aus bma 2/12 – Reisebericht

von Frank Siepmann

Enfield im WinterDer Tag ist gut gewählt. Kaum Wolken am Himmel, die Luft klar und die 350er–Bullet scheint ein paar PS mehr am Hinterrad zu haben. Wie beflügelt donnert sie von Stans am Vierwaldstätter See in Richtung Sarnen. Die Straße ist schneefrei und meine Stimmung ist bestens. Eigentlich war für Samstagabend nur ein kleines Fest bei Freunden in der Innerschweiz geplant gewesen aber irgendwie kribbelte es mal wieder in den Motorradstiefeln und nach dem Studium der Wettervorhersage entschied ich mich für die Fahrt mit dem Motorrad. Die Wiesen und Bäume sind mit frischem Schnee bedeckt und fast noch unberührt. In den schattigen Passagen des Brüningpass (1008 m) ist dann das erste Mal Vor­sicht angesagt. Stücke der Straße sind noch leicht mit Schnee und Eis bedeckt und trotz geringer Motorleistung meiner indischen Gefährtin, darf ich nicht zu fest am Gasgriff ziehen, auf die Montage spezieller Eisreifen habe ich nämlich verzichtet. So tuckern wir gemütlich, ganz dem Charakter der Enfield entsprechend, langsam in Richtung Brienzer See.

Ein leichter Nebelschleier liegt über dem See und verhindert die Sicht auf das wunderschöne Schwarzhorn. Auch versucht die feuchte, nebelige Luft Einzug in meine Kleidung zu erhalten und so suche ich mit meinem Motorrad die Flucht in die Höhe. Interlaken lassen wir schnell hinter uns und nehmen mit viel Schwung die ersten Serpentinen, die uns nach Sigriswil in die Sonne hoch führen.

Ein kleines Restaurant, in der Sonne und mit toller Weitsicht auf die umliegenden Berge, bietet sich zu einer Pause an. Ein heißer Ingwer Tee, ganz in der indischen Tradition meines Motorrades und einer guten Schweizer Suppe wärmen meine kalten Knochen wieder auf. Während die Kinder am Hügel nebenan mit dem Rodel um die Wette fahren, schmeißen die Väter mir und meinem exotischen Krad einige neugierige Blicke zu.

Enfield im WinterDie Weiterfahrt durch das durch seinen Käse weltbekannt gewordene Emmental, führt mich durch ein idyllisches, beschauliches, wie von Zuckerguss überzogenes Hügelland. Ein ums andere Mal fällt mein Blick auf die wunderschönen verzierten Bauernhäuser und die großen alten Gasthäuser, die alle irgendwie „Krone“ oder „Löwen“ heißen.

Trotz dieser reizvollen Gasthöfe treibe ich den Einzylinder voran. Auf der kurvigen und steilen Straße zum Schallenberg (1167 m) muss ein ums andere Mal der erste Gang herhalten um die Enfield im Schwung zu halten. Kaum haben wir die Passhöhe erreicht, geht es auch schon wieder Berg runter über die Emme. Im Hauptort des Emmentals, in Langnau lege ich noch einmal einen kurzen Stopp ein. Hier ist das Zentrum der Käsevermarktung und ich lasse mir das natürlich nicht entgehen. Die Ortliebpacktaschen werden vollgestopft mit Käse.

Enfield im WinterFür die Weiterfahrt benutze ich überwiegend Höhenstraßen, die mir bei kalter, klarer Luft ein ums andere Mal traumhafte Aussichtspunkte mit Weitsicht ins Jura, die Ostschweiz und auf die hohen Berge der Berner Alpen bieten. So werden mir auch noch einmal die Vorteile einer Wintertour klar. Man fährt ruhiger, genießt mehr die Landschaft und ist entspannter, insbesondere wenn man mit so einem temperamentvollen 17 PS Einzylinder unterwegs ist. Meine Entspanntheit weicht schnell hektischer „Schrauberkunst“ als die Bullet plötzlich anfängt zu knallen und zu stottern. Ich befürchte das Schlimmste aber es ist nur der Benzintank der fast leer ist. Die Reservemenge im Tank der Enfield ist zwar knapp bemessen, aber die zehn Kilometer reichen mir und meinem Motorrad um die nächste Tankstelle zu erreichen. Schrauben mit kalten Fingern im Winter, das wäre nun wirklich kein Spaß gewesen!

Derweil, mit gefülltem Tank, verlasse ich das Emmental und kehre zurück in den Kanton Luzern. Durch das von Tourismus kaum entdeckte Entlebuch, biege ich bei Schüpfheim ins Mariental. Am Waldrand stehende Tierskulpturen aus Holz laden mich zu einem Halt ein. Bei einem Stück Käse und Tee aus der Thermoskanne, beobachte ich, wie sich das Licht in den Schneekristallen hunderttausend Mal bricht und reflektiert. Es ist, als wenn die Welt von Millionen vom Himmel gefallenen Zaubersternchen bedeckt ist und irgendwann im Frühling verschwindet diese Schönheit einfach wieder ohne Spuren zu hinterlassen.

Enfield im WinterBevor ich den Touristenort Sörenberg erreiche, überkommt mich meine Abenteuerlust. Ich biege auf eine schneebedeckte, kurvige Nebenstraße, die zu dem drei Kilometer entfernt liegenden Restaurant Salwideli führt. Irgendwo im vorbeifahren sehe ich noch ein Schild mit Schneeketten darauf, aber das gilt bestimmt nicht für eine Himalaja erprobte Enfield. Der Schnee ist zum Glück stumpf und etwas Streu auf dem Weg gibt meinen Reifen doch soviel Grip, dass ich es tatsächlich bis zum Restaurant schaffe. Ein Blick auf eine von Menschenspuren unberührte Berglandschaft entschädigt für den Angstschweiß unter dem Schu-berthhelm.

Gestärkt mit einem guten Essen trete ich die Heimfahrt an. Bergab zeigen die ansonsten fast wirkungslosen Hinterrad Trommelbremsen ihre wirklichen Qualitäten. Nicht sonderlich griffig und leicht dosierbar, lässt sich ein Blockieren der Räder bei der Abfahrt über die rutschige Straße problemlos vermeiden.

Enfield im WinterLangsam lässt die Sonnenkraft nach und ich entschließe mich zur Rückfahrt. Die Bullet und ich lassen die Schneeberge hinter uns und treten die Heimfahrt durch das Mittelland nach Deutschland an. Die Sonne gibt noch ihre restlichen Strahlen ab, nur kurz unterbrochen von den Nebelfeldern in den Flusstälern. So lässt sich der Motorradwinter auf einem alten Motorrad bestens überbrücken und macht Lust auf mehr.

Infos:

Anreise: Wer über die A5 Karlsruhe-Basel kommt, kann über die A2 (Abfahrt Dagmasellen) oder über die Berner Autobahn A1 (Abfahrt Kirchberg) ins Emmental bzw. Entlebuch gelangen. Achtung: Vignette in der Schweiz nicht vergessen (28,- Euro, erhältlich an der Grenze und fast allen Tankstellen). Kommt man über die A96 aus Richtung München, nimmt man den Schweizer Grenzort St. Magarethen ins Visier und fährt dort auf die A1 in Richtung St. Gallen und weiter nach Zürich. Hier geht es weiter bis zum Autobahndreieck Rothrist und dann auf der A2 weiter wie oben beschrieben.

Literatur:

Gute Information bietet der Baedecker-Reiseführer Schweiz, ISBN 3-87504-521-1, den gibt es inklusive Straßenkarte für 26 Euro. Für Motorradfahrer immer praktisch sind die kleinen Marco Polo Führer (Schweiz ISBN 3.8297-0175-6) für 8 Euro. Aus der Marco Polo Serie bietet sich auch der Reiseguide plus Straßenkarte (ISBN 3-8297-3032-2) für 8 Euro an. Gutes Kartenmaterial bietet die altbekannte Generalkarte, ISBN 3-89525-217-4, Zentral­­­schweiz, für 6,50 Euro. Wer sich vor der Reise allgemeine Information über die Schweiz zulegen will, der ist mit dem GEO Spezial Schweiz (ISBN 3-570-19340-3) für 7,80 Euro gut bedient.

Übernachtung:

Unterkünfte aller Preisklassen bietet die Innerschweiz in fast jedem Ort. Ein sehr schöner Platz zum Übernachten ist im Entlebuch bei Sörenberg, das Berggasthaus Salwideli. Gruppenunterkünfte für Selbstversorger gibt es hier ab 14,- Franken und schöne Einzelzimmer mit Frühstück ab 48,- Franken. Infos gibt es unter: salwideli@bluewin.ch oder Telefon: 0041 4881127. Direkt in der Nachbarschaft ist da noch der Bauernhof Salwideli (Tel. 0041 4881558), der Zimmer mit Frühstück ab 38,- Franken anbietet und dazu Übernachten im Stroh für 10,- Franken (Achtung im Winter sehr zugig und ein guter Schlafsack ist nötig) Alternativ für eine Übernachtung im warmen Bett, bietet die Schweiz viel Schnee und somit die Gelegenheit zum Bau eines Iglus. Hier fällt die Temperatur nie unter null Grad und man hat bestimmt einen exklusiven Schlafplatz (hat der Autor selber schon einmal ausprobiert).

Reisetipps für Winterfahrer:

Grundsätzlich sollte im Winter eine sehr ruhige Fahrweise gewählt werden, was dem Autor mit seiner Enfield nicht schwer gefallen ist. Alleine durch die Kälte und eine dicke Bekleidung die man trägt, ist man viel behäbiger in seiner Reaktion. Besondere Vorsicht in Waldstücken und auf schattigen Straßen, besteht hier doch erhöhte Rutschgefahr.

Die Kleidung sollte gut gewählt sein. Von Funktionsunterwäsche, Thermojacke bis zu den Winterstiefeln mit Lammfelleinlage, sollte man nicht an Qualität sparen.

Am Motorrad besteht die Möglichkeit beheizbare Griffe zu montieren, die der Autor auf seiner Enfield, zwecks seltener 6 Volt Anlage nicht hatte. Ansonsten sind Kniedecken, Stiefelüberzieher und Handstulpen eine wärmende Hilfe bei eisigen Temperaturen.

Gepäck & Fotoausrüstung sollte im Winter besonders gut verpackt sein. Hier empfehlen sich Gepäckrollen und Motorradkoffer mit Rollverschluss wie es die Firma Ortlieb anbietet, da damit keine Schlösser einfrieren können.