aus bma 4/01
von Berthold Reinken
Als 1990 die englische Motorradmarke Triumph einen Neuanfang wagte, war ein Redakteur einer großen deutschen Motorradzeitung der Überzeugung, dass ein Jahr später kein Mensch mehr über Triumph reden würde. Ich nahm eine entsprechende Wette an und gewann. Zwar sind die Wettschulden bis heute noch nicht bei mir eingelöst worden, trotzdem würde ich heute wieder wetten. Denn wer da behauptet, dass in einem Jahr kein Mensch mehr über Voxan redet, wird die Wette verlieren.
Als der französische Industrielle und Motorrad-Enthusiast Jacques Gardette Ende 1995 die Firma Voxan gründete, war bereits 30 Millionen Mark Startkapital vorhanden. Finanzstarke Partner waren dabei, und der erfundene Name „Voxan” signalisierte nicht nur das V-Motor-Konzept, sondern ließ auf eine gute Verwendung in vielen Sprachen schließen, was bei einer weltweiten Vermarktung nicht unwichtig ist.Nachdem in Frankreich bereits ca. 600 Maschinen auf den Straßen laufen, will Voxan nun den deutschen Markt erobern. Die Firma Zweirad Röth in Hammelbach, die schon als Moto Guzzi-Importeur reichlich Erfahrungen gesammelt hat, übernahm den Import in die BRD. Anfang März hatten wir die Gelegenheit, die Voxan Roadster Probe zu fahren.
Auf den ersten Blick macht der Roadster einen rundum soliden und gut verarbeiteten Eindruck. Alles wirkt wie aus einem Guss. Kabel, Schläuche und Bowdenzüge sind versteckt verlegt. Der in einem Stahlrohrbrückenrahmen hängende 1000 Kubik-V2 Motor beherrscht zusammen mit der voluminösen Auspuffanlage das Bild und degradiert den Rest des Motorrades zur Nebensache.
Dabei können sich auch die anderen Bauteile sehen lassen. Die 245 mm Brembo-Doppelscheibe im Vorderrad und die Upside-down-Telegabel mit Doppelkolbenzange wecken Vertrauen. Also auf der 800 mm hohen Bank Platz nehmen und akklimatisieren. Die Sitzposition ist sportlich und nach vorn gebeugt, aber noch bequem. Brems- und Kupplungshebel sind zwar nicht verstellbar, liegen aber gut zur Hand.
Ein Druck auf das Knöpfchen und der wassergekühlte Motor poltert los, der Sound enttäuscht mich nicht. So muss ein Motorrad klingen. Mit einem leichten Rumpsen rastet der erste Gang ein und es geht los. Gleichmäßig und ohne Leistungsloch dreht der Motor durchzugsstark hoch. Die Geräuschkulisse erinnert mich an einen großen Einzylinder. Vibrationen sind zwar deutlich spürbar, aber von der Art, die Freude machen. Das Getriebe lässt sich geräuschlos und butterweich schalten, fast schon zu weich. Besonders beim Wechsel vom fünften in den sechsten Gang fehlt irgendwie die Rückmeldung. Lang übersetzt ist das Gangwerk, Stadttempo 50 geht höchstens im vierten Gang. Der fünfte kommt erst auf der Landstraße ab Tempo ca. 100 zum Zug, während der sechste nur als Autobahn-Overdrive zu gebrauchen ist.
Leider liegt die Temperatur an diesem Tag nur bei ca. drei Grad, so dass die Reifen keinen vernünftigen Grip aufbauen wollen. Weil die Michelin Macadam (vorne 120/70-ZR 17 – hinten 180/55 – ZR 17) außerdem genauso nagelneu sind wie das ganze Motorrad, lasse ich es in den Ecken vorsichtig angehen. Das Einlenkverhalten wirkt zwar etwas kippelig, ansonsten liegt die Voxan aber satt in den Kurven und vermittelt ein sicheres Fahrgefühl. Obwohl die Roadster vollgetankt nur 210 kg wiegt und auch sehr handlich wirkt, muss man Schräglagenwechsel mit etwas Nachdruck vornehmen, wie von allein fällt die Maschine nicht ins Eck, was sicher am 180er Hinterradreifen liegt. Erfreulich ist die nur geringe Aufstellneigung beim Bremsen in Schräglage und das fast völlige Fehlen von Lastwechselreaktionen. Da sollten sich zum Beispiel die Yamaha TDM-Konstrukteure mal erklären lassen, wie so was geht.
Zwei Finger genügen zum Bremsen nicht, wenn es mal darum geht, die Fuhre so schnell wie möglich zum Stehen zu bringen. Die Bremswirkung ist zwar tadellos, man muss aber doch kräftiger zupacken, als man es von einigen japanischen Motorrädern her gewohnt ist. Dafür lassen sich die Stopper aber sehr gut dosieren, was vielen Fahrern sowieso lieber ist als eine zu giftige Bremse. Während ich dem sonoren Klang der Auspuffanlage lausche, fällt mir auf, dass das linke Lenkerende die Sicht auf die Tachoskala im Bereich zwischen 40 und 60 km/h teilweise verdeckt. Außerdem sehe ich in den Spiegeln hauptsächlich die Ärmel meines allerdings recht dicken Thermo-Overalls. Ohne diesen hätte mich der eiskalte Fahrtwind sicher schon die Lust an der Voxan verlieren lassen. Jetzt merke ich auch, dass der kleine schwarze, optisch gewöhnungsbedürftige Windabweiser über dem Scheinwerfer tatsächlich eine gewisse Wirkung hat. 178 Kilometer stehen auf dem Tacho, als sich die Benzinreservelampe meldet. Weil ich keine Ahnung habe, wie weit mich die Reserve trägt, nehme ich eine Abkürzung zur nächsten Tankstelle. Auf den teilweise recht miserablen Nebenstraßen stelle ich dabei fest, dass die Voxan Roadster recht komfortabel gefedert ist, nur die Gabel wirkt manchmal etwas hart, was aber auch am kalten Gabelöl liegen kann. Auch die Sitzbank ist, obwohl sie spartanisch aussieht, recht komfortabel. Nach über zwei Stunden Fahrt meldet mein Hinterteil noch keinerlei Unwillen.
13,1 Liter Benzin passen bei Tachostand 195 km in den Tank, was einem Verbrauch von 6,7 Litern auf 100 Kilometern entspricht. Das ist für einen 100 PS starken 1000er V-Twin sicher nicht zu viel, zumal der Verbrauch nach der Einfahrzeit durchaus noch etwas zurückgehen kann. Bei einem Gesamttankinhalt von 14,5 Litern bedeutet das aber, dass beim Aufleuchten der Reservelampe (bei 178 km) nur noch etwa 2,5 Liter im Tank sind. Das dürfte manchmal recht knapp werden.
Dicke Thermo-Overalls mag die Voxan anscheinend nicht (sowas trägt auch kein Franzose). Als ich die Maschine beim Händler wieder abstelle, bemerke ich, dass der rechte Krümmer mein Knie angesengt hat. Für den deutschen Markt sollte das Werk hier ein größeres Hitzeblech installieren. Wer sein Motorrad in der Garage abschließt, muss bei der Voxan aufpassen. Allzu leicht rutscht der Zündschlüssel vor dem Abziehen in die Standlichtstellung. Da kann es schon nach ein paar Tagen eine unliebsame Überraschung geben, wenn die Lampen die Batterie tot gesaugt haben, was nicht nur nervig ist, sondern im Wiederholungsfall auch zum Exitus einer Batterie führen kann.
Es stellt sich noch die Frage, ob der für die französischen Mini-Nummernschilder sicher ausreichende Träger den Belastungen der deutschen Kuchenbleche gewachsen ist.
20.990 Mark inklusive Fracht kostet die Voxan Roadster in Deutschland. Dafür gibt es noch zwei Jahre Garantie plus ein Jahr Teilegarantie. Damit dürften die Franzosen hierzulande durchaus konkurrenzfähig sein. Weniger gefällt, dass die Motorräder alle 5000 Kilometer zur Inspektion müssen (nach erster 1000er Inspektion). Ein völlig neu konstruiertes Motorrad sollte hier mit gutem Beispiel voran gehen. Bleibt zu hoffen, dass die Wartungskosten nicht so hoch sind.
Über 50 Vertragshändler will der Importeur innerhalb diesen Jahres 500 Motorräder in Deutschland verkaufen. Innerhalb der nächsten drei Jahre soll das Händlernetz auf 100 Partner ausgebaut werden. Neben der Roadster gibt es schon jetzt den Café-Racer zum Preis von 22.490 Mark. Zum Sommer soll dann noch eine Scrambler hinzukommen.
—
Kommentare