aus bma 2/09

von Birgit Hartmann-Meier

Schottland und die Orkneys mit MotorrädernZum ersten Mal zu viert und gleich ein voller Erfolg: Die Reise durch Schottland in den Herbstferien mit drei Motorrädern und einer ganzen Handvoll Wetter-Optimismus! Gestartet wurde an einem Samstag, Ende September um 11:30 Uhr Richtung Amsterdam/Ijmuiden, denn dort sollte um 16:45 Uhr das Einchecken für die Fähre nach Newcastle upon Tyne beginnen.

Bei Sonnenschein fuhren die Hartmann-Meiers in Bünde/Spradow los, und zwar mit einer BMW GS 1200, auf der Karsten Meier und Nele Hartmann Platz fanden, Lukas Hartmann mit einer Suzuki GSF 600 Bandit und einer weit sichtbaren roten Gepäckrolle und Birgit Hartmann-Meier mit einer Yamaha FZ6 Fazer. In ihren drei Tankrucksäcken war alles verstaut, was man in zwei Wochen so benötigt: Werkzeug, Funktions-Unterwäsche, Kulturbeutel, Fleeceshirts, Jeans und normales Schuhwerk (Aufzählung nach Priorität). Vorab wurde die Reise per Reiseführer, Kartenmaterial und Internet (www.visitscotland.com)  genau vorbereitet. Auf diese Weise war man genau nach 180 – 260 Tageskilometern an einem B & B-Haus angekommen und konnte noch an jedem Tag eine Sehenswürdigkeit einplanen.

Die Reiseroute zu den Orkney-Inseln, die ganz oben im Nordosten von Schottland liegen, sollte teilweise an der Ostküste entlang, dann durch die Highlands und das letzte Stück wieder an der Küste entlang bis zu St. Gills Bay führen, wo die Fähre nach St. Margaret’s Hope auf dem Mainland der Orkneys abfuhr.

 

Die erste Übernachtung fand in St. Berwick statt, einer kleinen touristischen Attraktion unterhalb des Firth of Forth gelegen, mit direktem Blick aufs Meer und dem „Bass Rock” vor der Tür, einem Felsen, auf dem Hunderte von Seevögeln nisten. Bevor die Vier ihr Quartier aufsuchten, machten sie noch einen Abstecher zum „Museum of Flight”, in dem noch eine originale Concord steht und ein sehr interessanter Film zu ihrem letzten Flug zu sehen ist.
Am nächsten Morgen dann ging es weiter Richtung St. Andrews, bekannt als internationaler Golfsport- und somit auch Touristenort. Aber dieses schöne Städtchen durchfuhr man nur, denn zum einen regnete es an diesem Tag junge Hunde, und zum anderen wurde die Pause in Anstruther eingelegt, da es dort die angeblich beste Fish-and-Chips-Bar gibt, ausgezeichnet mit vielen Preisen und einer Liste prominenter Besucher. An diesem Tag sollte für alle noch die härteste Strecke des ganzen Urlaubs folgen, denn auf dem Weg nach Braemar (das ist der Ort, in dem die Highland-Games jedes Jahr stattfinden und zu denen auch die Queen vorbei schaut) mussten die Vier durch Regen, böigen Wind, Steigungen mit mehr als 12% und ebensolche Gefälle, schmale Single-Track-Roads (das sind einspurige Straßen mit Haltebuchten), deren Kuppen noch im Nebel endeten oder bei denen niemand recht sah, was hinter der nächsten Kurve auf ihn wartete. Ein Spiel mit den Naturgewalten, das wirklich an Nerven, Kraft und Konzentration zerrte. Schließlich und endlich aber ließ man das Glenshee-Gebiet (ein von den Schotten gern besuchtes Wintersportgebiet) links liegen und landete naß aber froh in Braemar vor Gordon’s Restaurant.Schottland und die Orkneys mit Motorrädern
Am nächsten Morgen, als besonderes Highlight, genoss man ein richtig gutes schottisches Frühstück. Die Sonne schien auch ein wenig und darum ging es mit besserer Laune weiter nach Tain, das am Morray Firth liegt. Vorher besuchten die Vier noch das sternenförmig gebaute Fort George, eine wirklich interessante Festung, auch wenn es draußen auf dem Gelände so windig war, dass es durch die Kleidung pfiff. In Tain angekommen ging es zu einem Hotel für ein schottisches Abendessen, denn die Schotten können nicht nur Frühstück machen – ganz im Gegenteil. Es gibt so viele Variationen von Geflügel und Fisch wie man sich hier bei uns kaum vorstellen kann. Und immer frisch und schmackhaft, denn die Schotten sind ehrgeizig, vor allem darin, die Engländer in Geschmack, Benimm und Kultur zu übertrumpfen. Die Meinung der vier Reisenden dazu: „Das ist ihnen in vielen Dingen wirklich gelungen! Essen kann man in Schottland überall zu angenehmen Preisen und bekommt dafür richtig was auf den Teller. Manchmal muss man ein wenig mutig sein, aber Mince and Tatties oder Haggis with Chicken sollte jeder ruhig mal probieren.”

Der darauf folgende Tag wurde sonnig und weniger windig, super zum Fahren und daher angenehm. So viele Regenbögen wie an diesem Tag hatten wir noch nie in so kurzer Zeit gesehen. Um 18 Uhr saßen wir endlich in der Fähre und um 19:45 Uhr waren wir im stockdunklen St. Margaret’s Hope und suchten den Weg nach Kirkwall, den größten Ort auf der Hauptinsel, denn dort hatte Birgit eine Ferienwohnung für vier Nächte gebucht. Mit einem wunderschönen Blick auf gleich drei Buchten wurden im Wohnzimmer Pläne für die nächsten drei Tage geschmiedet. Die Skara Brae und die stehenden Steine (Ring of Brodgar) wollte man sehen, den Broch of Gurness und auch die St. Magnus Cathedral. Es gab noch so vieles mehr, jedoch sind die Eintrittspreise in Schottland eine Sache für sich, was bedeutet: Ist man zu viert, muß man finanziell doch auf einige Dinge verzichten, um im Rahmen zu bleiben. Also wurde das Wichtigste ausgewählt und der Rest wurde abgefahren. Kommentar der Reisenden: „Das machte sowieso am meisten Spaß: Das Motorradfahren auf der Insel ohne Bäume, bei der von jeder Seite das Meer anders aussieht und sich auch anders anhört.” Obwohl alles grün wirkt, ist es jedes Mal ein anderer Farbton, die Felder sind anders bestellt und die Häuser stehen in anderer Zusammenstellung. Eine sterbende Insel ist Orkney keinesfalls, denn es entstehen überall neue Siedlungen. Aber es gibt noch genügend Plätze, an dem wirklich nur Gegend ist. Zu sehen sind Shetland-Ponys, Basstölpel, und wenn man Glück hat sogar Wale und Delphine. Viele Orkadianer sind Künstler (Schmuck, Bilder, Möbel). Wenn alles im kreativen Bereich liegt, zahlen sie für den Verkauf ihrer Kunstwerke keine Steuern. Daher kann man dort als Artist einigermaßen leben. Viele Farmer gibt es auch und diejenigen, die in den Distillerien arbeiten wie Skapa und Highland Park oder in der eigenen Insel-Brauerei.

Schottland und die Orkneys mit MotorrädernZurück ging es am letzten Septembertag mittags mit der Fähre und dann durch die Region Sutherland, an der Nordküste vorbei, wo der Atlantische Ozean rauscht, durch die Heide und die sanften Berge über Single Track Roads bis nach Dornoch am Dornoch Firth, womit die Vier wieder an der Ostküste angelangt sind. Dieser Tag und diese durchfahrenen Landschaften waren das Schönste dieser Reise. „Niemand vor uns und niemand hinter uns und um uns herum nur schöne Landschaft, wunderbare Straßen, die Sonne und herrliche Wolkenbilder – etwas Schöneres gibt es für uns nicht!”, meinten alle Vier nach diesem Tag.

Im Hillview Guesthouse in Dornoch wurde man fürstlich empfangen und bewirtet. Das Ehepaar Woodstock, selbst Eltern von sechs Kindern und Großeltern von 14 Enkeln hatten sehr viel für die „German Biker Family” übrig. Das Frühstück wurde zu einem netten Plauderstündchen mit Puzzle-Aufgaben und lustigen Anekdoten und natürlich dem Versprechen wiederzukommen.

Schottland und die Orkneys mit MotorrädernDas nächste Ziel lag in der wohl bewaldetsten Gegend Schottlands und auch dort, wo die Fischer und Angler sich zu Hause fühlen: In Pitlochry. Dort wohnen Paul und Ann Croft und haben das beste B & B-Haus (vier Sterne!), das Birgit und Karsten kennen. Dort wurde gleich die Garage geräumt und das Auto draußen geparkt, damit die drei Motorräder sicher untergebracht waren. Am Zimmerschlüssel hing auch schon der Garagenschlüssel. Außerdem war abends immer ein Platz im großen Sofa im Wohnzimmer frei, und man konnte sich dort lange und angeregt unterhalten. Paul, ein Biologe, wusste immer viel über die Fisch- und Vogelwelt zu berichten und Ann, die in einer Schule in Birmingham gearbeitet hatte, interessierte sich für Deutschlands Schulsystem. Beide waren im Jahr 2001 zu einem Besuch in der Antarktis bei den Kaiserpinguinen und natürlich wurde auch davon viel erzählt. Tagsüber ging es rund um den Loch Tay, der für sich allein schon geschlängelte 17 km lang ist.

Nach drei Tagen ging es Richtung Newcastle zurück – noch einmal durch eine tolle Gegend an Glasgow vorbei nach Lanark. Nach einer letzten Übernachtung im Farmhouse in einem Vier-Bett-Zimmer (auch das muss mal sein) ging es zurück durch Jedburgh, wo es ein letztes Fish-and-Chips-Gericht gab.

In Newcastle waren die Vier wieder eine Attraktion, denn sie fuhren als einzige Motorradfahrer auf der großen King of Scandinavia Richtung Amsterdam. Nur für sie wurde die Rampe herunter gefahren, damit die Bikes ordentlich standen und angezurrt werden konnten.

Am nächsten Morgen war es sonnig in Ijmuiden und den ganzen Weg über bis kurz vor Rheine, da wurde es so neblig, dass Birgit verwundert mehrmals über ihr Visier strich. „Aha, Deutschland ist erreicht, da, wo es meistens regnet.” Oder sagt man das nicht von Schottland? Nun, Schottland ist ganz anders als Du es erwartest – es hat viele Geheimnisse, teilt seinen Whiskey mit den Engeln (Angels share) und hat wunderbare Landschaften, mitreißende Musik und Menschen, die tagsüber immer ohne Licht fahren, egal ob es nun regnet, dunkel oder neblig ist. Die mit einem Schild angekündigten „blind summits” machen besonders viel Spaß, fühlt man sich doch wie in einer Achterbahn, wo es mit Schwung in die Luft geht, dann ganz oben auf der Kuppe der Aha-Effekt kommt, um dann mit etwas mehr Geschwindigkeit wieder nach unten zu sausen, zum nächsten „blinden Gipfel”. Das Land hat einen minimalen Stressfaktor, den man nur manchmal in großen Städten spürt und zum Ausgleich dafür viel von seiner alten Tradition bewahrt. Seine Bewohner sind äußerst gastfreundlich und das Wetter immer eine Überraschung wert, denn wenn es vom 22. September bis zum 6. Oktober nur an zwei Tagen regnet, dann ist das viel mehr als vier Motorradfahrer von einer Fahrt über 3122 km erwartet haben.