aus bma 02/06
von Tanja Müller
Unsere Reise wird uns für zehn Tage nach Schweden führen. Von Göteborg aus Richtung Norden, zunächst bis zur norwegischen Grenze und dann kreuz und quer rund um den Vänern und Vettern und den Rest von Värmland und Böhuslan. In dieser Zeit werden wir, zu zweit auf einer vollgepackten SR 500, 2500 km zurücklegen, und das alles um die Mittsommerzeit.
Das Abendteuer auf zwei Rädern kann beginnen. Zelte und alles, was dazu gehört, steht bereit. Für mich wird es die erste Motorrad- und Campingtour überhaupt. Wind und wasserdicht angezogen stehen wir vor unserem Einzylinder. Mein Freund steigt auf unser Bike und jetzt kommt der Augenblick, den ich so cool finde, und der für mich als Laien einfach zum Motorradfahren dazu gehört. Die SR wird von ihm nun mit Gefühl angetreten. Der Motor heult einige Male richtig laut auf. Ich habe hinter dem Fahrer noch 25 mal 25 cm für mich. Nachdem ich sitze staune ich wie bequem so wenig Platz ist und das man sich noch gemütlich gegen die Gepäckrolle lehnen kann.
Nun geht es Richtung Kiel zu unsere Fähre. Nach 150 km und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 70 km/h erreichen wir unsere Fähre. Es sind schon einige Biker an Bord, die ihre schweren Maschinen mit so vielen Gurten versehen, daß man denken kann, wir fahren einem Orkan entgegen. Am nächsten Morgen geht es dann viel zu früh wieder zur Maschine und wir können es kaum abwarten in Göteborg von der Fähre zu fahren. Kaum zehn Sekunden in Schweden werden alle Biker rausgewunken, und es wird überprüft, ob Restalkohol im Blut vorhanden ist. Nach der Prozedur verlassen wir schnell den Hafen und die Stadt in Richtung Marstrand. Unser Reise soll uns an diesem Tag nicht weiterführen, weil Christians Bruder und Freundin am nächsten Tag mit ihrer Ducati 900 Monster nach Marstrand kommen wollen. Dort angekommen bauen wir unser Zelt auf. Gegen Abend treffen die beiden ein. Sie sind in sieben Stunden vom Norden Deutschlands in einer Tour nach Schweden gefahren. Am nächsten Tag dürfen sich die Motorräder erholen, und wir erkunden zu Fuß die Gegend.
Erst am darauf folgenden Tag geht die Reise weiter. Wir erreichen am Abend Kungshamn und Smögen, einen gemütlichen kleinen Fischerort, der einem das Gefühl vermittelt, daß die Zeit stehen geblieben ist. Schnell das Zelt ausgepackt und alles andere abgeschnallt.
Am nächsten Morgen geht es weiter Richtung Norden, über die norwegische Grenze Richtung Halden und wieder zurück nach Schweden Richtung Arjäng, zu einem kleinen preiswerten Campingplatz an einem See, den wir wieder gegen Abend erreichen.
In Strömen regnet es am Morgen, als wir im Zelt aufwachen. Da müssen wir nicht lange überlegen. Wir mieten uns ein Kanu und ziehen unsere Motorradjacken und Hosen an. An die Füße Badeschuhe, und die Bootstour kann losgehen. Die Tier- und Pflanzenwelt zeigt sich an solchen Tagen noch beeindruckender, und wir fühlen uns wie 1000 km ab von der Zivilisation. Sieben Stunden sind wir auf dem Wasser unterwegs.
Regen und etwas Sturm auch wieder am nächsten Morgen. Wind und Wetter zum Trotz bauen wir aber unser Zelt ab. Das Zelt will sich beim Abbauen selbständig machen und einige andere Dinge auch. Dann aber nichts wie rauf auf unseren treuen Begleiter, und los geht die Fahrt.
Mein Freund wundert sich die ganze Fahrt bei Regen, warum ich nicht anfange zu schimpfen. Ich fühle mich so dicht zwischen Fahrer und Gepäckrolle eingepackt wohl. Ich bekomme nicht viel Regen ab. Unsere Reise soll uns heute zum ersten mal in einen Nationalpark von Schweden führen, nach Glaskogen. Unsere Reiseroute planen wir jeden Morgen spontan, deswegen fahren wir jetzt auf einem Sandweg zum Nationalpark Glaskogen. Es gibt auch eine Asphaltstraße, das wissen wir leider aber durch unsere spontan Reiseplanung zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Die SR hat mit den ausgefahrenen Wegen und den kleinen Bergen und Kurven keine Probleme. Die Wege sind eine richtige Herausforderung für Mensch und Maschine. Nur müssen wir uns leider für diese Tour von unseren ebenso abendteuerlustigen Begleitern trennen. Denn die Ducati ist genauso voll beladen wie wir es sind und setzt bei dieser Strecke immer wieder auf.
Wir fahren immer tiefer in den Park rein. Wir hoffen durch unsere aufmerksamen Blicke einen Elch zu Gesicht zu bekommen und unsere Suche wird belohnt. Christian hält plötzlich ganz aufgeregt an und zeigt auf eine Lichtung. Da steht tatsächlich ein Elch 200 Meter von uns entfernt. Wir springen schnell von der Maschine und laufen dem Elch entgegen. Nachdem wir ca. 100 Meter zurückgelegt haben, verschwindet der Elch ganz gemütlich im dichten Unterholz. Wir sind umsonst wie wild über Stock und Stein gelaufen und konnten den Elchbullen leider nicht richtig fotografieren .
Mein Herz rast trotzdem ganz wild, und mein Freund ist auch sehr beeindruckt. Unsere geländetaugliche Maschine darf jetzt einen Elchaufkleber tragen. Beeindruckt von Tier- und Pflanzenwelt fahren wir zum Campingplatz in Glaskogen. Dieser liegt an einem kleinen Teich und ist sehr einfach, aber das macht die Harmonie zwischen Mensch und Natur hier aus. Dieser schöne Naturschauplatz ist optimal um die ganze Nacht draußen zu sitzen, zumal es ja nicht dunkel wird. Nur haben wir die Rechnung ohne die Mücken gemacht. Trotz gutem Mückenspray überfallen sie uns zu Hunderten. Es handelt sich um kleine Gniepen. Sie krabbeln sogar durch unser Mückennetz im Zelt. Das Netz decken wir schnell mit unseren Handtücher ab. Unsere Motorrad-tücher binden wir uns um den Kopf. Um 22 Uhr flüchten wir in die Zelte. Lachend über so kleine nervige Tiere schlafen wir ein. Am Morgen sind unsere kleinen Freunde genauso schnell verschwunden wie sie gekommen sind. Der guten Laune tut das ganze keinen Abbruch, und wir beschließen noch eine Nacht zu bleiben. Nach einen deftigen Frühstück brechen wir zu einer Wanderung auf. An einem See angekommen springen wir schnell aus unseren Sachen und hüpfen wie Gott uns schuf ins Wasser. Sehr beeindruckt von den Erlebnissen des Tages gehen wir anschließend zurück ins Camp. Müde und mit vielen neuen Eindrücken im Kopf schlafen wir ein. Gegen Mittag verlassen wir unsere kleine Oase und beschließen, hier im nächsten Urlaub viel Zeit zu verbringen. Unser Fernweh führt uns heute wieder über die norwegische Grenze. Das Bike ruft, und wir legen einige Kilometer in Norwegen zurück. Wir fahren durch den Norwegischen Nationalpark Finnskogen, der uns mit einer wunderschönen Naturlandschaft zu begeistern weiß. Nur zum Zelten geht es gegen Abend wieder nach Torsby in Schweden. Gleich nach dem Aufwachen geht unsere Reise weiter nach Tiveden. Diese Gegend und die Menschen werden uns die nächsten Tage so begeistern, daß wir hier unsere letzten Urlaubstage verbringen werden, und die SR aus anderen Gründen diesen Ort nicht vergessen wird. Zu alle dem später aber mehr.
Der Campingplatz macht beim Rauffahren schon einen so einladenden Eindruck. Im gut sortierten Laden auf dem Gelände kaufen wir noch ein paar Dinge. Gegen Abend kommen die Mücken wieder raus. Christian ist gerade dabei mit geübten Griffen den Blinkgeber auszubauen, weil unsere beiden Blinker seit heute morgen nicht mehr funktionieren. Er hat aber die kleinen schwarzen Freunde außer acht gelassen. Die machen aus dem ausgeglichenen Menschen ein so nervöses Hemd, daß er den Blinkgeber falsch herum einsetzt. Dadurch brennt er durch, und Christian ist genervt und schmeißt alle Teile des zerlegten Blinkerschalters wieder ins Gehäuse zurück. Er, der seine Maschine so liebt, würde unter normalen Umständen so etwas nie machen. Die weitere Tour werden wir in den nächsten Tagen ohne Blinker fortsetzen müssen.
An diesem Abend lassen wir uns aber nicht von den Mücken ins Zelt vertreiben und sitzen noch lange auf dem Bootssteg.
Am nächsten Morgen mieten wir uns ein Kanu. Mein Begleiter kommt mit einem Kanu auf Rädern an, aus dem eine Angel hervorragt. Er hat beim Kanuausleihen erwähnt, daß er zu Hause angelt und kurzerhand hat der Campingplatzbesitzer ihm seine Angel kostenlos zur Verfügung gestellt. Dieser Tag ist wieder wie im Bilderbuch und gegen Abend beißt tatsächlich ein ca. 10 Pfund schwerer Hecht an, den wir dann auf der Feuerstelle direkt am See braten. Was für ein Genuß.
Ohne lange zurück zu blicken setzen wir uns am nächsten Morgen auf unseren Wegbegleiter und machen uns auf nach Göteborg, um unsere Fähre zu ereichen. Es fängt auf halber Strecke an in wie aus Eimern zu regnen. In meinem Stiefel sind richtige Pfützen. An der Fähre angekommen kippe ich das Wasser aus meinen Stiefeln und ziehe trockene Socken an. In Kiel wieder sicher angekommen fahren wir gemütlich Richtung Heimat.
Dieser Urlaub war für uns beide viel zu schnell vorbei, und ich hätte nie für möglich gehalten, daß einem Wind und Wetter nichts mehr ausmacht. Aus diesem Grund werden wir unsere ganze Campingausrüstung auch nicht weit weg packen, damit wir so bald wie möglich wieder neue Abendteuer erleben können.
Vor unsere Urlaubstour hatten wir Bedenken, ob ein kleines Motorrad wie die SR das alles heil überstehen wird. Wir sind deswegen viele Maschinen Probe gefahren. Wollten unbedingt ein größeres Bike haben. Wir konnten uns aber zu keinem Kauf durchringen. Es fehlte einfach das Besondere, was uns mit unserem Weggefährten, der SR, verbindet.
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