aus bma 03/03

von Berthold Reinken

Fazer 2002 und 1998Yamahas 600er Fazer gehört zweifellos zu den beliebtesten Motorrädern in Deutschland. Im Jahr 2002 belegte sie in der Zulassungsstatistik der Neumaschinen den sechsten Platz. Fünf Jahre ist sie nun auf dem Markt und seit gut einem Jahr ist die neue optisch und technisch überarbeitete Version zu haben, so dass bereits die ersten Maschinen des gelifteten Modells auf dem Gebrauchtmarkt auftauchen. Diese sind natürlich noch recht teuer. Mindestens 5500 Euro muß für ein 2002er Modell der FZS 600 hingeblättert werden. Eine nagelneue steht zur Zeit mit 7130 Euro in der Liste.
Wer nun unbedingt eine Fazer haben möchte und noch weniger Geld ausgeben will oder kann, dem bleibt nur der Griff zur Vorversion. Nachgeschmissen bekommt man auch die älteren Modelle nicht gerade, aber wer es nicht eilig hat und intensiv sucht, kann schon ab ca. 3500 Euro eine gute Gebrauchte finden. Bleibt die Frage, wo die Nachteile des Vormodells liegen und wie gravierend diese sind. Wir haben die beiden über einen längeren Zeitraum einmal genauer unter die Lupe genommen.

 

Obwohl die alte Fazer optisch durchaus gefällt, wirkt sie im direkten Vergleich zur neuen etwas altbacken. Das liegt einzig und allein an der neuen, von der 1000er Fazer abgeleiteten Verkleidung, die deutlich moderner und windschnittiger aussieht. Auffallend sind ferner die weiter auslegenden Spiegelträger und die größeren Scheinwerfer. Dieses sind, um es vorwegzunehmen, auch die gravierensten Vorteile der neuesten Fazer. In den Spiegeln sieht man die Verfolger deutlich besser und wer viel in dunkler Nacht unterwegs ist, dem geht beim Umstieg von der alten FZS auf die neue im wahrsten Sinne des Wortes ein Licht auf. Das liegt auch daran, daß beim 2002er Modell beide Scheinwerfer beim Abblendlicht leuchten. Da es der Sicherheit dient, können wir hier aber ohne schlechtes Gewissen den Fahrern der alten Fazer einen Tip geben: Der nächstgelegene freundliche Yamaha-Händler sorgt bestimmt gerne dafür, daß beide Scheinwerfer leuchten.
Fazer-BremsenDie Auspuffanlage ist seit dem aktuellen Modell komplett aus Edelstahl. In unseren Ohren hat die alte FZS einen satteren Klang, obwohl der einzige Unterschied nach Händleraussage darin bestehen soll, daß die alte Krümmeranlage nicht aus Edelstahl gefertigt wurde. Am Motor selbst kann es nicht liegen. Dieser wurde seit Erscheinen der Fazer 1998 nicht verändert und leistet 95 PS bei 11.500 U/min. Das maximale Drehmoment des super quirlig drehenden Motors liegt nach wie vor mit 61 Nm bei 9500 U/min. Die Motoren unserer beiden Testmaschinen hatten übrigens beide bei ca. 6000 Umdrehungen leichte Vibrationen.
Erfreulich an der neuen Fazer ist der von 20 auf 22 Liter vergrößerte Tankinhalt. Damit erhöht sich die Reichweite im normalen Fahrbetrieb auf deutlich über 400 Kilometer.
Eine feine Sache ist auch der zweite Tageskilomterzähler sowie die jetzt serienmäßige digitale Borduhr. Im ganzen geriet das neue Cockpit außerdem deutlich gefälliger als das der Vormodelle.
Besonders groß gewachsene Fahrer freuen sich über die schlanker gewordene Taille der Fazer 2002. Der Knieschluss passt besser. Bierbauchträger sitzen ebenfalls bequemer, weil der neue Tank im Sitzbankbereich flacher geworden ist. Da lässt sich schon mehr Plautze unterbringen. Da wir gerade beim Thema Sitzen sind: Besonders das Möbel unserer 98er FZS war das reinste Marterwerkzeug. Nach zwei bis drei Stunden Fahrt schmerzte das Hinterteil. Noch längere Etappen waren für manchen Fahrer total unerträglich, so daß wir bald eine Bank von BD-Deutschland (Tel.02161/12787) montierten. Diese wertet nicht nur die Optik deutlich auf, sondern ist auch auf längeren Strecken bequemer.
Beifahrer haben auf den Fazer-Modellen wenig Freude. Die hinteren Fußrasten sind so hoch angebracht, daß nur Kinder oder Liliputaner eine längere Reise auf der Hinterbank durchstehen.
Im WeserberglandSchon die serienmäßige Verkleidung der ersten FZS 600 verspricht optisch einen besseren Windschutz als die des neuesten Modells. An der 98er haben wir zusätzlich noch eine Tourenscheibe montiert. Bei unseren direkten Vergleichsfahrten war der gefühlte Unterschied aber nicht so gravierend. Erst bei Geschwindigkeiten jenseits von 150 km/h wünscht man sich bei der Neuen eine Tourenscheibe. Ansonsten bleiben beim Fazer fahren keine Wünsche unerfüllt. Die Sitzposition taugt zum sportlichen Fahren genauso wie für die gemütliche Tour.
Ein Quell der Freude ist immer wieder die vordere Doppelscheibenbremse, die gut zupackt, hervorragend dosierbar und andererseits nicht zu giftig ist. Die spielerische Handlichkeit, mit der sich die 210 bzw. 214 Kilogramm leichte FZS 600 durch engste Kurvennester bewegen lässt, ist wohl nur noch von einem Damenfahrrad zu schlagen.
Auf unseren direkten Vergleichsfahrten der alten und neuen Fazer fiel auf, daß die neue den Eindruck erweckte, zu leicht ins Eck fallen zu wollen. Das Einlenkverhalten schien deutlich kippeliger und besonders in langgezogenen Kurven vermittelte das alte Modell ein deutlich satteres Fahrgefühl. Da die Fahrwerke praktisch identisch sind und beide Maschinen mit Bridgestone BT 57 ausgerüstet waren, blieb nur eine Erklärung: Die Gabel der 98er Yamaha war mit Wirth-Federn ausgerüstet. Dieser Unterschied fällt allerdings nur beim direkten Umstieg von der einen auf die andere Maschine auf, ist auf den ersten Kilometern aber sehr deutlich spürbar.
Wer sich für ein 98er oder 99er Modell der Fazer entscheidet sollte wissen, daß diese noch einen nur 18 Liter fassenden Benzintank haben. Ferner ist die Gabel nicht einstellbar und eine Warnblinkanlage ist ebenfalls nicht an Bord. Diese Verbesserungen wurden erst mit dem Modell 2000 eingeführt. Da die Fazer aber sparsam mit dem Sprit umgeht, ist das zu vernachlässigen und eine Warnblinkanlage kann man durch Zubehörlieferanten nachrüsten. Eine verstellbare Gabelvorspannung haben wir an unserem 98er Modell durch die schon erwähnten Wirth-Federn ersetzt, die dafür sorgen, daß die Gabel auch bei heftigen Bremsmanövern nicht auf Block geht.
Im Geschwindigkeitsbereich zwischen 60 und 80 km/h leidet besonders die 98er FZS unter starkem Shimmy-Effekt. Dieses Lenkerschlackern merkt der Fahrer nicht, wenn er beide Hände am Lenker hat. Aber bereits bei einhändigem Fahren ist dieser Effekt spürbar. Weder durch Wechsel auf andere Reifen, den Einsatz der Wirth-Federn oder Veränderung des Reifendrucks ließ sich dieses Phänomen beseitigen. Auch beim neuen Modell tritt dieses Schlackern, allerdings in deutlich schwächerer Form, auf.
Viel läßt sich an der aktuellen Fazer nicht mehr verbessern. Am wichtigsten wäre eine vernünftig gepolsterte Sitzbank. Der Kupplungshebel sollte noch verstellbar sein. Besonders, weil die Fazer nicht nur wegen ihrer niedrigen Sitzhöhe bei Frauen sehr beliebt ist und diese nun mal bauartbedingt oft ziemlich kleine Hände haben. Ich persönlich wünsche mir noch geringere Lastwechselreaktionen. Das war’s aber auch schon. Ansonsten kann man der Firma Yamaha nur empfehlen: Never change a winning Team. Und daß auch die älteste Fazer 600 auf jeden Fall auch heute noch ein guter Kauf ist, daran gibt es nicht den geringsten Zweifel.