aus Kradblatt 10/14 von Rolf Steil

Organisierte Reise auf Royal Enfield

Himalaya-5Motorradfahren im Himalaya… auf einem indischen Motorrad mit Straßenbereifung… 2100 Kilometer mit Pässen über 5300 Meter Höhe – klingt wohl etwas verrückt. Geht aber alles, wenn ein guter Mechaniker dabei ist…

So die Kurzfassung meiner Reise über drei Wochen im Juli. Da ich das nicht selbst planen oder allein fahren wollte, fand ich dafür den passenden Veranstalter Wheel of India. Kurz zur Entstehung der Firma: 2001 arbeitete Günter Schiele (schon damals wohl äußerst motorradbegeistert…) in Indien und bereiste anschließend das Land. 2003 gründete er mit dem indischen Partner Abdul Ahad Khan das Reisebüro Wheel of India. Seit über 10 Jahren werden begleitete Reisen in ganz Indien mit unterschiedlichen Anforderungen für die Fahrer angeboten.

Frei nach dem Motto: „Träume leben statt verschieben“ lag die „Große Ladakh-Kaschmir-Reise“ vor mir. Die Reisehinweise wirkten merkwürdigerweise eher verlockend: „sehr schwierig / wenig Asphalt / viel Geröll / Schlamm / Sand / Flussdurchfahrten“ u.s.w. Den Ausschlag gab eine Werbe-DVD, auf der ich sogar eine Sozia auf einem der Motorräder entdeckte. Die Zusicherung des Veranstalters, bei den hohen und oben nicht asphaltieren Pässen ins Begleitfahrzeug umsteigen zu können, verführte dann auch meine Frau als Sozia mitzufahren.

Nach der Landung in Delhi waren wir in einer anderen Welt. Wir wurden abgeholt und als Gruppe von 9 Teilnehmern per Auto 250 Kilometer nach Norden bis Chandigarh gebracht. Angesichts des Verkehrs in Delhi war das keine falsche Lösung. Dann aber kommen endlich die Mopeds: Royal Enfield Bullet Machismo – das sagt bereits fast alles. Einzylinder-Langhuber 500 ccm mit ca. 23 PS und Kickstarter, aber immerhin Bremspedal rechts und Schaltung links, wie bei uns.

HimalayaNach dem Losfahren fühlte man sich manchmal auf der falschen Straßenseite (oder fuhr so), das gab sich aber im Linksverkehr bald. Ab jetzt geht es immer nach Norden in Richtung Himalaya, erfreulicherweise langsam ansteigend und mit mehreren Tagesetappen ausreichend Zeit für den Körper zur Gewöhnung an die Höhe der Pässe. Noch ist alles „easy“. Asphaltierte Straßen und schöne langgezogene Kurven. Dann die erste Panne: gleich an der Enfield unseres Guides Abdul. Wir stehen im leichten Monsunregen und schauen der Bewährungsprobe unseres Mechanikers Maxud zu: In weniger als 10 Minuten wechselt er das Plattfuß-Hinterrad und schon fahren wir weiter nach Shimla auf 2200 Meter Höhe.

Tagesetappen von 115 bis 200 Kilometer klingen nach Kaffeefahrt, sind es aber nicht: In der Gruppe fährt man sowieso langsamer oder wegen einer Baustelle ein Stück über den Acker oder eine aufgerissene Straße.
Nach schönem Mittelgebirgsfeeling wird es am 5. Motorradtag ernst: wir nähern uns dem ersten „richtigen“ Pass. Der Rohtang hat zwar „nur“ 3978 Meter, ist aber eine Barriere für den vom Süden kommenden Monsun und das hat Folgen: Nebel, Regen, Schneefall und oben am Pass knöcheltiefer Matsch über längere Strecken (schöne Videos gibt’s bei YouTube…!) Vor dem Pass machen wir eine Teepause und meine bessere Hälfte zieht das Begleitfahrzeug meinen Fahrkünsten vor – sehr vorausschauend. Oben dann tatsächlich der erwartete Schlamm; im ersten Gang und ohne Kupplung sucht man die richtige Spur, möglichst ohne stecken zu bleiben. Mehr oder weniger gelingt es uns allen.

HimalayaDie Gruppe besteht aus erfahrenen Enduristen, aber auch Neulingen wie Hans Peter, der sonst im Taunus mit Vergnügen seine Harley Sportster bewegt. Linksverkehr, keine seitliche Befestigung der Pässe nach unten und LKWs im Gegenverkehr fördern den Adrenalinschub. Motorrad und Fahrer bestehen die Generalprobe. In den nächsten Tagen folgt Pass auf Pass; Glücksgefühle und der Respekt vor den fahrerischen Herausforderungen wechseln sich ab.
Ein Wort zur Geographie: Im Nordosten liegt die Grenze zu China und im Nordwesten die zu Pakistan. Es gibt Streitigkeiten entlang der politisch vereinbarten „Fireline“, daher ist das Militär stark vertreten und die Pässe werden vier Monate im Jahr offen gehalten. Im Sommer wälzen sich normale Pkw, Busse und vor allem voll beladene Lastwagen darüber, auf den oberen Abschnitten mit den angekündigten Wasserdurchfahrten, Geröll und Schotter. Man gewöhnt sich daran und sammelt Erfahrung.

Zurück zur Route: hinter Keylong der Barachla-Pass mit 5029 Metern. Erfreulicherweise ist der Körper an die Höhe ein Stück gewöhnt und ein Motorradfahrer geht ja nicht so viel zu Fuß. Abends schraubt unser Super-Mechaniker Maxud an jedem Moped und stellt die Vergaser für die Höhe nach. In einem Zeltcamp in Sarchu auf 4250 Meter Höhe erhält jeder eine Wärmflasche; auf das gute Kingfi­sher-Bier verzichten wir bei wenig über Null Grad freiwillig – aber nur vorübergehend.

HimalayaAm nächsten Tag die längste Etappe bis Leh mit 260 Kilometern und die Pässe Lachalung-La (5065 Meter) und Taglang-La (5330 Meter). In Leh dann der Abstecher zum „höchsten befahrbaren Pass der Welt“, dem Khardung-La. Über 5600 Meter in den älteren Karten, seit GPS-Zeiten „nur noch“ 5358 Meter hoch. Man fährt durch riesige Landschaften. Dann noch ein Ausflug zum herrlichen Pagong Lake, wo mitten hindurch die Grenze zu China liegt.
Zurück in Leh konnten wir dann mit Thikse und Hemis zwei bedeutende buddhistische Klöster besuchen. Am frühen Morgen eine religiöse Zeremonie, bei der wir wegen der frischen Temperaturen sogar den angebotenen Buttertee schluckten – Kingfisher war nicht im Angebot.
Nun ging die Reise nach Westen in Richtung Srinagar. Die Bevölkerung in Kaschmir ist überwiegend muslimisch, auch im Straßenbild an den Kopftüchern der Frauen zu erkennen.

Der letzte Pass hat es nochmal in sich: Der Soji-La besteht im Untergrund aus weichem Sand und ist bei Nässe wie eine Rutschbahn; wir hatten Glück, denn es war trocken. In Srinagar dann das Ende der Motorradtour – mit leichtem Wehmut ließen wir die Mopeds stehen und erholten uns im Kulturprogramm: Kingfisher auf dem Hausboot, Taj Mahal (falls jemand noch Anregungen für das passende Mausoleum sucht…) und das Rote Fort in Agra. Gesamteindruck der Reise: empfehlenswert und exotisch…

Kartenempfehlung: India North von Nelles Map 1:1.500.000
Die Geschichte von Royal Enfield, dem ältesten noch gebauten Motorrad weltweit: www.royalenfield-deutschland.deland.de.
Infos zu dieser und weiteren Reisen nach Indien: www.wheelofindia.de oder per Telefon: 05193 / 519191

 

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