aus bma 9/13
von Jörg „Jogi“ van Senden (www.penta-media.de)
Foto 1: www.milchrice.com Foto 2: Timm Stemmann
Interview mit Julien Pohl
Wirklich fähige Stuntfahrer sind rar. Es gibt nicht viele die es bis in die Profi-Liga schaffen und die in der Lage sind ihre Motivation und Ausdauer für den langen Weg bis dahin aufrecht zu erhalten. Sie zeigen uns, was mit dem Motorrad möglich ist, aber auch was wir besser nicht versuchen sollten nachzumachen. Dabei steht besonders der Wunsch im Vordergrund neue Tricks und Stunts zu zeigen, die vorher noch keiner gewagt hat. Abgesehen von der körperlichen Fitness und den nötigen finanziellen Mitteln für das Material, benötigt man zusätzlich eine gehörige Portion Kreativität und Talent. Wir sind auf eines dieser jungen Talente aufmerksam geworden. Julien Pohl war so freundlich uns in einem Interview von sich und seiner Geschichte zu erzählen.
JvS:
Magst du dich einmal kurz vorstellen?
Julien:
Ich bin Julien Pohl, 22 Jahre alt und studiere Digital Film und VFX im zweiten Semester in Hamburg. Stuntriding würde ich nicht als meinen Beruf bezeichnen. Ich verdiene damit zwar einen guten Teil meines Lebensunterhaltes, zum Leben reicht das aber leider nicht. Um alle meine Kosten zu decken, arbeite ich außerdem als Video Editor. Ein anderer Name für den Job ist „Cutter“. Ich lebe gerne in den Tag hinein, aber am liebsten sitze ich auf meinem Motorrad.
JvS:
Wie bist du zum Motorradfahren gekommen und was bedeutet es dir?
Julien:
Im Alter von 16 Jahren hat eigentlich alles angefangen. Damals wollte ich nur schnell von A nach B kommen und da mir ein Roller etwas zu langsam war, machte ich meinen A1 Führerschein. Die CBR 125 R von Honda war mein erstes Bike.
Ich weiß jetzt nicht ob man eine 125er schon als Motorrad betrachtet, aber das Gefühl ist das gleiche wie auf einer 600er oder 1000er. Freiheit!
JvS:
Ja! Eine 125er ist durchaus ein Motorrad! Man muss allerdings mehr Charakter besitzen um mit einer 125er das Wesentliche zu „erfahren“ und es zu lieben, als mit einer 1200er am Stammtisch auf dicke Hose zu machen. Wie entstand bei dir die Idee Stuntfahrer werden zu wollen?
Julien:
Zwischen 2007 und 2008 kam ich das erste Mal durch das Internet mit Stuntriding in Berührung. Damals träumte ich davon genauso Motorrad fahren zu können, wie die Jungs in ihren Videos auf Youtube und Co. Als ich dann meine 125er mit 16 Jahren bekam, konnte ich es einfach nicht lassen auch mal ein paar Tricks auszuprobieren. Schnell stellte ich fest, dass es irgendwie einfacher in den Internet-Videos ausschaut, als es in der Realität ist. Eins kam zum anderen und 2008 fand ich mich plötzlich auf den „German Stuntdays“ wieder. Die „German Stuntdays“ sind ein Event, welches für Stuntrider zum gemeinsamen Training organisiert wird. Von da an gab es für mich kein Halten mehr und 2009 kaufte ich mir ein passendes Motorrad und begann zu trainieren.
JvS:
Wie und wo hast du angefangen zu üben?
Julien:
Ich hatte wirklich Glück. Mit ein paar Freunden war ich bereits 2008 immer auf der Suche nach einem geeigneten Trainingsplatz. Anfang 2009 fanden wir einen geeigneten und abgelegenen Platz im Hamburger Freihafen Gelände.
JvS:
Welches waren die größten Probleme mit denen du zu kämpfen hattest?
Julien:
Geld ist glaube ich für viele junge Menschen ein Problem und auch ich blieb davon nicht verschont. Neben der Schule arbeitete ich in Supermärkten, um mir mein Hobby zu finanzieren.
JvS:
Wie trainierst du heute?
Julien:
Eigentlich genauso wie vor drei Jahren. Freitags abends, sowie samstags und sonntags über den ganzen Tag hinweg. Allerdings habe ich früher viele Tricks durcheinander geübt. Heute übe ich lieber gezielt an einem einzelnen Trick. Das mache ich dann so lange, bis er zu 99,9 % klappt. Das empfinde ich als deutlich effektiver.
JvS:
Du fährst deine Stunts auf einer Kawasaki 636. Was macht den besonderen Reiz dieser Maschine aus?
Julien:
Ja, ich fahre eine Kawasaki ZX 636 B aus 2003. Die Kawa ist schön leicht und der Motor sehr drehmomentstark. Vor allem ist sie nicht so groß. Vorher hatte ich eine Honda CBR 600 FS aus dem Baujahr 2001 und auf der fühlte ich mich mit meinen 1,75 Metern doch ein wenig verloren.
JvS:
Welche speziellen Umbauten waren an deiner Kawa nötig um die Stunts durchführen zu können?
Julien:
Um erst mal kontrollierte Wheelies fahren zu können ist gar nicht so viel nötig. Ein Sturzbügel, ein größeres Kettenrad und ein Easy Clutch Hebel. (Clutch = englisch Kupplung) Der Easy Clutch Hebel macht die Kupplung leichtgängiger und ist mit einem Finger zu bedienen. Der Sturzbügel schützt das Bike und das größere Kettenrad bringt das Motorrad leichter aufs Hinterrad. Es verändert die Übersetzung, bzw. die Untersetzung. Bei meiner Kawasaki ist mittlerweile so viel umgebaut, dass ich selbst oft den Überblick verliere. Aber kurz meine wichtigsten Parts aufgelistet: „Handbrake (Hinterradbremse für den Finger), Sturzbügel, Übersetzung 14/60, Brembo Bremspumpen, eine Gabel von der ZX 6 R 2008, ein Kühler von der ZX 6 R 2008 um die Kühlleistung für den Motor zu erhöhen und der Easy Clutch von PB-Moto.“
JvS:
Nun braucht jeder Stuntfahrer auch Leute die ihn im Hintergrund unterstützen. Möchtest du uns dein Team vorstellen?
Julien:
Als erstes wäre da meine Mutter. Ohne sie wäre vieles niemals möglich gewesen. Was wären wir ohne unsere Mütter? Meine Freundin Ada unterstützt mich wo sie nur kann und ist auch meine Tandem-Partnerin für Tricks zu zweit auf dem Motorrad. Mein bester Freund Patrick unterstützt mich mental und hilft mir mit allem was die Technik des Krads betrifft. Zu guter Letzt möchte ich natürlich auch meine beiden Sponsoren HK Bike Parts, die durch Heiko Krause und Kai Bäslack vertreten werden, sowie Frank Rust von Leder-Bike-Design erwähnen.
JvS:
Was unterscheidet dich von anderen Stuntfahrern?
Julien:
Ich bin ein Show-Man und meine Tandem Stuntshow mit Ada ist in Deutschland einzigartig.
JvS:
Gibt es einen besonderen Stunt an dem du gerade arbeitest?
Julien:
Ja, ich arbeite gerade an der Perfektion von „Switch back Wheelies“. Man sitzt dabei verkehrt herum auf dem Motorrad und fährt nur auf dem Hinterrad.
JvS:
Wer kann deine Stuntshow buchen und wo?
Julien:
Gebucht wurde ich schon von den verschiedensten Unternehmen und Veranstaltern. Ich habe schon in einem Musikvideo mitgewirkt, eine Show für ein Autohaus gefahren und durfte letztes Jahr mein Debüt auf der Intermot in Köln geben. Wer Interesse hat eine Show von mir live zu sehen, kann sich gerne über die aktuellen Termine auf meiner Homepage www.julienpohl.de informieren.
JvS:
Deine Stunts sind nicht ungefährlich. Hast du dich schon einmal beim Training oder während einer Show verletzt?
Julien:
Beim Auftritt in einer Show hatte ich zum Glück noch nie einen Unfall. Beim Training passiert öfter mal was, da man neue Dinge ausprobiert, die natürlich nicht sofort funktionieren. Ich hatte schon einen gebrochenen Finger, ein angebrochenes Fuß- und Handgelenk, zahlreiche Verstauchungen und Prellungen, geplatzte Gefäße und unendlich viele blaue Flecken. Ich möchte nicht sagen, dass das unvermeidlich ist, aber man muss leichte Blessuren schon in Kauf nehmen. Gute Schutzkleidung ist wichtig. Damit vermeidet man viele unnötige Kratzer.
JvS:
Hinterlassen Unfälle und Verletzungen nicht auch Spuren psychischer Art? Ich meine, dass es eventuell auch Probleme mit der Angst im Kopf gibt?
Julien:
Nach meinem ersten Stoppie-Überschlag bin ich über ein Jahr keine Stoppies mehr gefahren. Das war die einzige Blockade, die ich je hatte. Man stürzt, verletzt sich, regeneriert sich… und dann geht’s weiter. Manchmal braucht es etwas Zeit. Diese Angst jedoch nicht zu überwinden hieße aufzugeben.
JvS:
Sicher braucht man als Stuntfahrer spezielle Versicherungen um sich selbst und auch das Publikum abzusichern. Wie hast du das geregelt?
Julien:
Es gibt spezielle Versicherungen die Profisportler, Stuntleute und auch Stuntrider versichern. Die Leistungen sind zwar gut, aber der Beitrag ist auch sehr hoch.
JvS:
Was hast du dir persönlich für deine Zukunft vorgenommen?
Julien:
Ich hoffe, dass ich diesen Sport noch lange ausüben und auch den einen oder anderen Trick noch dazulernen kann.
JvS:
Wir drücken dir die Daumen dafür und wünschen dir weiterhin viel Erfolg. Danke, dass du dir Zeit für dieses Interview genommen hast.
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