aus bma 6/13
von Klaus Herder

Die Eier legende Wollmilchsau – Erfahrungen mit der Suzuki DL 650 V-Strom
 
Suzuki-C1500T frontDie demografische Entwicklung macht auch vor den härtesten der harten Jungs nicht Halt. Die ganz bösen unter den vermeintlich bösen Buben fahren heutzutage nicht mehr Chopper. Wer als gestandener MC-Vorsitzender tatsächlich noch auf den eigenen zwei Rädern zum Treffen rollt, will mittlerweile keine Langgabler-Härte mehr ertragen müssen und weiß dafür den Komfort eines „Dressers“ zu schätzen: Koffer, Verkleidung, bequemer Fahrersitz, Trittbretter, Schaltwippe und großer Tank – man ist ja schließlich nicht mehr der Jüngste. Und außerdem haben die Amis mit ihrem „Bagger Style“, also dem Customizing von Tourern, vorgemacht, dass mit ein paar Kunstgriffen aus vermeintlich spießigen Dickschiffen ziemlich coole Untersätze werden können.

Suzuki C 1500 T Das Präsi-Gerät schlechthin ist seit geraumer Zeit die Street Glide von Harley-Davidson. Am besten in Schwarz. Mattschwarz! Ein ganz wunderbares Schätzchen mit korrektem Hubraum (1690 cm³), ordentlich Druck aus dem Drehzahlkeller (134 Nm bei 3500/min) und sogar einer serienmäßigen Bordbeschallung via Audio-System. Leider aber auch mit einem ganz gravierenden Nachteil: Unter 23 Mille geht beim Original gar nichts. Zugegeben: Das Ami-Eisen hat einen phänomenalen Werterhalt – laut Marktbeobachter EurotaxSchwacke („Schwacke-Liste“) sogar den besten unter allen zweijährigen Motorrädern – doch so viel Holz muss als Anfangsinvestition erst einmal gestemmt werden. Unabhängig davon kann es ja noch weitere Gründe geben, die so manchen MC-Präsi vom Street Glide-Kauf abhalten. Zum Beispiel eine ausgeprägte Harley-Allergie.

Suzuki C 1500 T CockpitIn solchen Fällen lohnt sich mal wieder der Blick zu unseren japanischen Freunden. Die kommen nämlich so langsam (und natürlich in erster Linie mit Blick auf den US-Markt) auch auf den Trichter, dass sich aus biederen Kilometerfressern mit überschaubarem Aufwand angesagte Hingucker machen lassen. Kawasaki legte mit der VN 1700 Voyager Custom bereits 2011 vor: 1700 Kubik und 136 Nm bei nur 2750/min für rund 18000 Euro – das war und ist immer noch ein Wort. Honda widmete sich jüngst der Gold Wing und machte daraus die schwer gepimpte Gold Wing F6B, deren sechs Zylinder, 167 Nm und immer noch knapp 400 Kilo aber auch ihren Preis haben: 24590 Euro – immerhin sieben Mille weniger als für eine Gold Wing im vollen Ornat. Bleiben noch zwei weitere Fernost-Anbieter: Yamaha hat zwar einen 1900er Cruiser im Angebot, trifft damit das Bagger-Thema aber nicht wirklich. Und Suzuki? Volltreffer, womit wir endlich beim Objekt dieses Fahrberichts wären: der C 1500 T. Die soll die Lücke im hauseigenen Cruiser-Angebot schließen und passt prima zwischen C 800 und M 1800. Und sie ist mit 13590 Euro zwar kein Mega-Schnapper, im Vergleich mit den Wettbewerbern aber preislich durchaus attraktiv.

Suzuki C 1500 T Die mit 363 Kilogramm Leergewicht ziemlich fette Suzi ist in Anlehnung an einen legendäre Henry Ford-Ausspruch in jeder Farbe zu bekommen, vorausgesetzt es handelt sich dabei um Schwarz. Etwas Chrom an der Lampe und den Zylinderköpfen des V-Zweizylinders – mehr Glanz gibt’s nicht, alles andere ist tiefschwarz pulverbeschichtet, was die imposante Erscheinung des bereits im Stand sehr kraftvoll wirkenden Flacheisens noch mehr betont. Für Vortrieb sorgt ein alter Bekannter: der wassergekühlte, exakt 1462 cm² große und seine Zylinder im 54-Grad-Winkel spreizende Vauzwo-Langhuber (Bohrung x Hub 96 x 101 mm), der auch schon die M 1500 Intruder befeuerte. Ihr erinnert euch vielleicht: Das war die „kleine“ Schwester der heute immer noch im Suzuki-Programm zu findenden M 1800. Über die 1500er orakelten wir im Fahrbericht im bma 4/2010 „Sie ist möglicherweise jetzt schon ein Auslaufmodell…“, und genau so kam es denn auch. Zwar konnte die M 1500 unter fahrdynamischen Aspekten praktisch alles besser als die 3000 Euro teurere M 1800, aber in Sachen „Dicke-Hose-Wertung“ hatte die Lütte keine Chance. Sie hielt sich nur 2009 und 2010 im offiziellen Suzuki-Programm, dann war schon wieder Schluss.

Suzuki C 1500 T Nun also der zweite Versuch in neuer, deutlich gefälligerer Verpackung. Der Vierventilmotor samt Auspuff, das leicht zu schaltende Fünfganggetriebe, der Stahlrohr-Doppelschleifen und auch der unauffällige Kardanantrieb stammen von der M 1500. Um die Kraftstoffversorgung kümmert sich die von einer modernen 32-Bit-Steuerung geregelte Einspritzanlage, das Suzuki-typische System doppelter Drosselklappen ist ebenfalls an Bord. Auf dem Papier stehen 79 PS bei sehr moderaten 4800/min und ordentliche 131 Nm bei noch moderateren 2600/min. Also der ganz große Bums aus dem ganz tiefen Keller? Klare Antwort: jein. Mit fettem Sound nimmt der Motor die Arbeit auf, das klingt wirklich gut. Die mit einem Rückdrehmoment-Begrenzer (tolles Wort!) bestückte Kupplung lässt sich spielend leicht bedienen, beim Schalten dringt kein noch so zartes „Klonk“ an des Fahrers Ohr – besser geht’s kaum. Der saubequem hinterm breiten Lenker thronende Dampferkapitän lässt die Kurbelwelle eher untertourig rotieren, freut sich ob des immer noch kernigen Sounds, kuppelt ein und erlebt dann das ganz große, das absolut einmalige und in Anbetracht des Hubraums zu erwartende – Nichts. Naja, nicht ganz nichts, aber doch ziemlich wenig.
Wenn dieser Motor eins nicht mag, ist es eine extrem bummelige, sehr untertourige Gangart. Der zwar spürbar, aber für so viel Hubraum erstaunlich vibrationsarm laufende Vierventiler mag und braucht ein paar Drehzahlen. Keine Drehzahlorgien, aber um gegen die zu lange Übersetzung anstinken zu können, muss schon etwas öfter im Getriebe gerührt werde. In engen Kehren oder beim Überholen auf der Landstraße zum Beispiel. Jenseits der Drehzahlmitte, also immer noch bei moderaten, mangels Drehzahlmesser nur zu schätzenden Drehzahlen, geht die Post aber ordentlich ab. Natürlich ist eine Kombination aus 79 PS, die auf eine halbe Tonne Kampfgewicht treffen, nicht unbedingt eine Offenbarung in Sachen Leistungsgewicht, aber in der Cruiser-Liga gehört die C 1500 T eindeutig zu den dynamischeren Spielerinnen.

Suzuki C 1500 T HeckUnd dabei hilft ihr eine in diesem Zusammenhang doch sehr überraschende Eigenschaft: ihre phänomenale Handlichkeit. Fahrwerk und Federelemente sind bestens aufeinander abgestimmt, die Trittbretter sind vergleichsweise hoch montiert, und das alles sorgt dafür, dass man mit der dicken Tante ziemlich zügig unterwegs sein kann. Pottebener Belag und lange, schnelle Kurven; Schlaglöcher und Bodenwellen im winkligsten Winkelwerk – die Suzuki nimmt alles, wie es kommt und bleibt immer sauber auf Kurs. Da schaukelt und rührt nichts, der niedrige Schwerpunkt und der breite Lenker sowie die durchaus vorhandene Schräglagenfreiheit sind beste Voraussetzungen dafür, dass man mit der C 1500 T auch in flotten Wechselkurven viel Spaß haben kann. Die Bridgestone-Gummis (130/80 R 17 und 200/60 R 16) beherrschen bes­tens den Spagat zwischen „wichtig aussehen“ und „unauffällig mitspielen“, und so gibt es eigentlich nur einen Punkt, der dem zügigen Cruiser-Glück etwas im Wege steht: die Bremsanlage. Simple Doppelkolbensättel an Soloscheiben sind wirklich nicht das, was man 2013 an einer über 13000 Euro teuren Maschine erwarten darf. ABS ist auch für Geld und gute Worte nicht lieferbar, und der Begriff „Kombibremse“ ist für die Suzi ebenfalls ein Fremdwort. Erschwerend kommt hinzu, dass für die Bedienung des vorderen Stoppers ein Schraubstock hilfreich ist. Sollte dieses Werkzeug zufällig an Bord sein, lässt sich die Vorderradbremse tatsächlich einigermaßen gut dosierbar bedienen – immerhin. Berauschende Wirkung sollte man allerdings nicht erwarten. Die einen Hauch wirksamere Hinterradbremse benimmt sich dafür zickiger, ihre Dosierung verlangt nach etwas längerer Eingewöhnung. Nach einem langen Pedal-Leerweg folgt ein recht kurzer Pedal-Wirkungsweg. Behutsame Korrekturbremsungen – etwa vor Kehren – werden damit zur echten Herausforderung.

Suzuki C 1500 T KofferAn der Stopper-Front herrscht also Nachholbedarf.  Oder auch nicht, wenn man sich den Suzuki-Standpunkt zu Eigen macht, nach dem die C 1500 T vorrangig für den nordamerikanischen Markt gemacht ist – die heizen halt nicht so wie wir und bremsen auch anders und weniger. Wer Experimente mit schärferen Belägen gemacht hat, darf sich gerne melden. Zum US-Feeling passt auch der nicht verstellbare, bis 120 km/h aber einen prima Windschutz bietende Windschild. Und dazu passt auch, dass an der C 1500 T fast alles im XXL-Format gestaltet ist: XXL-Lenker, ein XXL-Tank, der die Beine breit spreizt, und auch die breiten XXL-Trittbretter. Die serienmäßigen, erfreulicherweise mit einen Einschlüsselsystem zu bedienenden Hartschalenkoffer sind allerdings nicht XXL, bestenfalls L, also pro Stück rund 25 Liter fassend. Das ganz große Urlaubsgepäck muss damit zwar teilweise ausgelagert werden, aber der kleine Bieranzug fürs nächste MC-Treffen passt samt Getränke-Notvorrat allemal rein.

Es bleibt zu hoffen, dass der C 1500 T das Schicksal der M 1500 erspart bleibt. Sie hat es verdient, länger am Markt zu bleiben, denn der gelungene Mix aus amtlichem Auftritt, bequemem Arbeitsplatz und fahrdynamischem Talent passt prima in die Zeit. 350 Exemplare sind erst einmal für Deutschland bestellt. So viele gestandene, vielleicht nicht mehr ganz so junge Männer in führender (Präsi-) Funktion sollten sich doch finden lassen, die als Schwarzfahrer zukünftig auf Suzuki unterwegs sein wollen.