aus Kradblatt 4/19, von Michael Praschak, www.asphalt-süchtig.de

Nachwuchstalente …

Yamaha YZF-R3 und YZF-R125, Modell 2019 

Jeder fängt mal klein an. Das gilt auch für Motorradfahrer. Für die meisten beginnt das Abenteuer Zweirad im Teenageralter auf einer Fuffziger oder einer 125er. Ältere Semester haben ihre Karriere vielleicht sogar noch auf einem Mofa begonnen. Dennoch werden Einsteigermotorräder von älteren, nicht zwangsläufig erfahrenen Motorradfahrern in der Regel belächelt. Das liegt zum einen an Design und Größe, die der normalerweise sehr jungen Zielgruppe gerecht werden sollen. Zum anderen liegt das natürlich an der eher überschaubaren bis nicht vorhandenen Leistung. Wer ein Motorrad mit 150 PS oder mehr sein Eigen nennt und auf das volle Paket der elektronischen Helferlein setzt, schaut fast zwangsläufig auf A2-Moppeds herab. Für 125er-Piloten heben vielen nicht einmal die Hand zum Gruß. Dass die Nachwuchs-Motorräder aber nicht unbedingt unerwachsen aussehen müssen und auch immensen Spaß bereiten können, bewies Yamaha eindrucksvoll bei der Präsentation der neuen YZF-R125 und der neuen YZF-R3.

Yamaha YZF-R125 Modell 2019Die Gründe, mit dem Motorradfahren anzufangen, haben sich seit meiner Teenagerzeit vor knapp 20 Jahren kaum verändert. Entweder man wohnt auf dem Land, ist schlecht an den öffentlichen Nahverkehr angebunden und somit förmlich dazu gezwungen, will man nicht in der ländlichen Abgeschiedenheit versauern. Oder man hat bereits einen Zweiradverrückten in der Familie, der einen ebenfalls infiziert. Beides zusammen geht natürlich auch. In der Regel kommt dann schnell noch ein sportliches Idol hinzu. In meinem Fall war es damals der junge Valentino Rossi. Auch daran hat sich erstaunlicherweise nichts geändert. Rossi ist zwar inzwischen auch lange dem Teenager-Alter entwachsen, an seiner Strahlkraft und Wirkung auf junge Motorradfahrer hat sich aber nichts geändert. Im Gegenteil. 

So wundert es nicht, dass die Designs der für 2019 neu aufgelegten Yamaha Einsteigersportler R125 und R3, nun auch von Rossis legendärer M1 inspiriert wurden. Wie das Top-Modell R1 kommen nun auch die beiden Einsteiger mit dem M1-typischen Lufteinlass an der Front, den Öffnungen am Tank sowie der Gabelbrücke im Grand Prix Style. Yamaha setzt damit optisch konsequent die supersportliche Philosophie auch bei den kleinen R-Modellen fort. Besonders bei der 125er hat sich aber vor allem unter dem Plastikkleid viel getan.

Yamaha YZF-R125, Modell 2019 Die R125 gehört bereits seit dem Jahr 2008 zur Yamaha Produktpalette und zählt seither, vor allem in Deutschland, zu den wichtigsten Modellen der Japaner. Zum Modelljahr 2019 erhielt die 125er eine Komplettkur und wurde in allen Bereichen grundlegend überarbeitet. Ziel war es zum einen, die Kleine optisch sportlicher und erwachsener wirken zu lassen. Aber auch die Alltagstauglichkeit sollte verbessert werden. Zur Erinnerung: mit Sechzehn fährt man Motorrad in der Regel nicht nur zum Spaß, sondern vor allem, um von A nach B zu kommen. Um die R125 nicht nur optisch sportlicher zu machen, sondern ihr auch ein präziseres und besseres Fahrverhalten zu verpassen, entwarfen die Ingenieure bei Yamaha einen neuen Deltabox-Stahlrahmen sowie eine steifere Schwinge. Damit die jungen Piloten auch das nötige Gefühl fürs Motorrad aufbauen können, spendierten die Japaner der R125 eine schicke Upside-Down-Gabel mit 41 Millimeter Durchmesser, erhöhten das Sitzpolster und öffneten den Winkel der Lenkerenden. Das Ergebnis ist eine Vorderrad-orientierte Ergonomie, die schon bei der ersten Sitzprobe klar macht, wie ernst Yamaha das Thema Sport auch in der kleinsten Klasse nimmt.

Die wichtigsten Änderungen hat es aber rund um den Motor gegeben. Bedingt durch die Vorgaben der A1-Klasse ist die Leistung bei den 125er zwar auf 15 Ponys beschränkt, neben der Top-End-Power sind aber das Ansprechverhalten und vor allem der Durchzug für einen Motor charaktergebend. Und hier haben die Ingenieure angesetzt. Um die Beatmung des Einzylinders zu verbessern, wurde die Airbox von 2,9 auf 5,5 Liter vergrößert, die Drosselklappe wuchs von 28 auf 30 Millimeter an und auch die Ventilsitze sind nun einen Millimeter größer. Das eigentliche Highlight ist aber die variable Ventilsteuerung, die bei 7.400 Umdrehungen von einem Niederhub- auf einen Hochhubnocken wechselt und so über das gesamte Drehzahlband einen fülligen Drehmomentverlauf erreichen soll. In Summe verspricht Yamaha sanfteres Ansprechverhalten, bessere Beschleunigung und mehr Top Speed.

Yamaha YZF-R3 Modell 2019 Auch für die R3 verspricht Yamaha eine höhere Endgeschwindigkeit, die Änderungen am 2019er Modell fallen aber nicht ganz so umfangreich aus, wie die an der 125er. Auf den ersten Blick wirkt der A2-Sportler aber wie ein neues Motorrad. 

Zeigt das Gesicht der R125 schon deutlich die Verwandtschaft zu den großen Geschwistern der R-Familie auf, könnte man die R3 bei einem flüchtigen Blick fast für den eineiigen Zwilling der R6 halten. 

Wie alle R-Modelle trägt jetzt auch die R3 den zentralen Lufteinlass sowie die inzwischen typischen LED-Doppelscheinwerfer. Die neue Front soll der 2015 erstmals vorgestellten R3 aber nicht nur einen frischen Auftritt verleihen. Die Verkleidung wurde aufwendig im Windkanal entwickelt und die Aerodynamik der neuen R3 ist laut Yamaha deutlich verbessert, so dass die kleine Sportlerin nun an der 190 km/h-Grenze kratzt. 

Aber auch hinter der Kanzel wurde die R3 sportlicher. Die neue Gabelbrücke könnte direkt aus Rossis M1 stammen und das Display erinnert jetzt stark an das der aktuellen R1. Allerdings muss man hier ein paar Abstriche machen. Während der R1-Pilot auf ein farbiges TFT-Display schaut, muss man als Nachwuchs-Rossi bei der R3 mit einem LCD-Element vorliebnehmen. Da die R3 außer einem ABS keine elektronischen Helferlein trägt, ist das Dashboard natürlich auch funktionsseitig eher überschaubar ausgestattet. Als Extras gibt es eine Ganganzeige und einen Schaltblitz. Das war’s.

Etwas edler wird es eine Etage tiefer. Wer aufs Display schaut, dem entgeht – goldenen Standrohren sei Dank – mit Sicherheit auch nicht die neue Gabel. Die R3 kommt jetzt nämlich mit einer
Upside-Down-Gabel, die mit ihren 37 Millimetern Durchmesser nicht nur sportlicher aussieht, sondern auch steifer sein soll und über eine sportlichere Federrate und Dämpfung verfügt. Selbstverständlich ließen die Mannen von Yamaha auch das Federbein nicht außen vor. Hier kommt jetzt eine härtere Feder zum Einsatz und Vorspannung sowie Dämpfung sind nun sportlicher ausgelegt. 

Abgerundet wird das Gesamtpaket durch eine leichte Anpassung der Ergonomie. Saß man auf der alten R3 eher aufrecht, sind die Lenkerenden nun gut zwei Zentimeter niedriger angeschlagen und um zwei Grad weiter nach außen gedreht, was die Sitzposition etwas Vorderrad-orientierter macht.

Cockpit Yamaha YZF-R3 Modell 2019 Ein echter Supersportler wird die R3 dadurch aber nicht. Dafür platziert sie den Piloten mit ihrer Sitzhöhe von lediglich 780 Millimeter doch zu sehr im, als auf dem Motorrad. Was sich der reine Jung-Racer sicher noch sportlicher gewünscht hätte, freut den A2-Einsteiger. Denn die neue Sitzposition schafft den Spagat zwischen fahraktiv und pendlertauglich. Die Kombination aus überarbeitetem Fahrwerk und geändertem Sitzdreieck sorgt zwar für mehr Gefühl fürs Vorderrad, gleichzeitig ist die Sitzposition aber so ausgelegt, dass auch bei langsamer Fahrt kaum Gewicht auf den Handgelenken lastet. So stellte sich während der Präsentation selbst im morgendlichen Stadtverkehr von Valencia schnell eine entspannte Vertrautheit ein und schon nach wenigen hundert Metern wuselte die R3-Reisegruppe wie die Einheimischen zwischen den Autos hindurch.

Unterstützt wird das Ganze durch die leichtgängige Kupplung und den quirligen Motor. Der Reihenzweizylinder geht zwar unverändert in die Saison 2019 und reißt mit seinen 42 PS gewiss keine Bäume aus. Dafür generieren die 321 Kubikzentimeter die Leistung ohne störende Vibrationen und die Ponys verhalten sich überaus agil. Bereits ab unter 4.000 Touren ist brauchbarer Vortrieb vorhanden und erreicht man die 8.000er Marke, kommt richtig Leben in die Bude. Dabei überrascht der Zwilling mit erfrischender Drehfreude und Leistungsabgabe bis zum roten Bereich. 

Lässt man den urbanen Raum hinter sich und steuert winklige Nebensträßchen an, wird die R3 zum echten Freudenspender. Hier fällt die überschaubare Motorleistung nicht ins Gewicht und der A2-Renner kann seine Stärken voll ausspielen. 

Dank der neuen Ergonomie hat man nicht nur ein gutes Gefühl fürs Vorderrad, sondern zirkelt die 169 Kilogramm der R3 einfach und zielgenau durch die Radien. 

Yamaha YZF-R3 Modell 2019 auf der Landstraße Hält man dabei die Drehzahl konsequent über 8.000 Umdrehungen, gelingt auch der kurze Zwischensprint zur nächsten Kurve. Grundsätzlich ist aber „Laufenlassen“ das Zauberwort auf der R3. Wie bei leichten, aber leistungsarmen Motorrädern üblich, kommt es auf einen flüssigen Fahrstil, die richtige Blickführung und eine saubere Linienwahl an, will man im Winkelwerk zügig vorankommen. Heftiges Ankern gilt es tunlichst zu vermeiden. Bremsmanöver auf der letzten Rille sind aber sowieso nicht die Paradedisziplin der R3. Die Kombination aus Zwei-Kolben-Schwimmsattel und 298 mm Scheibe macht zwar einen guten Job, etwas mehr Biss und vor allem ein einstellbarer Hebel wären hier aber wünschenswert. 

Wird es richtig sportlich, fordert das Sport-und-Stadt-Konzept der R3 dann aber doch Tribut. Um die supersportlichen Eigenschaften der neuen R-Modelle unter Beweis zu stellen, hatte Yamaha auch einige Turns auf dem
Circuit de la Ribera, in der Nähe von Valencia, mit ins Präsentationsprogramm aufgenommen. Während das überarbeitete KYB-Fahrwerk der R3 nach der Landstraße auch hier noch eine gute Figur machte und auch die Standard-Straßenbereifung (Dunlop GPR 300) Nehmerqualitäten zeigte, setzen hier dann doch die entspannte Sitzposition und vor allem die tiefsitzenden Rasten die Grenzen. Auch bei sehr sportlicher Fußhaltung setzen die Stiefel früh auf und deuten so das Ende der Schräglagenfreiheit an.

Erstaunlicherweise zeigt sich hier die kleine R125 deutlich sportlicher. Bereits im Stadtverkehr und auf den ersten Landstraßen-Kilometern deutete sich an, welch supersportlich-ausgewogenes Gesamtpaket Yamaha da mit der R125 auf die Räder gestellt hat. 

Yamaha YZF-R1250 Modell 2019 „Supersportlich-ausgewogen“ – eigentlich ein Widerspruch in sich. Aber die Einstiegs-R beweist, dass es doch geht. Die Ergonomie ist mit den etwas höheren Rasten, den niedrigeren Lenkerenden und der Sitzhöhe von 825 Millimetern zwar deutlich sportlicher als die der R3, aber immer noch Berufsverkehr-tauglich. Das liegt unter anderem am perfekten Knieschluss des neu designten, elf Liter fassenden Tank im M1-Look.

Und auch die leichtgängige Kupplung, die nun sogar mit einer Anti-Hopping-Funktion glänzt, und der gut ansprechende Motor tragen zum Wohlbefinden des Fahrers bei. 

Wie zu erwarten, will der 15 PS-Einzylinder ordentlich gedreht werden. Ist das Mopped aber erst mal in Bewegung und die Balkenanzeige des LCD-Displays weist 4.000 Umdrehungen oder mehr auf, zeigt sich das Motörchen überaus drehfreudig und vor allem dynamisch. Die maximal 12,4 Newtonmeter Drehmoment stehen zwar erst bei 9.000 Umdrehungen an, dank des Variable Valve Actuation Systems (VVA), der neuen, variablen Ventilsteuerung an der R125, fühlt sich der kleinste Spross der R-Familie für eine 125er aber auch bei niedrigen Drehzahlen überraschend kräftig an. Doch nicht nur das. Auch der Sprint zur Höchstgeschwindigkeit von knapp 130 km/h geht erstaunlich schnell vonstatten. Bei den extrem unterhaltsamen Windschatten-Schlachten innerhalb der Testergruppe auf dem Weg zur Rennstrecke erreichte der Autor (90 kg fahrfertig) auf der R125 (141 kg vollgetankt) sogar kurzzeitig 135 Kilometer pro Stunde.

Yamaha YZF-R125, Modell 2019, Heckansicht Richtig spaßig wurde es mit der R125 dann aber auf der Rennstrecke. Wie mit der R3 konnten auch mit der R125 einige Turns auf dem nur 2,2 Kilometer langen, aber mit 19 Kurven sehr anspruchsvollen Circuit de la Ribera gefahren werden. Und hier konnten sowohl die R125, aber auch die Fahrer zeigen, was wirklich in ihnen steckt. Bei nur 15 PS kommt es auf der kleinen R nämlich noch mehr auf perfekte Fahrweise an, als auf der R3. Fährt man hauptsächlich schwere und leistungsstarke Superbikes, ist der Umstieg auf eine 125er eine absolute Herausforderung. Hier kann man die falsche Linienwahl oder einen schlecht gesetzten Bremspunkt nicht einfach mit Leistung oder beherztem Ankern kompensieren. Jeder noch so kleine Fahrfehler wird umgehend und hart bestraft.

Cockpit Yamaha YZF-R125 Modell 2019 Umso befriedigender ist es, wenn man die perfekte Linie trifft. Nur so sind mit einer 125er schnelle Runden möglich. Die Baby-R unterstützt den Fahrer dabei mit der sportlichen Sitzposition und dem überraschend straffen, aber nicht unkomfortablen Fahrwerk. Die recht tiefen und breiten Lenkerenden bringen den Fahrer in eine Vorderrad-orientierte Sitzposition, die KYB-USD-Gabel sorgt für die nötige Transparenz. 

Hat man seinen Fahrstil erst einmal von eckig auf rund umgestellt und versucht, den Einsatz der radial verschraubten Bremssättel der R125 auf ein Minimum zu reduzieren, gibt es auf der kleinen R nichts, was den Fahrspaß trübt. Zumindest so lange die Aufmerksamkeit nicht nachlässt. Will man die R125 zügig bewegen, bedarf es immer absoluter Konzentration. Bleibt man aber voll bei der Sache ist die Lernkurve steil und der Fahrspaß enorm. Viel besser kann man das richtige Motorradfahren wohl kaum lernen.

Yamaha YZF-R125 Modell 2019 in weiß-neongelb Egal, ob A1 oder A2 Führerschein – mit der komplett überarbeiteten R125 und der deutlich aufgewerteten R3 schiebt Yamaha 2019 zwei schicke Sportler für Einsteiger und Nachwuchstalente an den Start. Beide Motorräder folgen nun nicht nur optisch, sondern auch in Sachen Ergonomie und Abstimmung der sportlichen Philosophie der R-Modell-Familie. Während die Änderungen an der R3 mit dem neuen Design und der nur leicht angepassten Ergonomie eher sachte ausgefallen sind und die A2-Sportlerin mit ihrer niedrigen Sitzhöhe und dem unkapriziösen Zweizylinder sehr zugänglich ist, richteten die Japaner die R125 noch konsequenter auf Sport aus. Mit dem nun drehmomentstärkeren Motor, der sehr aktiven Sitzposition sowie dem strafferen Fahrwerk und der Anti-Hopping-Kupplung ist die R125 eine echte Supersportlerin geworden, die erstaunlicherweise alles andere als unkomfortabel geraten ist. Da Yamaha die Modelle mit 4.995 Euro für die YZF-R125, respektive 5.895 Euro für die YZF-R3 auch noch attraktiv bepreist hat, steht wohl außer Frage, welche Einsteiger-Motorräder bei der aktuellen Generation jungen Rossi-Fans ganz oben auf der Liste der Traummotorräder stehen.