aus Kradblatt 8/14
von Olaf Segger

 

Welpentour – oder der erste Tripp mit dem „Kleinen“


SchwedentourDer „Kleine“ ist inzwischen 1,90 m groß und überragt uns alle. Damals war er aber noch kleiner. Mein Motto: Früh üben und an das Moped-/Zweiradfahren heranführen. Roller und Fahrrad hatten wir hinter uns gebracht.

Tjark lernte fahren auf einem restau­rier­ten „Troll 1″, der Marke IWL, Bj. 1963. Das war nicht einfach, da ich auf Grund der Größe von Maschine und Kind und möglichen Umfallern immer hinterherlaufen musste. So konnte ich damals meine Figur halten.

Ein paar Jahre später, Tjark war inzwischen 15 Jahre alt, kam dann eine Simson ins Haus. Die Fahrpraxis hielt sich in Grenzen. Während eines Kurzurlaubes auf Rügen sah ich eine Simson, S 50 stehen. Das sollte sie sein. Damit sollte Tjark weitere Fahrübungen machen. Gedacht getan. Ich kaufte den Hocker für 300 Euro, steckte noch ein wenig Arbeit in den Umbau auf eine Crossmaschine rein (zumindest vom Aussehen her) und fertig. Weihnachten war es dann soweit. Von einem roten Samttuch bedeckt schenkten wir Tjark die „Simme“. Da sie nicht unter den Tannenbaum passte, mussten wir auf die Diele ausweichen. Das tat der Freude aber keinen Abbruch. Es folgten viele Fahrübungen auf dem Hof und im Gelände, Winter wie Sommer.
Dann rückte unsere erste „große“ Tour immer näher. Nach erfolgreicher Mopedprüfung ging es in die Planungen. Wohin fährt man mit einer Simson? Zu der Zeit fuhr ich auf einer Yamaha FZ6 Fazer S2. Deshalb die Frage, wie weit und wohin fährt man mit einer Simson und einer 600er Yamaha? Antwort nach Schweden!

SchwedentourSo packten wir eines morgens unsere Sachen auf die Maschinen und fuhren aus der idyllischen Eulenspiegelstadt Mölln in Richtung Travemünde zur Fähre. Das Wetter war diesig mit ein wenig Nieselregen. Vor Abfahrt noch schnell die Haare kurzgeraspelt und los ging es.
Vor uns lagen ca. 62 km. Nur Landstraße, Autobahnen waren ausgeschlossen. Den ersten ungewollten Stopp mussten wir vor dem Herrentunnel in Lübeck einlegen. Der Vergaser von der „Simme“ wollte gereinigt werden. Das sollte uns noch häufiger passieren. 8/10-Schlüssel und Schraubendreher waren somit immer griffbereit.

Gepäck und Übernachtung: Hier kurz eine Anmerkung für alle Interessierten zur Gepäckausstattung bzw. unserem Stauraum. Ich war mit 2 GIVI-Koffern „V35″ und einer Ortlieb Gepäckrolle „Rack-Pack“ bestückt. Darin bekam ich unsere Verpflegung und meine Klamotten der Reise unter. Tjark hatte auf seiner „Simme“ 2 Seitengepäckträger für die Simson + 2 Ortlieb Seitentaschen „MOTO Seitentasche QL2″ angebaut.

Übernachtet wurde in einer Jugendherberge in der Nähe von Ystad, von wo aus wir dann Tagestouren unternahmen. Die Strecken arbeiteten wir mit Hilfe unserer Straßenkarten aus.
In Travemünde angekommen, gönnten wir uns ein schönes Frühstück mit Blick auf die Trave, direkt am Wasser. Das war eine sehr schöne Einstimmung in die kommende Woche – Ruhe und Entschleunigung. Da die Hafeneinfahrt zu den Fähren verlegt wurde, mussten wir noch ein wenig suchen. Dann ging es aber ohne weitere Verzögerungen auf das Schiff. Vor uns lauter Harleys. Wir hinterher und neben ihnen geparkt. Irgendwie hatte ich ein komisches Gefühl beim Anblick all der großen Motorräder. Und wir? Wir hatten unseren Spaß. Wir wurden umringt und beäugt. Man wünschte uns viel Spaß im Heimatland der anderen Biker, die auf der Heimtour waren. In Schweden angekommen, wurden wir mit Sonne verwöhnt. Zwar gab es zwischendurch immer mal den einen oder anderen Schauer, aber wir sind ja nicht aus Zucker.

SchwedentourAnkunft in Köpingebro. Wir hatten es geschafft. Zimmerbezug, Betten beziehen und ab die Gegend erkunden. Der Ort lag ruhig und es gab verschiedene Straßen in alle Richtungen, die eine ruhige Ausfahrt etwas entfernt von den Hauptstraßen versprachen. Es störte überhaupt nicht, dass ich so langsam unterwegs war. Im Gegenteil, die Eindrücke waren intensiver. Klar man hat auch Eindrücke bei 200, aber eben andere.

Eine Tour führte uns nach Sjöbo. Gerne hätte ich nur die kleinen Straßen gewählt, aber da wir auch ankommen wollten, fuhren wir auf der 13 nach Sjöbo. Dort angekommen gab es wieder einmal eine „Kaffeepause“ oder soll ich lieber sagen „Vergaserpause“? Im Grunde war die Erfahrung nicht schlecht. Tjark lernte ein wenig das Schrauben und den Umgang mit „Problemen“ auf Reisen. Wir also an die nächste Tankstelle. Ich bestelle mir einen schönen großen Becher Kaffee und Tjark schraubt.

Dann die Überraschung. Tjark’s Versicherungskennzeichen war weg. Während Tjark schraubte, schlenderte ich um die Mopeds herum. Und da war es. Es fehlte etwas. Ja, sein Kennzeichen. Ich fragte Tjark danach. Der glaubte ich will ihn auf den Arm nehmen. Ich sah richtig, wie er zusammensackte, als er sah, dass ich keine Scherze machte. Was nun? Polizei? Das birgt die Gefahr, dass wir nicht weiterfahren dürfen. Wer fragt bekommt oft dumme Antworten, oder die, die er nicht hören will.

Also, rauf auf die Yamaha und zurück die Strecke absuchen. Leider blieb auch das erfolglos. So ein Schild kann wohl weit fliegen, wenn es sich erst einmal vom Haltepunkt löst. Da kann man eben nichts machen. Wir genießen unseren Tag und dann ab zurück zur Herberge. Meine Idee, wir machen eine Kopie vom Versicherungskennzeichen. Für die Rückfahrt hatte ich mehr durch Zufall eine Route durch Wald und Feld gewählt. Ein Elch – das wäre das Einzige gewesen – was zu unserem Glück gefehlt hat. Und das meine ich positiv. Die Ruhe, Abgeschiedenheit und die leichten Wald- und Schotterpisten waren für uns Entspannung pur. Sogar die Sonne vertrieb an diesem Tag alle Regenwolken und verwöhnte uns.

SchwedentourNachdem wir in der Herberge angekommen waren, gingen wir zum Herbergsvater. Der hatte einen Computer und einen guten Drucker. Die Hilfsbereitschaft war überwältigend. Leider war der Herbergsvater nicht so geübt im Umgang mit Computern und den Programmen. Somit durfte ich ran. Leider alles auf Schwedisch. War schon eine Herausforderung, ging aber. Am Ende hatten wir ein „neues“ altes Kennzeichen, und das auch noch laminiert. Eine Idee des Herbergsvaters. Das Kennzeichen hat uns bis nach Hause begleitet. Lerneffekt für Tjark, es gibt immer eine Lösung.
Einmal gönnten wir uns einen kurzen Abstecher nach Malmö. Da die Entfernung für die Simson zu lang war, wir zu lange unterwegs gewesen wären, entschieden wir uns nur mit der Fazer zu fahren. Das war neben der Kennzeichensuche das einzige Mal, dass wir schneller reisten als nur immer 50–60 km/h.

Damit komme ich zu einem weiteren positiven Effekt der Reise, das Kennenlernen des Umgangs mit unterschiedlichen PS und Geschwindigkeiten in einer Gruppe. Die Gruppe ist am Ende nur so stark (schnell) wie das schwächste (langsamste) Glied. Selbstverständlich gab es da manchmal so ein Jucken in meiner rechten Hand, aber das musste ich ignorieren. Wir blieben immer zusammen. Für Tjark war es ein gutes Gefühl zu wissen, da ist einer, der fährt eben nicht einfach vor, auf den kann ich mich verlassen. Warum auch? Ihm ging es ja nicht anders als mir. Stunde um Stunde musste er genauso wie ich im Sattel sitzen und den Gasgriff festhalten.

Kurz noch ein Gedanke zu unseren Sitzbänken. Da ich mit meiner Fazer bereits Norwegen- und Schwedentouren gemacht hatte, war mir bewusst, dass lange Touren für den Hintern anstrengend werden. Das muss man wegatmen oder eine Pause einlegen. Gleiches gilt für die Simson. Soziabetrieb ist nicht zu empfehlen.

Der Sinn in solch einer Tour liegt für uns dann eben nicht in der Geschwindigkeit, sondern in der Art und Weise des Erlebens, den Routen abseits vom Hauptverkehr, des gemeinsamen Reisens. Hier gilt für uns das Zauberwort „Entschleunigung“.

Wir freuen uns schon auf unsere nächste Tour.
In Planung sind tropische Temperaturen.