aus Kradblatt 1/19, von Torsten Thimm

Yamaha Tracer 900 / Tracer 900 GT – Das Multitool

Yamaha Tracer 900 / Tracer 900 GT, Modell 2018

Hin und wieder umschleicht uns ja alle einmal das Gefühl, eine Situation schon erlebt zu haben. Dieses Déjà-vu genannte Phänomen verunsichert einen im ersten Moment erst ein wenig, bis das Gehirn uns dann sagt, es ist alles ok. Genau so erging es mir, als ich auf der neuen Yamaha Tracer 900 Platz nahm und die Erinnerung an das erste Modell von 2015 meine Hirnwindungen durchschoss. So ähnlich wie Eleanor (ein Shelby Mustang GT 500) im Film „Nur noch 60 Sekunden“ Nicolas Cage den Kopf verdrehte, tat das bei mir diese Yamaha damals, denn alles passte auf Anhieb wie ein Maßanzug. Da kaufen ohne das nötige Kleingeld allerdings keine Option darstellte und stehlen aufgrund der Gesetzeslage nicht in Frage kam, stieg ich damals tief bewegt wieder ab, verzichtete auf die Probefahrt und zog zum Erstaunen des Händlers wehmütig von dannen. 

Cockpit Yamaha Tracer 900, Modell 2018 Bis jetzt, denn Yamaha lud mich zur Präsentation der Tracer 900 ein. Wir treffen uns an einem Donnerstagmorgen am Stadtrand von Granada, die Luft, die uns um die Nasen weht, ist kühl für Spanien und für die Jahreszeit. Doch was soll’s, fernöstlicher Triplesound durchströmt die Luft und macht neugierig auf den nun folgenden Testtag. 

30.000 Mal wurde die Tracer seit ihrer Markteinführung verkauft und ist damit einer der Topseller im Programm. Ich schreite die geparkte Reihe ab, finde das mir zugeteilte Bike und beginne die Testrunde auf dem neuen Standardmodell. Das gibt es in zwei neuen Farbvarianten zu kaufen Nimbus Grey und Tech Black und es baut auf den Stärken des Vorgängers auf, so die Verantwortlichen von Yamaha. 

Cockpit Yamaha Tracer 900 GT, Modell 2018 Schnell wird klar, dass der neue und ergonomisch anders geformte Fahrersitz dem Sitzkomfort gutgetan hat. Er ist noch immer in zwei Stufen höhenverstellbar und bietet mit 865 mm bzw. 850 mm genügend Spielraum für diverse Fahrergrößen. 

Parallel dazu hat Yamaha die Soziusfußrasten um 3 cm nach unten verlegt und nach hinten gleich noch 2 cm mehr Platz für den Beifahrer geschaffen. 

Der Lenker wurde um 1,6 cm schmaler, was aber keinerlei negative Auswirkungen auf das Handling der Maschine hat. Ganz im Gegenteil, für nicht so große Fahrer wie mich ist er subjektiv sogar ein Stückchen besser. 

Heck - Yamaha Tracer 900 / Tracer 900 GT, Modell 2018 Das andalusische Umland mit seinen sanften Hügeln und schneebedeckten Bergspitzen der Sierra Nevada zieht an uns vorbei und mit ihm auch die ersten Eindrücke des neu abgestimmten Fahrwerks. Maßgebliche Bauteile dafür sind das straffere Federbein, sowie die komplett neu entwickelte und sechs Zentimeter längere Aluschwinge. Ja, richtig gelesen: sechs Zentimeter! Diese Kombination verbessert die Fahreigenschaft der Maschine vehement und sorgt für Stabilität und Ruhe im Gebälk. Das von einigen Besitzern bemängelte Aufschaukeln bei hoher Beladung oder beim Fahren mit Sozia im oberen Geschwindigkeitsbereich ist damit endgültig Geschichte. Die Einbuße in Sachen Agilität hingegen leicht verschmerzbar. 

Front - Yamaha Tracer 900 GT, Modell 2018 Das alles wird durch den fulminanten Sound des Triples bei jedem Gasstoß untermalt. Der hängt stets sauber am Gas, egal in welchem der drei Fahrmodi (A für Action), (STD für Standard) und (B für Brav) er bewegt wird. So macht touren Spaß und zufrieden erreichen wir das Ziel der ersten Etappe.

Nach dem Mittag ist Motorradwechsel angesagt. Und so lande ich auf der eigentlichen Eleanor des Tages, um den Bezug zur Einleitung der Geschichte noch einmal aufzugreifen. Denn während die Tracer ihren Job bereits sehr gut macht, kann es die neue Tracer GT, einfach noch ein bisschen besser. Yamaha selbst bezeichnet sie als das Motorrad, welches dem „Sport Touring-Fahrer das ultimative Paket zu einem vernünftigen Preis bietet“ und bereits auf den ersten Metern wird klar, dass das keine hohle Phrase ist. 

Yamaha Tracer 900 / Tracer 900 GT, Modell 2018 Im Detail bedeutet es, dass sie außer der neuen harmonischeren Verkleidungsteile und der kleineren Handguards an der Frontpartie, ebenfalls mit dem etwas breiteren und nun mit einer Hand verstellbaren Windschild ausgestattet ist. Außerdem kommt sie mit 22 Liter Hartschalenkoffern, einem übersichtlich gestalteten TFT Farbdisplay, einem Tempomat und 3-stufig beheizbaren Heizgriffen daher. Die goldene 41 mm Kayaba USD-Gabel lässt sich voll einstellen und der Remote-Einsteller für die Federvorspannung am Heck lässt keinen Zweifel daran, welches Modell hier vor einem steht. Der Quick-Shifter rundet das Paket vorerst einmal ab. Doch hat man, wie üblich bei der MT-Familie, mit reichlich hauseigenem Zubehör und sogar einer Bekleidungslinie dafür gesorgt, dass der individuelle Spielraum nach oben offenbleibt. 

Emotional bleibe ich jedenfalls schon seit dem ersten Moment an dieser blauen (Phantom Blue) Tracer GT hängen, die ich durch die betörend schöne Landschaft und die diversen Kurvenradien zurück in Richtung Granada pilotieren darf. Weitere Farben der GT sind ebenfalls Nimbus Grey und das Midnight Black genannte Schwarz.   

Bei der Performance laufen beide Modelle parallel mit dem bekannten Cross-Plane-Triple mit 847 ccm. Beide verfügen über die neue Anti-Hopping-Kupplung, sowie dem identischen Elektronikpaket mit dreistufiger Traktionskontrolle und den oben schon erwähnten D-MODE-Kennfeldern A, STD und B. Auch was den steifen und leichten Rahmen aus Aluminiumdruckguss, den 18-Liter fassenden Kraftstofftank, Hauptständer und ABS angeht, sind beide Modelle identisch. Den wirklichen Unterschied macht das Fahrwerk, das aufgrund der Einstellmöglichkeiten bei der GT einfach noch eine Spur feiner anspricht, dem Fahrer einen größeren Spielraum bietet und sie so für mich zum Top-Triple-Tourer am Markt macht. 

Fazit: Sieht man einmal von Kleinigkeiten wie dem nicht einstellbaren Kupplungshebel, dem fehlenden Schutzgitter am Kühler und dem zu kurzen Ausleger am Seitenständer ab, ist es Yamaha ohne Zweifel gelungen ein tolles Motorrad noch zu verbessern. Ob mit der Standard Tracer für 10.595 Euro oder der GT Variante für 12.195 Euro, in beiden Fällen bekommt man eins der umfangreichst ausgestatteten Motorräder in dieser Klasse für sein Geld. 

Interessiert? Probefahrten gibt’s bei den Yamaha-Vertragshändlern.