. Hier kann man bummeln, staunen und mit den Fahrern sprechen. Die freuen sich eigentlich über jede Ablenkung.

Eine Händlermeile, mit den neuesten Motorrad Modellen und viele Wurst-, Kaffee-, Kuchenstände (ach nee, das sind ja heutzutage Foodtrucks) etc. sorgen für Volksfestcharakter. Abends spielt eine Band im Festzelt – topaktuelle Hits von UFO bis Michael Jackson stehen auf dem Programm.

Vom Fahrerlager, wo wir unsere „Classic Superbike Freunde“ besucht haben, lädt uns Kenny Hinck in seinen Transporter, um uns über die Rennstrecke zum Festzelt zu fahren. Es regnet nämlich. Das FHR ist eine Familienveranstaltung. Die Familie Hinck stellt das Ganze seit Jahren auf die Beine und kümmert sich um alles, räumt Steine aus dem Weg und sorgt für eine unvergleichbare Veranstaltung. Danke dafür! Zum Beispiel der eben angesprochene Kenny, ein „Isle of Man“ erfahrener Rennfahrer und Sohn des Veranstalters Hinni Hinck, wollte dieses Jahr selbst am Rennen teilnehmen, musste aber absagen, weil zu viel Kleinkram zu erledigen war. So ist das eben und wir spüren, was für ein gewaltiger Aufwand hinter der ganzen Angelegenheit steckt.

Tag 2 – Raceday

Am Tag der Rennen ist alles besonders kribbelig. Wir sind ja schon ziemlich erfahren und wissen, welche Fahrer am Start sind und wo wir einen guten Platz für die ersten Stunden finden. Wir fiebern schon richtig mit.

Hier kommt jetzt die Einschränkung (und meine persönliche Einschätzung): Das Rennen und alles Drumherum konnte über die Jahre von der Familie Hink in Eigenregie durchgeführt werden. Die Sicherheit von Fahrern und Zuschauern wurde mit professioneller Hilfe sichergestellt. Vor einigen Jahren verunglückte nun leider ein junger Mann tödlich. Das kann im Rennsport passieren. Wissen wir alle. Traurig ist es trotzdem, zumal sich dieses gruselige Ereignis letztes Jahr wiederholte. Ein Startunfall, bei dem sich zwei Fahrer verhakten. Einer überlebte die Kollision nicht. Tragisch. Resultat hieraus ist, dass sich der DMSB (Deutsche Motorsportbund) in das Rennen einmischt, die Rennstrecke abnimmt.

Jeder Teilnehmer weiß, dass das Rennen extrem gefährlich ist und baut sich eine zehn prozentige Sicherheitszone ein, schließlich prallt niemand gerne mit 100 km/h in eine Mauer. Die Zuschauer sind durch Strohballen und Gitterzäune geschützt. Können auf Wunsch auch ganz risikolose Plätze einnehmen.

Dieses Jahr ist nun alles anders. Der DMSB hat scheinbar dafür gesorgt, dass die Zuschauer 5 Meter Abstand zum Kurs halten müssen. Weiterhin sind z.B. auf der Start-Zielgeraden massenweise Betonblöcke mit riesigen Fangzäunen aufgebaut. Man sieht wirklich weniger. Ich könnte kotzen!

Damit wird dem Zuschauer einmal mehr ein einmaliges Erlebnis genommen. Ich fühle mich als Fußgänger, Radfahrer und Motorradfahrer auf jeder öffentlichen Straße unsicherer, als beim FHR. Für meinen Geschmack ist das blinder Aktionismus. Der Platz an der Strecke ist jetzt wesentlich enger geworden, viele schöne Streckenabschnitte wurden für Zuschauer gesperrt oder verengt, das legendäre Abklatschen der Fahrer ist nicht mehr möglich, es sei denn man hat fünf Meter lange Arme. Das der ganze Spaß etliche 10.000 Euro kostet muss ich hier wohl nicht extra erwähnen. Zahlt das der DMSB? Ich glaube nicht …

Das ist natürlich meine persönliche Meinung, Empfindung. Ich habe auch mit keinem DMSB Verantwortlichen gesprochen, aber ich glaube auch der könnte mich nicht davon überzeugen, dass diese Änderungen wirklich sein mussten. Nicht, dass wir uns falsch verstehen, Verbesserungen in puncto Sicherheit finde ich gut und wichtig (z.B. Airfences (Luftkissen) für Fahrer oder Sicherheitszonen für Zuschauer im Startbereich), aber es muss halt in einem gesunden Verhältnis zum Risiko stehen. Aus diesen Gründen strich die Familie Hinck ja schon die 600er Klasse (Yamaha R6 u.ä.) sowie die Supermotos aus dem Rennen. Zu gefährlich, zu verrückt, aber von uns mit einem weinenden Auge hingenommen.  Die Änderungen des DMSB bedeuten extrem starke Qualitätseinbußen für die Zuschauer. Ein höherer Eintrittspreis, da der Veranstalter diese Mehrkosten nicht alleine tragen kann, und für die Zukunft eigentlich auch der Zwang, diverse Tribünen aufzubauen, da viele Plätze fehlen und die Sicht oft eingeschränkt ist.

An den Renntagen haben wir es geliebt, uns frei zu bewegen und eigentlich an der ganzen Strecke einen Platz zu finden, um die Rennen aus der ersten oder zweiten Reihe beobachten zu können, verschiedene Perspektiven einzunehmen. Das ist jetzt vorbei. Weggegangen Platz vergangen. Ätsch. Und dann siehste nix mehr.  Ich hoffe, dass es da für die nächsten Jahre ein Lösung gibt.

Nicht falsch verstehen, das Ganze ist immer noch sehr sehenswert und ein tolles Erlebnis. Die Atmosphäre ist und bleibt unvergleichlich. Ich empfehle euch dringend den Termin für das nächste Jahr freizuhalten.

Die Rennen selbst waren unheimlich spannend und es erstaunt mich immer wieder, was mit einem Mopped möglich ist. Wir sind selbst mal den Kurs abgefahren und seitdem weiß ich die Leistung der Fahrer noch höher einzuschätzen. Hier kommen Mut und Können zusammen.

Die Streckensprecher Ulf Staschl und Egon Müller (Speedway-Weltmeister vergangener Jahre), verstehen es, eine tolle, mitunter skurrile Atmosphäre zu zaubern. Besucht man das Rennen häufiger fühlt man sich, spätestens wenn man die beiden aus den Lautsprechern hört, zu Hause.

10 Stunden Rennen nehmen ihren Lauf. Pausenlos. Die Sonne scheint, es gibt wenig Unfälle und somit wenig Rennabbrüche. Das ist richtig toll! In den meisten Klassen setzen sich die Favoriten durch und heimsen die von „Werner“ Brösels Bruder Andi Feldmann gebauten Pokale ein.

Um 18:30 Uhr drehen aller Fahrer gemeinsam noch eine Runde, ohne Helm um den Kurs und feiern gemeinsam mit den Zuschauern das beste Motorsport­event Deutschlands.

Wir sind völlig kaputt und fahren einmal mehr zufrieden und glücklich nach Hause.

 

Mehr Infos: Alles zur Veranstaltung: www.fischereihafen-rennen.de
Eintritt: Renntag € 25,00 /  Beide Tage € 35,00
Anreise für Samstag einplanen (wenn Zelten oder Caravaning geplant)
Hotel schon sehr lange vorher buchen!

Mehr Fotos vom Rennen:  www.facebook.com/motorradblogbuch
Videos gibt es auf Youtube.com