aus bma 06/96

von Uwe Niemeyer

Da steht sie nun: groß, wuchtig und in der Lackierung „Merlot Red”. Auf den ersten Blick sieht man der Trophy jedes ihrer 286 kg (vollgetankt) an. Die Frontpartie mit den schräggestellten und in Chrom Triumph Trophy 1200 eingefaßten Doppelscheinwerfern läßt die Verkleidung noch breiter wirken. Die Verkleidung hat im Vergleich zum Vorgängermodell in ihren Abmessungen kräftig zugelegt, und auch die Stufensitzbank und die serienmäßigen Koffer vermitteln den Eindruck, ein eher schwerfälliges Reisesofa vor sich zu haben. Eines paßt zumindest zu diesem ersten Eindruck, man setzt sich auf das Sofa und fühlt sich wohl. Der hohe, weit nach hinten gezogene Lenker verhindert, daß kleinere Fahrer mehr oder weniger lang auf dem 25 Liter fassenden Tank (inkl. 5 Liter Reserve) liegen müssen. Andererseits haben größere Fahrer keine Schwierigkeiten ihre langen Beine hinter der schützenden Verkleidung zu verbergen. Auch der Soziusplatz ist ausreichend groß dimensioniert und bequem, so daß von den hinteren Rängen keine Klagen kommen. Notwendigerweise hat Triumph das zulässige Gesamtgewicht der Trophy von 436 auf 500 kg erhöht, denn sonst wäre bei dem um ca. 30 kg gestiegenen Eigengewicht die maximale Zuladung der „Reisemaschine” bereits mit zwei Personen und einer gemeinsamen Zahnbürste erreicht worden. Die Lenkerarmaturen sind auch mit dicken Handschuhen leicht zu bedienen. Lediglich der Schalter für die Lichthupe sitzt arg dicht am Kupp-lungshebel, so daß es etwas schwierig ist, den Schalter mit dem Zeigefinger zu fassen. Der Kupplungshebel ist ebenso wie auch der Bremshebel in der Griffweite verstellbar. Im Cockpit befinden sich vier in Chromringe eingefaßte Instrumente: Tankuhr, Drehzahlmesser, Tacho und Analoguhr, die nicht zuletzt durch die Chromringe sehr leicht blenden, wenn die Sonne draufscheint. Darüber sind die Kontrolleuchten für Blinker, Fernlicht usw. angebracht, die umso schwerer hinter der Kunststoffscheibe zu erkennen sind, je heller es ist. Eine Motortemperaturanzeige fehlt.

 

Triumph Trophy 1200 Jeweils links und rechts von den Instrumenten ist ein Ablagefach in die Verkleidung eingelassen. Blödsinnigerweise sind im rechten Fach der Sicherungskasten und die Leuchtweitenregulierung untergebracht. Damit ist der Nutzwert dieses Faches ziemlich eingeschränkt. Die Fächer sind mit einem abschließbaren Deckel versehen. Überhaupt lassen sich sämtliche Schlösser an der Trophy mit einem Schlüssel öffnen und verschließen: Zündschloß, Sitzbank, Ablagefächer und Koffer. Die Koffer werden mit jeweils einem Schloß am Motorrad an- und mit zwei Schlössern abgeschlossen. Geschlossen sind die Koffer recht stabil, während sie geöffnet eher einen labilen Eindruck machen. Das ist vielleicht auch der Grund, warum jeder Koffer trotz seines Fassungsvolumens von 32 Litern nur mit 6 kg beladen werden darf. Glücklicherweise paßt aufgrund der runden Form in jeden Koffer ein Integralhelm hinein. Nun geht’s ans Eingemachte: Choke raus, Zündschlüssel umdrehen und ein kurzer Daumendruck auf den Starterknopf bringen Leben in den Vierzylinder. Um die Belastung der Umwelt durch Schadstoffe zu reduzieren, ist die vier-in-zwei-Anlage mit einem ungeregelten Zwei-Wege-Kat ausgestattet. Der Motor läuft schon nach wenigen Augenblicken rund und der Choke kann nach kurzer Fahrstrecke wieder ganz zurückgenommen werden. So überraschend problemlos läuft der Startvorgang zumindest bei Dreizylindern vorheriger Baujahre aus gleichem Hause nicht ab. Wenn die Fuhre erst einmal in Bewegung ist, dann bleibt von dem ursprünglich schwerfälligen Eindruck nicht mehr viel übrig. Sicher, die Trophy ist keine 250er, die mühelos im dichten Stadtverkehr bewegt werden kann. Soll sie auch nicht, denn ihr Einsatzgebiet sind Landstraßen und Autobahnen. Sie eignet sich sowohl zum „Über-die-Dörfer-bummeln” als auch dafür, auf der Bahn schnell von A nach B zu gelangen. Auf der Landstraße kommen die Stärken der 1200er Trophy allerdings am besten zur Geltung.
Triumph Trophy 1200 Der 98 PS starke Kurzhuber (Bohrung x Hub: 76 x 65 mm) mit einem max. Drehmoment von 105 Nm bei 5500 U/min zieht ohne Verschlucken oder Hänger sauber und schnell aus dem Drehzahlkeller hoch. Diese Eigenschaft ermöglicht eine sehr schaltfaule Fahrweise. Wer also mit ca. 70 km/h im sechsten Gang über die Landstraße zuckelt und mal eben kurz überholen möchte, kann dies, ohne schalten zu müssen, locker und zügig tun, auch wenn jemand auf dem Soziusplatz hockt. Der unvermeidliche Blick in den Spiegel, der dem Überholen vorangeht, zeigt leider ein allgemein bekanntes Bild: im inneren Drittel beider Spiegel sind für den Fahrer lediglich seine Oberarme zu sehen. Unangenehm ist auch, daß die Spiegel im unteren, ca. 1 cm breiten Teil nur ein verzerrtes Bild von dem wiedergeben, was hinter einem passiert. Kurven durchfährt der Bolide wie an der Schnur gezogen, kein Wackeln oder Schlingern macht sich bemerkbar. Die Bridgestone BT 54 (vorn in der Größe 120/70ZR17 und hinten 170/ 60ZR17) sorgen für einen guten Geradeauslauf und gute Bodenhaftung in Schräglagen bis zum Aufsetzen. Die Aufstellneigung beim Bremsen in Schräglage ist sehr gering. Auch auf nasser Fahrbahn vermitteln die Reifen ein sicheres Gefühl.
Triumph Trophy 1200 Für Verzögerung sorgt die aus dem Vorgängermodell bekannte Bremsanlage: im Vorderrad eine Doppelscheibenbremse mit Vierkolbensätteln und 310 mm Durchmesser pro Scheibe und im Hinterrad eine Scheibe mit Doppelkolbensattel und 255 mm Durchmesser. Bei starkem Bremsen taucht die sehr weiche Telegabel mit einem Durchmesser von 43 mm pro Stand-rohr allerdings weit ein. Das hintere Zentralfederbein hat leider die Stellschraube, über die es sehr praktisch per Hand vierfach in der Dämpfung zu verstellen war, eingebüßt. Dies geschieht jetzt mittels Schraubenzieher direkt am Federbein. Wenn der Dämpfer in der Zugstufe verstellt werden soll, wird es richtig kompliziert. Apropos Schraubenzieher! Ein solcher ist nicht einmal im Bordwerkzeug enthalten. Eigentlich ist gar kein Bordwerkzeug vorhanden, denn die drei niedlichen Schlüsselchen in der schwarzen Plastikhülle hätte Triumph besser ganz weggelassen. Das wäre nicht so peinlich gewesen.
Schnelle Autobahn-Touren verleidet die Trophy einem durch feine Vibrationen, die ab etwa 8.000 U/min auftreten und durch den wahnsinnigen Lärm, der durch den Fahrtwind, der über die Verkleidungsscheibe auf den oberen Teil des Helmes trifft, entsteht. Ansich bietet die Verkleidung genügend Schutz vor Wind und Wetter. Aber zumindest bei einer Körpergröße von 1,85 m gilt, je höher die Geschwindigkeit umso größer der Lärm, der dann schnell unerträglich wird. Zum Lieferprogramm von Triumph gehört eine höhere Scheibe, die einen verbesserten Windschutz bieten und damit den Krawall auf dem Hut verhindern soll. Der Verbrauch der Trophy lag auf den ca. 500 gefahrenen Kilometern bei durchschnittlich 7,2 Litern bleifreies Superbenzin pro 100 km. Da war dann aber alles dabei: von der Autobahnhatz mit 220 auf der Uhr, über die Landstraßen in der Lüneburger Heide bis hin zum Stadtverkehr. Bei dieser Gelegenheit sei noch die Tankuhr erwähnt, bei der es sich ganz offensichtlich nicht um eine der üblichen Wasseruhren handelt. Über die gesamte Skalenbreite zeigte sie ziemlich genau an, wieviel Kraftstoff sich noch im Tank befand. Um einerseits den Verbrauch zu senken und andererseits die Vibrationen bei schnellen Autobahnfahrten gar nicht erst aufkommen zu lassen, wäre es sicherlich günstiger gewesen, den sechsten Gang als echten Overdrive auszulegen. Die Trophy hat keinen Kardan, keine Einspritzanlage, keinen geregelten Drei-Wege-Kat und auch kein ABS. Den Kardan kann man sicherlich verschmerzen, da durch den Anbau eines Scottoilers die Wartung der Kette auf ein Minimum reduziert und die Lebensdauer um etliche tausend Kilometer erhöht wird. Was die fehlende Einspritzanlage und den fehlenden geregelten Kat angeht, ist der jetzt eingebaute ungeregelte Kat zumindest der erste Schritt in die richtige Richtung. Und ob der Käufer in dieser Klasse unbedingt ein ABS verlangt, wird die Zukunft zeigen.
Obwohl an der Trophy von Modelljahr ’95 auf ’96 einige Änderungen vorgenommen wurden, gilt immer noch der alte Preis von 21.815,- DM inkl. Nebenkosten. Das ist sicherlich kein Pappenstiel, wer aber auf solche Dinge wie Einspritzanlage, geregelten Kat und ABS nicht oder nur teilweise verzichten kann, muß sich bei anderen Herstellern umsehen, um dann je nach Modell 3.000,- bis 7.000,- DM mehr zu berappen. Wer das alles nicht braucht, der wird sicherlich mit der Trophy 1200 jede Menge Fahrspaß haben, den er unter Umständen woanders vermissen dürfte.