aus bma 4/12 – Reisebericht

Fritz Inhülsen, Sabine Bäuerle
Fotos: Fritz Inhülsen,Sabine Bäuerle, Dr. Norbert Pruß

Motorradreise Türkei Zugegeben, die Türkei liegt nicht gerade hinter der nächsten Ecke, aber bem Motorradfahren ist bekanntlich der Weg das Ziel und so machten sich Fritz und Sabine aus Norddeutschland auf den Weg…

Samstag: Wir fahren zuerst nach Berlin, um dort unseren Freund Norbert abzuholen, der uns schon seit Jahren auf den großen Touren begleitet. Auf dem Weg dorthin sprangen die Kilometerzähler unserer beiden Motorräder auf die Einhunderttausendkilometermarke. Bei Nor­bert und Carola angekommen, köpften wir die mitgebrachte Sektflasche und stießen auf die unfall- und reparaturfrei gefahrenen Kilometer an.

Sonntag: Nach einem ausgiebigen Frühstück – Dank an Carola – bepackten wir unsere Motorräder und alsbald rauschten drei Yamaha FJR 1300 in Richtung Süden. Die Sonne meinte es sehr gut mit uns. Wir fuhren durch Tschechien, kamen ohne nennenswerte Staus an Prag vorbei und waren auch bald in der Slowakei. Gegen Abend erreichten wir den kleinen Ort Stupava, etwa 15 km nördlich von Bratislava gelegen. Hier fanden wir ein kleines, schmuckes Hotel mit dem schönen Namen “Eminent”. Enttäuscht waren wir aber darüber, dass an einem so schönen Sonntagabend der Ort wie ausgestorben war.

Motorradreise Türkei Wir fanden dennoch eine kleine Kneipe, waren dort aber die einzigen Gäste. Die freundliche und attraktive Wirtin Annette begrüßte uns herzlich. Da sie sehr gut deutsch sprach, konnte sie uns auch plausibel erklären, warum es in dem Ort so ungewöhnlich ruhig war. Mit der Einführung des Euro und den gleichzeitig angeordneten Sparmaßnahmen, hatte sich die Kaufkraft der Bevölkerung merklich verschlechtert. Das Geld sitzt einfach nicht mehr so locker. Unseres saß noch ein wenig lockerer und so machten wir uns noch einen schönen Abend.

Montag: Die ungarische Grenze war nicht mehr weit und wir hatten sie bald erreicht. Nun brauchten wir noch die obligatorische elektronische Vignette und es konnte weitergehen.

Die Temperaturen hatten inzwischen Werte angenommen, die das Fahren, insbesondere das langsame Fahren, zur reinen Schwitzkur machten. Besonders auf der Umgehungsautobahn um Budapest unterscheidet sich die Motorradbekleidung kaum von einer Saunakabine. Als wir dann Richtung Szeged mehr Fahrt aufnahmen, verspürten wir zunächst einen Hauch von Abkühlung. Aber nicht lange, denn als wir durch die topfebene Puszta fuhren, fühlte sich der Fahrtwind an, als käme er direkt aus einem Heizlüfter. In den kurzen Pausen war unser Wasserverbrauch genau so hoch, wie der Benzinverbrauch unserer Motorräder.

Bei Szeged überquerten wir die ungarisch-serbische Grenze. Das Land wurde wieder etwas hügeliger. Nicht, dass es hier auch kühler wurde, aber irgend jemand hatte offensichtlich den Heizlüfter abgestellt. Völlig verschwitzt erreichten wir Belgrad. Dort fanden wir am Stadtrand ein ansprechendes Hotel und ließen es uns gut gehen. Nach so einem Tag ist ein Bier, in der Abendsonne genossen, vollendetes Motorradfahrerglück.

Dienstag: Weiter geht es in Richtung Süd-Ost. Bei Nis verlassen wir die auch als Autoput bekannte Straße und steuern auf Sofia zu. Auf kleinen Bergstraßen geht es jetzt zwar langsamer aber keineswegs unkomfortabel voran. Mit zunehmender Höhenlage wurden auch die Temperaturen angenehmer.

Motorradreise Türkei Bald hatten wir die serbisch-bulgarische Grenze erreicht. Grenzkontrollen gab es keine und bis wir merkten, dass wir eine Vignette hätten lösen müssen, waren wir auch schon an der kleinen Verkaufsstelle vorbei. Wenden war nicht möglich. Wir stellten die Motorräder ab und Norbert und ich gingen zu Fuß zurück. Der Vignettenverkauf bereitete jedoch einige Schwierigkeiten. Der Verkäufer wollte partout nicht einsehen, wieso zwei Fußgänger drei Vignetten benötigten. Wir konnten ihn dazu überreden, soweit mit auf die vierspurige Straße zu kommen, bis er unsere Motorräder sehen konnte. Die Vignetten waren preisgünstig und die Straße nach Sofia gut zu befahren. Es mangelte auch nicht an einigen, für uns exotischen, Verkehrsteilnehmern, wie Panjewagen und eigenwillig modifizierten Motorrädern.

Ein solches Exemplar, eine Kawasaki, konnten wir intensiv bestaunen. Der Fahrer dieses eigenwilligen Gefährts hatte sich während einer unserer Pausen zu uns gesetzt. An seinem Motorrad befanden sich wirklich nur die Dinge, die für den reinen Fahrbetrieb notwendig waren. Selbst auf Reifenprofil und Kennzeichen konnte er locker verzichten. Unser Erstaunen amüsierte ihn ebenso, wie unsere vollständige Motorradbekleidung. Das wäre doch wohl viel zu warm, deutete er an. Recht hatte er.

Motorradreise Türkei Bald waren wir an Sofia vorbei und fuhren nun in Richtung Plovdiv. Vor uns sahen wir gewaltige Rauchwolken, in die wir kurze Zeit später auch hineinfuhren. Ein Waldbrand, der bis an die Straße heranging, war die Ursache dafür. Direkt über unseren Köpfen kreisten Hubschrauber, unter denen gewaltige Wassersäcke baumelten. Ob die Piloten diese wohl immer im richtigen Moment öffneten? Für uns waren das einige adrenalinfördernde Kilometer. Nicht so für die Polizisten, die recht gelassen am Straßenrand standen und keinerlei Anstalten machten, regelnd in das Verkehrsgeschehen einzugreifen. Kurz vor Plovdiv fanden wir eine gute Unterkunft und bei einem oder auch zwei sehr leckeren bulgarischen Wodka beschlossen wir diesen Tag.

Mittwoch: So, heute sollte es in die Türkei gehen. Bei Plovdiv endete die Autobahn und wir fuhren auf kleinen Straßen über Dimitrovgrad nach Edirne, der türkischen Grenzstadt. Die Hitze hatte noch immer nicht nachgelassen und besonders in der Mittagszeit war sie nahezu unerträglich. Zu genau dieser Zeit trafen wir am Grenzübergang ein. Die Kontrollen sind aufwendig, weil die Fahrzeuge in die Reisepässe eingetragen werden. Sie sind umständlich, weil es sprachliche Missverständnisse gibt und damit vor allem zeitraubend. Zeit, die man auf seinem Motorrad sitzt und langsam vor sich hin gart. Wenn man dann zum vierten Mal seine Papiere vorzeigen muss und der Grenzbeamte mit seinem Kollegen darüber sinniert, welcher Stempel wohl wohin gestempelt werden müsse, dann bekommt man derart einen inneren Zorn, da könnte man zum Mörder werden. Nach dieser Prozedur machten wir eine kleine Verschnaufpause auf dem schattenlosen Grenzgelände. Die schöne Moschee im Hintergrund machte uns nun vollends klar: Wir sind in der Türkei.

Noch ungefähr einhundertzwanzig Kilometer trennten uns von Istanbul. Die Stadt ist u.a. bekannt als ein gewaltiger Verkehrsmoloch und da wollten wir auf keinen Fall nachmittags eintreffen. Wir fuhren zunächst ans Marmarameer und fanden in dem kleinen Badeort Silivri eine Unterkunft. Die zwei kleinen, parallel liegenden Gebäude mit ihren Appartments hätten eine so tolle Unterkunft sein können, wenn nicht alles so hoffnungslos verschmutzt gewesen wäre, wobei die außen liegende Gemeinschaftsdusche noch das kleinste Problem darstellte. Wir blieben, nicht zuletzt wegen der einzigartigen Bademöglichkeit im Marmarameer.

Am Abend saßen wir zusammen mit dem Schweizer Vittorio Ferlin, der zu Fuß auf dem Weg von der Schweiz nach Jerusalem war. Seinen Reisebericht findet man unter www.unterwegsnachhause.ch. Hier sind insbesondere seine Eindrücke von Istanbul lesenswert. Auch unsere kurze Begegnung findet eine Erwähnung. Wir waren auf jeden Fall sehr beeindruckt von dem, was uns dieser Mann berichten konnte.

Cafe-mit-WasserverdunsterDonnerstag: Wir verabschiedeten uns von den sehr freundlichen Gastgebern und nahmen frohen Mutes die letzten Kilometer bis Istanbul in Angriff, dabei überholten wir Vittorio Ferlin, der sich bereits dorthin auf den Weg gemacht hatte.

Kurz vor der großen Bosporusbrücke verließen wir die Autobahn, um in die Altstadt zu kommen; denn dort hatte Norbert von Bulgarien aus ein Hotel gebucht. Was wir auf diesen ungefähr 20 km erlebten, ist mit dem Wort Chaos deutlich untertrieben. Hier herrschte kein Straßenverkehr, sondern ein Kampf jeder gegen jeden, begleitet von einem nie enden wollenden Hupkonzert. Wo immer wir die Chance hatten anzuhalten und uns zu orientieren, versuchten freundliche Menschen, uns den Weg zu erklären. Einmal wurden wir auch mit Tee bewirtet. Das tat zwar gut, aber dem Ziel brachte es uns auch nicht näher. So kämpften wir uns Meter für Meter weiter und beneideten die Fußgänger, die deutlich schneller vorankamen. Irgendwann landeten wir in einer kleinen, aber sehr steilen Straße, an deren Ende wir hätten links abbiegen müssen. Der Querverkehr ließ uns aber nicht die geringste Lücke. Beim Anhalten bemerkte ich, dass die Vorderradbremse dem Rückwärtsdrang meines Motorrades nicht gewachsen war. Zwar konnte ich das Motorrad zusätzlich mit den Füßen abbremsen, aber meine Sorge galt Sabine, die mit ihren 1,62 Metern nicht gerade prädestiniert ist, mit dem Motorrad Balanceübungen zu machen. Aber sie meisterte auch diese Schwierigkeit. Hinter uns entwickelte sich ein immer lauter werdendes Hupkonzert. Ich versuchte die Ruhe zu bewahren und als sich im Querverkehr eine kleine Lücke ergab, fuhr ich hinein. Nun hatten wir auch ein Hupkonzert von vorne, dafür aber stehenden Verkehr, wenigstens auf einer Straßenseite. Ich gab den beiden anderen ein Zeichen nachzufolgen und rechts abzubiegen. Jetzt fuhren wir zwar in die falsche Richtung, aber wir fuhren wieder. Es waren mehr als vier Stunden vergangen, seit wir die Autobahn verlassen und endlich unser Hotel fanden.

Motorradreise Türkei Damit waren die Strapazen noch nicht überstanden. Das Hotel lag in einer schmalen, etwa drei Meter breiten Straße, die deswegen aber keineswegs Einbahnstraße war. Hier mussten wir nun anhalten und unser Gepäck ins Hotel schaffen. Was sich in dieser Zeit hier abspielte, hätte man filmen müssen, zu beschreiben ist es kaum. Nun brauchten wir nur noch die Motorräder aus der Straße heraus bugsieren und einen geeigneten Parkplatz finden. Auch das schafften wir.

Jetzt schnell die Zimmer beziehen, duschen und landfein machen und dann die Stadt zu Fuß erobern. Schnell fanden wir eine interessante Straßenkneipe, die ihren Gästen bei dieser unsäglichen Hitze auf interessante Weise Kühlung verschaffte. Man versprühte aus vielen feinen Düsen Wasser, das sofort verdunstete. Unter dem sichtbaren Wassernebel herrschte eine angenehme kühle Temperatur, bewirkt durch die Verdunstungskälte des Wassers. Als wir dann noch ein angenehm kühles Efes Pils serviert bekamen, waren die meisten Strapazen fast vergessen. Nun fehlte nur noch ein gutes Essen. Das gab es für uns in einem Restaurant auf dem Dach eines großen Hotels. Den herrlichen Blick über den Bosporus, hinüber zum asiatischen Teil Istanbuls, gab es gratis dazu.

StauFreitag: Istanbul ist eine faszinierende Stadt, voller fröhlichem und quirligem Leben. Wir waren neugierig auf alles, wollten überall dabei sein. Wir waren angesteckt von der hier herrschenden Lebensfreude und genossen den Trubel dieser Stadt, der so gar nichts hektisches hat. Welch ein Gegensatz zu den Gefühlen, die man hier als fremder Verkehrsteilnehmer empfindet.

Im Rahmen unseres selbst gebastelten, aber unverbindlichen Besichtigungsprogramms besuchten wir den Topkapi-Palast, den großen Bazar, die Haga Sofia und die blaue Moschee. Wir fuhren mit der Straßenbahn auf die asiatische Seite der Stadt und bestiegen dort den Galata-Turm, von dem aus man eine herrliche Rundsicht über die Stadt hat. Von dort oben hat das allgegenwärtige Verkehrschaos den Charme eines Monopolispiels.

Diesen Tag komplett zu beschreiben, was man alles unternommen und auch emotional empfunden hat, würde den Rahmen eines solchen Berichts sprengen. Istanbul ist eine Oase der Lebensfreude und Oasen sucht man immer wieder auf.

Samstag: Den Weg zum Fährhafen hatten wir bereits zu Fuß erkundet und uns auch schlau gemacht, wo die Fähre nach Bandirma ablegt. Der Weg über das Marmarameer entband uns von einer erneuten Fahrt durch die Stadt. Am späten Nachmittag traf die Fähre in Bandirma ein, wo wir auch gleich ein Hotel fanden. Dieser Tag schlug mit nur 10 Tageskilometern zu Buche, so dass wir noch frisch und munter durch die Stadt bummeln konnten.

Motorradreise Türkei Sonntag: Wir wollten heute an der asiatischen Küste des Marmarameeres entlang fahren und zwar bis zur Meerenge der Dardanellen. Dort liegt der kleine Ort Lapseki, von dem man mit einer kleinen Fähre wieder zurück nach “Europa” gelangt. Zügig ging es nun in Richtung griechischer Grenze. Noch einmal ließen wir die türkische Grenzprozedur über uns ergehen, quälten uns an langen LKW-Schlangen vorbei und erreichten bald die Autobahn. In Alexandropulis übernachteten wir dann.

Montag: Auf fast leeren, gut ausgebauten Autobahnen ging es quer durch Griechenland. Die Mautstellen waren entweder noch Baustellen oder nicht besetzt, weil das Personal streikte. Nur in der Nähe von Thessaloniki bezahlten wir einmal 1,20 Euro pro Motorrad. Am späten Nachmittag erreichten wir Igouminitsa, bekamen aber nicht die Fähre nach Ancona, die wir eigentlich gerne haben wollten. So was kommt vor. Das bescherte uns noch einen schönen Abend in dieser Hafenstadt. Erst in der nächsten Nacht bekamen wir eine Fährpassage nach Bari/Italien.

Mittwoch: Gegen 10 Uhr fuhren wir in Bari von der Fähre. Es galt nun etwa eineinhalb Tage Zeitverlust einzuholen, die wir in Igouminitsa Zwangspause ge­macht hatten. Und so brummten wir stur nach Norden. Mit diesem Teil der Fahrt verbinden sich zwei schlechte Erinnerungen. Zum einen die unverschämten Autobahngebühren in Italien, (über 60 Euro pro Motorrad) und eine schlecht gelaunte Pensionswirtin in Österreich.

Freitag: Wir verließen die schlecht gelaunte Wirtin samt ihres mickrigen Frühstücks. Weiter ging es heimwärts. Bei Passau überquerten wir die österreichisch deutsche Grenze und übernachteten dann kurz vor Hof in einem kleinen Hotel. Mit der ausgesprochen netten Wirtin kamen wir ausgiebig ins Gespräch und erwähnten dabei auch wohl, daß Sabine am nächsten Tag Geburtstag habe.

Samstag: Sabine hat heute Geburtstag und die nette Wirtin hatte für sie den Frühstückstisch geschmückt. Erfreut über diese unerwartete Aufmerksamkeit genossen wir das opulente Frühstück, verzichteten allerdings auf das übliche Gläschen Sekt. Wir bedankten und verabschiedeten uns und fuhren los. Gegen Mittag erreichten wir Berlin-Hellersdorf. Jetzt war zumindest Norbert wieder zu Hause. Abends feierten wir noch Sabines Geburtstag, dabei holten wir auch den verpassten Frühstückssekt nach.

Sonntag: Noch ungefähr 500 km liegen vor uns. Ein Klacks, wenn man schon fast 6000 km hinter sich hat. Insgesamt legten Sabine und ich etwa 6400 km zurück und überboten damit unseren bisherigen Rekord für “Zweiwochenreisen“ um 200 km (Rund um die Ostsee/Petersburg: 6200 km)

Wir überquerten 10 verschiedene Staatsgrenzen und schliefen in 13 verschiedenen Betten, haben uns x-mal über uns selbst geärgert und uns genau so oft gefragt: Was soll das Ganze, warum tun wir uns das an? Fragen ohne Antworten? Vielleicht. Aber die nächste Tour spukt schon wieder in unseren Köpfen.