aus bma 10/01

von Ulf Teschke

Im Oktober eine Rundreise mit dem Motorrad zu starten, birgt einige Risiken. Zunächst ging es über Sassnitz auf Rügen nach Bornholm, der Ferieninsel inmitten der Ostsee, die zu Dänemark gehört. Geschlagene vier Stunden brauchte die Fähre. Die Saison war vorbei, wie ich das erste und nicht letzte Mal auf dieser Reise feststellte: gähnende Leere an Bord. Insofern war auch keine Reservierung nötig.
Bornholm empfing mich mit strahlendem Sonnenschein. Es war wie im Sommer – nein schöner, denn die Bäume zeigten sich in wunderbarer Farbenpracht, schöner könnte man sie nicht zeichnen. Sogleich fuhr ich Richtung Süden, wo die schönsten Strände sein sollen. Die Zeltplätze waren alle schon geschlossen, doch eine Jugendherberge bewirtschaftete einen riesigen Platz mit, auf dem ich mein Zelt aufbauen konnte. Ein wunderschöner Blick zum Meer entschädigte für den windanfälligen Platz. Zum Glück regte sich kein Lüftchen. Wie so oft in dieser Jahreszeit war ich der einzige Zeltreisende – nicht nur auf diesem Zeltplatz, sondern scheinbar auf der ganzen Insel.

 

Eine Strandwanderung erschien mir wie Sommerurlaub. Der Sand war fast weiß, ganz weich und besonders feinkörnig. Früher war er der Hauptexportartikel der Insel, wurde er doch in fast alle gängigen Eieruhren der Welt gefüllt. Bei einer Inselumrundung führte mich mein Weg auch durch Nexö – oder wie es nun offiziell heißt Neksö – und gegen Abend erreichte ich die mächtige Burg Hammerhus – eine alte gewaltige Festung am Nordkap der Insel. Leider stehen nur noch Ruinen, aber diese lassen den ehemaligen Stolz der Burg erahnen.
Am nächsten Morgen war alles in dichten Nebel gehüllt. Ich verbrachte den Vormittag mit Wartungsarbeiten und hoffte auf Wetterbesserung. Der Nebel wurde dünner, doch nicht die Sonne kam zum Vorschein, sondern wie aus heiterem Himmel Regen. Hektisch verpackte ich die Ausrüstung und fuhr zum Hafen. Ein hochmoderner Katamaran – komplett aus Aluminium – sollte mich in einer Stunde nach Ystad in Schweden bringen. Ich wählte diese Überfahrt, um noch im Hellen das Festland zu erreichen; das normale Schiff sollte 2,5 Stunden brauchen. Doch der höhere Preis lohnte sich nicht, denn es lag ein nur auf schwedisch kundgetaner Defekt vor, so dass sich die Abfahrt um 1,5 Stunden verzögerte. Dann raste der Kat mit gewaltiger Geschwindigkeit durch bzw. fast über das Wasser. Dennoch war es bei der Ankunft in Ystad stockdunkel. Nebel erschwerte die Orientierung zusätzlich.
Ich kämpfte mich zum Zeltplatz vor, musste aber leider feststellen, dass er schon geschlossen war. Auch die Jugendherberge nahm mich nicht auf, da sie ebenfalls die Saison schon beendet hatte. Also entschied ich mich, auf dem schon geschlossenen Zeltplatz zu übernachten. Der nicht versperrte Gehweg zum Platz bot Raum für ein Motorrad. Etwas gruselig war es schon, im Dunkeln, alleine auf so einem riesigen Platz. Ständig kullerten und purzelten Eicheln von den Bäumen, ununterbrochen knackte und raschelte es. Doch ich gewöhnte mich daran und baute das Zelt weit ab der fallenden Früchte auf.
Leider war es wieder sehr neblig am nächsten Morgen. Ein Teil der Ausrüstung war schon extrem nass. Nichts trocknete mehr. Insbesondere der Geruch des Handtuches ließ auf baldige Änderung dieses Zustandes hoffen.
Ich machte mich auf den Weg nach Norden, der durch den Indian Summer Schwedens führte. Ab und zu blinzelte nun auch die Sonne durch die bunten Blätter, so dass die Szenerie oft wie gemalt erschien. Der Verkehr erforderte viel Aufmerksamkeit, aber ich nahm mir Zeit, öfters kurz innezuhalten.
Am frühen Nachmittag erreichte ich Kalmar. Hier verbindet die ehemals längste Brücke Europas die Insel Øland mit dem Festland (6 km). Ich fuhr hinüber und baute das Zelt als einziger Gast auf einem riesigen Ferienzeltplatz auf. Es wurden gerade einige Wartungsarbeiten durchgeführt, so dass der Platz noch nicht offiziell geschlossen war.
Wieder erkundete ich die Insel. Eine Umrundung war bei der Insellänge von 137 km allerdings nicht mehr zu schaffen. Kalmar – mit seinem wunderschönen Dom, Hafen und einem berühmten Wasserturm besichtigte ich am Abend. Die Bibliothek bietet Internetzugang und so konnten fern der Heimat sogar ein paar E-Mails versendet werden. Im Dunkeln und bei wieder aufziehendem Nebel hatte ich später Schwierigkeiten, das Zelt wiederzufinden. Die Lampen des Sanitärhäuschens stellten nur eine grobe Orientierung dar.
Am nächsten Tag stand bereits die Heimreise auf dem Programm. Doch der Weg nach Hamburg war weit (850 km). Er führte mich zunächst auf kleinen, kaum befahrenen Straßen an den zahlreichen Seen Südschwedens vorbei. Und wieder ließ sich die Sonne blicken, auch die Temperatur von 16 Grad stimmte – Motorradherz was willst Du mehr?Gegen 16 Uhr erreichte ich Malmö, wo das Leben in den Einkaufspassagen pulsierte. Die Fähre nach Travemüde lag abfahrbereit im Hafen. Einen Augenblick überlegte ich, einfach mitzufahren, aber ich wollte die neue Landverbindung nach Jütland testen und so machte ich mich per Reifen auf den Weg nach Kopenhagen. Nach Entrichtung der Maut fuhr ich hoch über dem Meer Richtung Westen. Majestätisch schwingt sich die Autobahn über die Meerenge. Auf halbem Weg erreicht man eine künstliche Insel, um in einen Tunnel zu gelangen, denn die restliche Strecke muss unter Tage zurückgelegt werden. Parallel dazu verlaufen zwei Eisenbahngleise. Nach noch nicht einmal einer Stunde war ich in der City von Kopenhagen; auch hier pulsierte das Leben. Weiter ging es Richtung Osten, bis wiederum die gigantischen Pfeiler der Hängebrücke über den kleinen Belt in den Abendhimmel ragten. Hier verkehrt die Eisenbahn teilweise unter Tage und nur der Autoverkehr verläuft über dem Wasser.
Nachdem nun das Festland fast erreicht war, war nur noch die nun relativ klein erscheinende Brücke bei Fredericia zu nehmen, bevor es dann schnurstracks nach Süden Richtung Hamburg gehen konnte. Hinter Flensburg begann der obligatorische Regen, aber kurz vor dem Ziel war auch dies kein Hindernis mehr. Kurz vor 23 Uhr waren die heimatlichen Gefilde erreicht. Und am nächsten Morgen war mein Handtuch – dank Waschmaschine – auch endlich geruchlich wieder erträglich.
Als Fazit bleibt: Schweden ist auf dem Landweg ohne Probleme in sechs Stunden zu erreichen, das hat doch was, oder?