aus bma 10/10

von Marcus Lacroix

Triumph Bonneville SE Modell 2010 mit ZahnriemenIm letzten bma präsentierten wir Euch die Royal Enfield Bullet 500, ein Oldtimer, der dank Einspritzung die Euro 3 Hürde und damit den Sprung in die Gegenwart geschafft hat. Das kleine Bike hat mit seiner urigen Art viel Spaß gebracht. Manch einem bzw. einer ging die Liebe zum Alteisen dann aber doch zu weit und so zeigen wir Euch hier eine zeitgemäße Alternative.

Triumph Vertragshändler Harms & Herrmann aus Wilhelmshaven überließ uns eine aktuelle Triumph Bonneville SE zum Testen, die nachträglich mit einem Zahnriemenantrieb von VH-Motorradtechnik aus Oldenburg ausgerüstet wurde.

Die Firma Triumph war bekanntlich schon mal mausetot und wurde 1983 beerdigt. 1990 wagte der Unternehmer John Bloor den Neuanfang und stampfte das Werk in Hinckley aus der grünen Wiese. Der Rest ist inzwischen eine eigene (Erfolgs-) Geschichte. Neben den modernen und eher sportlichen Maschinen baut Triumph auch eine Reihe von bildschönen Retro-Klassikern, die ihren ganz eigenen Reiz ausstrahlen.

Triumph-Bonneville-2010_Zahnriemen_2Die hier gezeigte Triumph Bonneville SE verfügt über einen 2-Zylinder Paralleltwin – d.h. beide Kolben bewegen sich gleichzeitig auf und ab – mit einem Hubraum von 865 ccm. Gesunde 67 Pferdestärken setzt der Motor bei 7.500 U/min frei. Das Teil macht natürlich deutlich mehr Druck, als die kleine 500er Enfield mit ihren 28 Ponys. Zwar wiegt die Triumph mit 225 Kilogramm nicht wenig, die 38 Kilo Unterschied zur Enfield fallen im Fahrbetrieb aber nicht sonderlich negativ auf. Einzig das Rangieren geht bei der handlichen Inderin spürbar leichter von der Hand. Der breite Triumph-Lenker liegt gut gekröpft in der Hand, die Sitzposition ist klassisch aufrecht, die Fußrasten liegen aber weiter hinten als bei der Enfield. Auf schlechteren Strecken kann man dadurch den Hintern besser aus dem Sattel drücken, auf längeren Autobahnetappen nimmt man die Füße aber trotzdem gerne noch ein Stückchen weiter zurück auf die Soziusrasten. Ist der Platz belegt, sitzt der Passagier durch tief angebrachte Rastenausleger recht komfortabel. Ein fehlender Haltebügel am Heck intensiviert den Kontakt zum Fahrer – wie in den 70ern und genau so wie Mann es gerne hat. Der Riemen auf der Sitzbank hat eher eine TÜV-Alibifunktion. Wer das nicht mag, findet im umfangreichen Triumph-Zubehörangebot neben diversen praktischen oder auch einfach nur hübschen Accessoires eine verchromte Ge­päck­brücke mit Haltegriff für den Mitfahrer.

 

Triumph Bonneville SE Modell 2010 mit ZahnriemenDer Zündschlüssel findet seinen Platz etwas unpraktisch links im Lampengehäuse – etwaiges „Schlüsselanhänger-Gebamsel” nimmt man besser ab, damit es nicht nervig im Fahrtwind flattert. Gestartet wird die Bonnie des Jahrgangs 2010 ausschließlich über einen E-Starter. Sinn macht das Kickstarten bei der zuverlässigen Technik heutzutage ja eh nicht mehr, aber authentischer ist es schon. Sei’s drum, das Triebwerk läuft und die optisch als Vergaser getarnte Einspritzanlage sorgt für einen absolut problemlosen Kaltstart. Die Lebensäußerungen entsprechen ebenfalls dem Jahrgang 2010 und fallen angenehm aber dezent aus.

Kupplung gezogen, ersten von fünf Gängen rein und ab geht’s. Die Bonneville macht schon auf den ersten Metern klar, dass sie kein Oldtimer ist. Was sich hier locker und leicht durch die Stadt zirkeln lässt, ist ein modernes Motorrad mit moderner Technik, auch wenn das auf den ersten Blick – beabsichtigter Weise – anders wirkt. Die Federelemente arbeiten wie man es erwartet, der Motor hängt kräftig am Gas, die Bremsanlage gibt keinen Anlass zur Kritik und auch sonst ist alles Klasse. Flotte Landstraßenfahrt ist ein Genuss, ggf. notwendige Autobahnetappen verbreiten keinen Schrecken. Ein feines Motorrad für jeden Tag. Richtig wartungsfreundlich wird die eigentlich kettengetriebene Triumph durch den Zahnriemenantrieb von Hans Helms. Mit rund 1400 Euro inkl. Einbau und TÜV reißt der zwar ein erhebliches Loch in die Spritkasse, dafür kann man sich aber an einem immer sauberen Hinterrad erfreuen, braucht sich nie mehr um’s Kettespannen zu kümmern und ferkelt die Umwelt nicht mit Kettenfett voll. Von den langfristigen Unterhaltskosten her ist so ein Riemen zwar nicht billiger, falls jemand darauf spekuliert, dafür aber deutlich nervenschonender. Außerdem bewegen wir uns hier im Verschleiß-Bereich von mehr als 50.000 Kilometern, die viele Motorradfahrer heute ja eh nicht mehr auf ein und demselben Bike ab­spulen. Und bei einem Weiterverkauf ist so ein Zahnriemen auch nicht wertlos. Der Zahnriemen-Umbau ist außer für die Triumph Modelle Bonneville, Speedmaster, America, Scrambler und Thruxton auch für verschiedene andere Marken erhältlich. Infos gibt es bei VH-Motorradtechnik auf der Website www.vh-motorradtechnik.de.

Triumph Bonneville SE Modell 2010 mit ZahnriemenDer geneigte Leser mag eingangs des letzten Absatzes einen leicht enttäuschten Unterton herausgehört haben und da muss ich ihm leider Recht geben. Es ist für einen Klassik-Fan wirklich nicht einfach die Triumph Bonneville richtig einzuordnen, wenn man im Vormonat so ein anachronistisches Alteisen wie die Enfield Bullet fahren durfte. Irgendwie habe ich erwartet, dass die Bonnie sich „älter“ anfühlt – so wie sie ja auch aussieht. Optisch liegt die Triumph voll in meinem Beuteschema. Und im Alltag ist sie sicher die praktischere und ausgewogenere Maschine. Aber könnte sie nicht ein bisschen weniger perfekt sein, Herr Bloor? Außer an dem Zündschloss gibt es nichts, wo man ernsthaft dran herumkritteln könnte. Natürlich sucht man sich sein Motorrad nicht nach Schwachpunkten sondern nach Stärken aus, letztendlich sind es aber oft die kleinen Unzulänglichkeiten, die eine beliebige Sache zu etwas persönlichem werden lassen.

Sei’s drum, das Fazit ist glasklar. Wenn ich mir nur ein Motorrad leisten könnte, würde ich sicherlich zur Triumph greifen. Tolle Optik, einwandfreie Funktion, zuverlässige Technik, viel Fahrspaß und mit knapp 9000 Euro zwar kein Sonderangebot aber noch zu stemmen. Dazu mit der Triumph-Community eine begeisterte Fangemeinde und das gute Gefühl, halt doch ein wenig neben dem Mainstream zu liegen. Schwierig wäre bei den Triumph Retroklassikern für mich nur die Wahl zwischen Bonneville, Thruxton (Cafè-Racer) und Scrambler.

Hätte ich Platz für ein paar mehr Motorräder, würde ich mir aber trotzdem noch eine Bullet daneben stellen, denn die ist mit ihren unperfekten Art einfach authentischer. Unsere Setzerin hingegen greift direkt zur Triumph – gut das die Geschmäcker verschieden sind.

Wer sich die Triumph Bonneville mit Zahnriemen live anschauen bzw. Probefahren möchte, erreicht die Firma Harms & Herrmann unter Telefon 04421/202999. Eine Übersicht über die Triumph-Vertragshändler findet sich im Internet unter www.triumph-deutschland.de.