aus Kradblatt 03/17
von Phil Mühlberger, www.garagenhomepage.de

Yamaha YZF-R3 – Nicht nur für Einsteiger …

Wie viel Motorleistung soll der Motorrad-Hobbyist sich gönnen? Die Frage öffnet ein bodenloses Fass an leidenschaftlicher Diskussion. Zählt sowieso nur Fahrtechnik? Was ist mit dem Fahrzeuggewicht? Bringt Leistung Sicherheit, beispielsweise beim Überholen? Warum fährt ein 125er Race Youngster u.U. bessere Rundenzeiten als ein Hobbyfahrer mit Tausender? Ist die Frage sinnlos, weil aktuelle Motorradmotoren ohnehin Leistung und beste Fahrbarkeit bieten? Oder übt man sich besser in Bescheidenheit? Kann man sich ein starkes Sportmotorrad samt womöglich auftretender Schäden langfristig überhaupt leisten?

Der Kauf meiner Yamaha YZF-R3 war nicht nur eine Geldfrage, aber dennoch ernte ich als Besitzer des offenen Lappens mit bald 20 Jahren Motorradfreude unter anderen Fahrern zuweilen Unverständnis wegen dieses kleinen A2-Motorrades. Die Geschichte dazu folgt hier.

Neulich beim Zurückblättern im eigenen Social Media Feed wurde mir bewusst, dass ich die R3 bereits bei ihrer Neuvorstellung im Jahr 2014 bemerkenswert gefunden hatte. Vielleicht ist es der Underdog Appeal, der Leistungsmangel, wenn du dich in der Salzburgring Gegengeraden oder im Bergaufstück in Brno einparkst und so die Feder vorspannst für die Kurvensektionen; oder die unverhohlene Bewunderung für gute Fahrer, die sowieso außen oder innen vorbeiziehen, ohne dass die Motorleistung eine Rolle zu spielen scheint. Lieber auf einer 320er als auf einer 1000er abgeledert werden.

Der Stein war allerdings erst im Frühjahr 2016 ins Rollen gekommen, nach zwei Tagen Leihfahrt mit einer Duke 390. Zierliches schmales Chassis, wenig Masse, bissiger Motor: genau mein Ding. Sieben Jahre mit meiner Yamaha WR250R Supermoto hatten diese Erkenntnis nicht in dem Maß wiederzubeleben vermocht. Mangelte es der WR dafür an motorischem Biss?

Die Fahrspaß-Injektion durch die Leih-390er hatte Folgen: Das R3 Thema erschien wieder am Monitor, zumal mich die Duke technisch nicht 100 % überzeugen konnte. Nun war allerdings die R3 kein Traum-Motorrad auf den ersten Blick. Genau wie bei der Duke fiel aber sofort die schmale Bauweise und Bereifung sowie ihr subjektiv geringes Gewicht auf. Beim Rangieren im Laden käme man nicht auf vollgetankte 170 kg. Wenn du dieses grazile Motorrad zum ersten Mal betrachtest, denkst du unwillkürlich: „Das könnte ganz witzig sein mit 42 PS.“. Und obschon es kein Bonsai Motorrad ist, so ginge es doch fast als 125er durch, stünde nicht „R3“ drauf.
Pech für großgewachsene Fahrer.

 

 

Die schmale Kunststoffverkleidung mit der attraktiven Front und dem zierlichen Heck wirkt robust, hochwertig und passgenau. Da lässt Yamaha nichts anbrennen. Über die unelegante Form der Tankverkleidung lässt sich streiten. Rahmen und Schwinge sind aus Stahl. Immerhin werden aufwendige Formteile statt billiger Kastenprofile verbaut. Eine Federbeinumlenkung gibt es nicht, was unter der Schwinge Platz für den Hauptschalldämpfer schafft. Der billige Kettenspannmechanismus hinten an der Schwinge stört. Dafür gibt es Gewinde für Ständerrollen. Heck- und Hauptrahmen sind verschweißt. Danke, dass nicht auch die Beifahrerfußrasten angeschweißt sind. Trist wirkt der strukturlose schwarze Sitzbankbezug. Gabel sowie Bremsanlage sind Funktionskomponenten ohne visuellen oder technischen Appeal. Die komfortabel hohen „gusseisernen“ Lenkerstummel wollen unbedingt durch leichte Alu-Clipons ersetzt werden, was sowohl Leichtbau als auch Optik zugute käme.

Gemessen am Preis ist die R3 ein attraktives Motorrad. Yamaha weiß, wie man hübsche Budget Bikes baut. Nicht alle Hersteller können das. Im direkten Vergleich zwischen YZF-R3 und YZF-R125 fällt auf, dass letztere vom visuellen Eindruck her mehr Eye-Candy abgekriegt hat. Ob aber die goldene USD Gabel der 125er technisch das hält, was sie optisch verspricht, weiß ich nicht.

10.000 km Serviceintervall, 5.000 km Ölwechselintervall, 40.000 km Ventilspielkontrollintervall wie schon bei meiner pro­blemfreien WR250R: keine weiteren Fragen. Auch das kann Yamaha. Wenn ein kleiner Drehzahlmotor hält, dann dieser unauffällige schwarze Zweizylinder-Reihenmotor, der locker in der schmalen Vollverkleidung Platz findet. Meine Hauptsorge ist damit abgehakt. Potenzielle Probleme behebt Yamaha präventiv mit Rückrufen, auch noch nach Jahren. Bei der R3 gab es eine wichtige Aktion an Ölpumpe und Kupplungsdruckplattenlager. Ggfs. beim Gebrauchtkauf checken! Man hat eine ausgereifte problemlose Elektrik mit stets einwandfrei funktionierender Digitalanzeige, selbstverständlich ABS, sowie die moderne Bauweise des Schalldämpfersystems: Hauptschalldämpfer mit Kat im Kiel, kurzer Stummel-Endschalldämpfer hinten raus.

Es gab noch ein Kaufargument für mich: Zahlreiche Möglichkeiten für bezahlbare Plug & Play Modifikationen, die der Gewichtsverringerung und dem gefälligen Äußeren dienen können, ohne dass man an die Fahrzeugsubstanz gehen müsste. Spart Nerven, Geld und erhält den Wiederverkaufswert.

Trotz allem bedurfte es mehrerer Besichtigungen, um mich mit der R3 vollständig anzufreunden, was ungeschickt war, denn ein anderer Kunde kaufte mir die einzige lagernde R3 meines Yamaha Händlers vor der Nase weg. Um die Lieferbarkeit sah es schlecht aus.

Glück braucht der Mensch, und so fand sich beim anderen Händler in meiner Nähe doch noch ein Lagerfahrzeug. Hier fiel endlich der Groschen. Es war ein Vorjahresmodell mit dem hübscheren 2015er Dekor. Der Händler machte diskussionslos einen guten Preis. „Zufällig“ hatte ich gerade mein Motorrad verkauft. Da muss man einschlagen. Bei der Abholung bestieg ich das neue nie zuvor (probe-)gefahrene Motorrad und fuhr los, als wäre es immer so gewesen. Leicht, modern, userfreundlich.

Den Biss des 390er Einzylinders kriegst du bei der R3 allerdings nicht. Da sind wir wieder beim Funktionalmotorrad. Du musst dir die 40 PS explizit abholen, da wo oben beim Drehzahlmesser manchmal das helle Blinklicht ist. Der Vortrieb springt einem nicht so frech ins Gesicht wie der kleine Duke Kettenhund. Es ist disziplinierender, schulmäßiger. Verlierst du den Schwung, zurück auf Start. Zunehmend öfter sucht man den fahrerischen Reiz jenseits der 10.000 rpm, was im Falle dieses kleinen Motors stets im Rahmen der guten Sitten bleibt.

Das ist – verglichen mit modernen Motorradmotoren – eine etwas altmodische Art zu fahren, die man mögen muss. Dabei ist der Motor der R3 technisch aktuell konstruiert. Meine wechselhafte Kleinstraßenfahrweise liefert einen Verbrauchsschnitt von etwa 4 l/100 km. Nutzt man alle Beschleunigungsmöglichkeiten unserer kleinen Landstraßen zum Ausdrehen, so werden es wohl eher 5 l/100 km im Schnitt.

Beeindruckend ist die Elastizität und Drehfreudigkeit des 320 ccm Zweizylinders, die – abgesehen von dessen Motorgeräusch – in fast schon unangenehmer Art an Vierzylindermotoren erinnert. Man kennt ja diese alte Geschichte, wenn Leute begeistert erzählen: „Damit fährst du alles im sechsten Gang“. Solchen Fahrern empfehle ich gerne Hondas geniales DCT. Aber in der Tat: Nimmst du dir Zeit, so kannst du mit der R3 auch im 6. Gang sinnvoll überholen. Der Motor macht das. Soll es schnell gehen, dann besser durchschalten.

Zwei Abstimmungs-Unarten stören mich: Der Heißstart gelingt nur fast immer auf Anhieb, und bei sehr hoher Drehzahl kann dosierendes Variieren am Gasgriff zu unerwarteten Rucklern bei der Gasannahme führen. Beides kenne ich bereits von Yamaha.

In Bezug auf mögliches Nervpotenzial ist die R3 erträglich. Zwar fällt das dumpf dröhnende Ansauggeräusch nach dem Starten auf. Obenraus hat man aber selbst mit dem Akrapovič Slipon einen sozialverträglich surrenden Motorklang, der einen auch bei spaßiger Fahrweise nicht ständig dazu gemahnt, aus Rücksicht vom Gas zu gehen. Vibrationen (natürlich ohne die serienmäßigen Lenkergewichte!) sind spürbar, aber für mich nicht kritisch. Die Form der Fahrerfußrasten bietet selbst bei Plastiksohlen guten Halt. Die äußeren Segmente können dabei unangenehm in die Sohle drücken. Fahrwerk und Bremsen tun was sie sollen und erfüllen meine Erwartungen im Rahmen des Budgets. Super, dass ABS an Bord ist.
Forcierte Fahrweise kann zu Ungereimtheiten bei Fahrwerk oder Reifen führen. Schwierig zu analysieren, aber nicht problematisch. Bodenwellen, Schräglage, Vollgas in Kombination lassen u.U. den eigenartigen Eindruck von Elastizität am Heck aufkommen. Yamaha/Öhlins bieten ärgerlicherweise keine TÜV Papiere für deren R3-Federbein und Gabelkartusche aus dem Original-Zubehör an. Alternativ hätte auch Bitubo was passendes.

Einige Reifenalternativen zum 140er Michelin Pilot Street gibt es, darunter auch der freigegebene 150er Pilot Power 2Ct, wenngleich ein 150er Reifen auf der schmalen 4˝ Felge eine übermäßig runde Reifenkontur erhält. Das Gripverhalten des Serienreifens hinterlässt zuweilen Fragezeichen: Meistens gutmütig, manchmal unerwartet schmierig, also nicht immer nachvollziehbar. Als reiner Straßenreifen wäre der Pilot Street ohnehin keine Option für Rennstreckenfahrten oder ambitioniertes Fahren bei großer Hitze.

Denn natürlich wird die YZF-R3 von vielen Fahrern auf Rennstrecken genutzt. Es soll sogar eine WorldSSP 300 Serienklasse geschaffen werden. Und bedenkt man, dass die KTM RC390 Cupracer für den reinen Renneinsatz aus Haltbarkeitsgründen auf 38 PS gedrosselt werden (Quelle: http://www.adac-motor
sport.de/adac-junior-cup/de/reglement/static/), dann steht die brave R3 mit serienmäßigen standfesten 42 PS aus ihren 320 ccm gut da.

Ein Wolf im Schafspelz wird trotzdem nicht draus, wohl aber ein schicker Backroad-Racer, wenn man das möchte. Zwar würde mich eine „Edel-R3“ mit Alurahmen und -schwinge, sowie hochwertigen Fahrwerkskomponenten à la 2017er R6 ungemein reizen, aber preislich bist du dann sofort jenseitig unterwegs. Trotz begrenzten Budgets lassen sich Änderungen vornehmen, welche visuell und gewichtsmäßig etwas bringen. Ein paar wenige Kilo kriegt man schnell runter. Meine Liste sieht momentan so aus: Alphatechnik-Kennzeichenhalter, Puig Hebelsatz, Akrapovič Slipon, MRA Scheibe rauchgrau, Originalzubehör Sitzabdeckung und Entfernen der Beifahrerfußrasten, Endtopfhalter R&G Racing, Lenkerstopfen statt -gewichte, Bordnetzsteckdose fürs Navi, Haltekugel für Naviarm, LSL Griffe, sowie runde schwarze LSL Footpegs.

Langfristige, teils teure Optionen wären: Bremsarmatur Magura HC1, Lenker­stummel, Sitzbezug, Federbein, Gabelkartusche, und das eine oder andere kleine Carbonteil statt Stahl.

Effektiv habe ich mit der R3 einen leistbaren, problemlosen, alltagstauglichen und authentischen Kleinstraßenracer sowie ein hübsches Plug & Play Schrauberobjekt. Dass ich die WR Supermoto bisher nicht sehr vermisse, spricht für die R3.