aus bma 5/11 – Fahrbericht

von Klaus Herder

Triumph Sprint GT Modell 2011Zu schwer, zu unhandlich, zu tourermäßig – so sieht es die eine Seite. Zu zugig, zu unbequem, zu sportlich – das meint die andere Fraktion. Die Triumph Sprint GT macht es einem leicht, wenn man partout nörgeln möchte. Die eher dynamischen Sporttourer-Fans trauern der Vorgängerin Sprint ST hinterher und verstehen nicht, warum Triumph ihren Liebling komfortabler (und vor allem schwerer) gemacht hat. Den auf maximalen Windschutz und eine möglichst aufrechte Sitzposition fixierten Ki­lo­­meter­­fressern gingen die Umbaumaßnahmen dagegen nicht weit genug, und für sie ist Triumphs Grand Tourismo immer noch keine Alternative zur BMW R 1200 RT oder zur Yamaha FJR 1300. Ein klassischer Fall also von „zwischen allen Stühlen sitzen“. Doch wer besagte Redewendung wörtlich nimmt, stellt fest, dass sich derjenige, der nicht AUF einem bestimmten Stuhl sitzt, jede Menge Freiraum hat, um sich DAVOR, DANEBEN, DAHINTER oder auch mal GANZ WOANDERS zu bewegen. Wer sich nicht festsetzen lässt, hat viel mehr Freiheiten – und die Sprint GT zeigt auf sehr sympathische Art und Weise, wie man diese nutzen kann.

Triumph Sprint GT Modell 2011Doch der Reihe nach, ein kleiner Exkurs in Sachen Triumph-Sporttourer ist an dieser Stelle angebracht: Den dynamischen Reiseführer-Job im Triumph-Programm erledigte ab 1999 die Sprint ST mit dem famosen, 105 PS starken 955er-Dreizylinder. Ein handliches, dabei unbeirrbar stabiles Fahrwerk mit ziemlich straff abgestimmten Federelementen passte bestens zum bärenstarken Motor, der 2002 sogar auf 120 PS zulegte. 2005 folgte mit der 125 PS starken Sprint ST 1050 ein komplett neues Modell, das die eher sportlichen Grundtugenden beibehielt, nun aber auf Wunsch auch mit ABS zu bekommen war. 2007 folgten höherer Lenker, höhere Scheibe, ein Koffersystem und eine etwas bequemere Sitzbank – die grobe Marschrichtung war damit vorgegeben. Bei der 2010 als Programmergänzung vorgestellten Sprint GT – eine Programmänderung war es nur bedingt, denn die Sprint ST blieb für einige Märkte außerhalb Deutschlands im Programm – berücksichtigte Triumph dann manches von dem, was sich viele ST-Fahrer an Detailverbesserungen gewünscht hatten. Als da zum Beispiel wären: besseres Licht, bessere Soziustauglichkeit, ein leichter zu bedienender Hauptständer, neue Spiegelhalter, größere Koffer (je 31 statt 22 Liter) und noch einiges mehr. Gänzlich unverändert blieb eigentlich nur der Alu-Brückenrahmen. Und das auch nur in seinem Hauptteil, der Heckrahmen ist komplett neu, verstärkt und aus Stahl statt Alu. Auf der Sprint ST saß der Sozius hoch, unbequem und aufgrund der abschüssigen Bank dem Fahrer immer etwas zu dicht auf der Pelle. Zudem wärmte der todschicke, aus Schwerpunkt- und Temperaturgründen aber nicht gerade optimal platzierte Underseat-Auspuff den Allerwertesten und benachbarte Bauteile über Gebühr. Niedrigerer Sitz, tiefer montierte Fußrasten, stabile Griffe und ein Auspuff, der nun dort montiert ist, wo ihn die Mehrzahl der Motorräder trägt – unterm Strich kam ein deutlich menschenfreundlicherer Mitfahrer-Platz dabei heraus.

Triumph Sprint GT Modell 2011Kehrseite der Medaille: Besonders an einer Sprint GT ohne die (serienmäßigen) Koffer ist der neue Schalldämpfer nicht gerade ein Blickfang. Und das ist schon vorsichtig formuliert. Zudem verdeckt das Ungetüm die toll gemachte Einarmschwinge und das ebenfalls bildhübsche, nun ein Kilo leichtere Gussspeichenrad. Nur gut, dass sich am herrlichen Triple-Sound durch den Auspuff-Umzug nichts geändert hat. Der Reihendreier tönt auch weiterhin wunderbar kernig-kräftig.

Stichwort Gewicht: Das Hinterrad ist nun zwar leichter, der ganze GT-Rest geriet mit vollgetankt 270 Kilogramm aber über elf Kilo schwerer als die ST. Besagter Heckrahmen, eine größere Batterie und das nun serienmäßige ABS sorgen neben einigen kleineren Details für das Mehrgewicht. Und natürlich auch die um knapp acht (!) Zentimeter verlängerte Schwinge. Diese Maßnahme beschert der GT einen Radstand von fast schon cruisermäßigen 1565 Millimetern, was die Fuhre nicht unbedingt handlicher macht. Die Schwinge ist bereits mächtig lang, der Fahrer muss sich lang machen und ordentlich über den 20-Liter-Tank spannen, um an die für Sporttourer-Verhältnisse eher tief angebrachten Lenkerhälften zu gelangen. Lange Arme sind besonders in engen Kehren und beim Wenden hilfreich. Der Fahrer sitzt recht gebeugt und mehr in als auf der Maschine und mit relativ stark angewinkelten Beinen – verständlich, dass Klapphelm tragenden Herrenreitern diese Sitzposition etwas zu heftig ausfällt, doch unbequem ist sie selbst für Menschen über einsachtzig eigentlich auch auf Dauer nicht. Etwas anstrengender sind da schon der sehr weit abstehende Handbremshebel und die recht schwergängige Kupplung. Beide Handhebel sind zwar verstellbar, was aber nichts daran ändert, dass GT-Fahrer-Hände lieber groß und zupackend sein sollten. Die Fahrer-Fußrasten und besonders der Schalthebel sind sehr weit innen angebracht, was beim Gangwechsel zum unangenehmen Eindrehen des Fußes zwingt. Das nervt zu Beginn etwas, mit etwas Übung gewöhnt man sich aber daran.

Triumph Sprint GT Modell 2011 CockpitGänzlich ohne Eingewöhnung lässt sich der mit Hilfe eines neuen Motorsteuergeräts und des besagten Auspuffs auf 130 PS gedopte Dreizylinder genießen. Der Triple faucht und knurrt, lässt sich aber ansatzlos und auf Wunsch auch schmuseweich ans Gas nehmen, um dann äußerst munter und ohne irgendeinen Hänger durchs Drehzahlband zu marschieren. Die Spitzenleistung liegt bei 9200/min an, doch bereits ab 3500 bis hinauf zur Nenndrehzahl stemmt der 1050er immer um oder über 100 Nm auf die Kurbelwelle, maximal stehen 108 Nm bei 6300/min an. Die relativ lange Übersetzung verhindert zwar überwältigende Durchzugswerte, aber auch so geht es sehr zügig und dabei mit einer unglaublichen Lässigkeit vorwärts. Im etwas hart und knochig zu schaltenden Sechsganggetriebe muss nicht übertrieben oft gerührt werden, der souveräne 1050er verschafft dem Schaltfuß lange Zeiten der Arbeitslosigkeit. Zum feinen Gaseinsatz, der guten Elastizität und der wunderbaren Drehfreude gesellt sich ein sehr moderater Verbrauch. Viel mehr als fünf Liter gönnt sich die GT nur im dauerhaften ICE-Modus, über sechs schaffen nur Gasgriff-Grobmotoriker. Unterm Strich ist und bleibt dieser herrliche Dreizylindermotor DER Grund, ausgerechnet eine Triumph und nichts anderes zu kaufen.

Triumph Sprint GT Modell 2011 KofferIn klassenüblichen 3,4 Sekunden sprintet die Sprint GT von 0 auf 100 km/h, bei 230 km/h wird abgeriegelt. Ein Tempo, das laut Triumph übrigens auch ausdrücklich mit beladenen Koffern gefahren werden darf. Die beiden Koffer sind fest miteinander gekoppelt, aber flexibel mit dem Motorrad verbunden, was alle störenden Einflüsse außen vor und die GT immer und überall mit stoischer Ruhe geradeaus laufen lässt. Die Vollverschalung bietet zwar bei hohem Tempo keine Fahrtwind-Entkoppelung, nimmt aber verwirbelungsfrei so viel Druck vom Oberkörper, dass sich hohe Geschwindigkeiten auch in der Praxis dauerhaft realisieren lassen. In Verbindung mit dem geringen Verbrauch und relativ großem Tank können damit locker Reiseschnitte gefahren werden, die mit anderen Sporttourern nur schwer zu schaffen sind.

Der deutlich verlängerte Radstand und die spürbar softer abgestimmten Federelemente bescheren der GT im direkten Vergleich mit der ST ein etwas trägeres Fahrverhalten. Wobei „träger“ nach Tourer-Dickschiff klingt; „etwas weniger dynamisch“ trifft die Sache vielleicht besser. Noch immer lässt sich die Triumph deutlich zügiger als 20 bis 40 Kilo schwerere Tourer ums Eck schwenken; im Vergleich mit 30 bis 40 Kilo leichteren Sporttourern à la Kawasaki Z 1000 SX oder Yamaha FZ1 Fazer muss der GT-Fahrer im Winkelwerk aber deutlich mehr arbeiten. Zum Einlenken braucht sie einen recht entschlossenen Lenkimpuls. Die etwas unterdämpfte Gabel vermasselt auf unebenem, engem Geläuf zwar ggf. die Kurvenstabilität, doch dafür ist die GT ein wunderbar komfortables und zielsicher zu bewegendes Bügeleisen, wenn die Kurven weiter werden. Das serienmäßige ABS ist keine Offenbarung, regelt zwar besser als bisher, aber im Vergleich mit dem Wettbewerb immer noch etwas grob. Ähnliches gilt für Dosierung und Wirksamkeit der GT-Bremse außerhalb des Regelbereichs: ordentliche Wirkung, ausreichend gute Dosierbarkeit – aber als Referenz gehen diese Standard-Stopper nicht durch.

Triumph Sprint GT Modell 2011Neben vielen clever gedachten und gemachten Details (sehr gutes Licht, praxisgerechte Spiegel, komplette In­strumentierung, Staufach in der rech­ten Verkleidungsseite) gibt es ein paar Details, die man am besten unter „typisch britisch“ abhakt. Es ist zum Beispiel ganz toll, dass das Display im Cockpit Informationen über den Verbrauch, die Reichweite, die Reisedauer, die Uhrzeit und die Durchschnittsgeschwindigkeit liefert, doch warum der Anzeigen-Wechsel nicht am Lenker, sondern nur durch den Griff ins Cockpit vorgenommen werden kann, muss man nicht verstehen. Die Windschutzscheibe lässt sich ebenso wenig wie Lenker, Sitzhöhe oder gar Rasten verstellen; und das besagte Staufach in der rechten Innenverkleidung kann nur mit Hilfe des Zündschlüssels geöffnet werden – mit Handschuhen eine ganz tolle Nummer an der Maut-Zahlstelle.

Der geneigte Leser hat es vermutlich schon gemerkt: Das kleinkarierte Herumnörgeln an solchen Details lässt vermuten, dass die in Blau oder Silber lieferbare und 13190 Euro teure Sprint GT ansonsten ein rundherum gelungenes und vor allem sehr eigenständiges Motorrad ist. Wer richtig nörgeln will, wird zwar auch bedient, wie die einleitenden Worte vielleicht deutlich gemacht haben. Freigeister und Motorradfahrer, denen das Schubladen-Klassifizieren zuwider ist, bekommen mit der Sprint GT aber ein überaus sportliches, erfreulich langstreckentaugliches, durchaus bequemes, erstaunlich sparsames, bemerkenswert gut verarbeitetes Motorrad, mit dem sich eigentlich alles erledigen lässt, was das Motorradfahrerleben auf Asphalt zu bieten hat. Und sie bekommen vor allem diesen wunderbaren Dreizylindermotor. Die Sprint GT sitzt – besser „fährt“ – wirklich zwischen allen Stühlen. Und das ist gut so!