aus bma 04/07

Text & Fotos: Frank Sachau

Vun Binnenland an de Waterkant führt die Rundreise durch das herbstlich geprägte Land zwischen den Meeren. Wenn die Blätter fallen, locken die kurvigen Motorradstrecken durch die Naturparks Westensee und Hüttener Berge.

Reisebericht Schleswig-Holstein„Sie” ist eine glänzende Erscheinung. Und schlank. Keine Traummaße 90 – 60 – 90, dafür aber klasse innere Werte. Keine zarte Haut, eher ein gelebtes Äußeres. Kumpeltyp. Geht durch dick und dünn. Ohne „Sie” würde ich nie auf Herbsttour gehen: Meine Edelstahlthermoskanne mit heißem Kaffee. Gut gepolstert liegt sie im linken Koffer und reist mit uns in Richtung Norden.
Die alte B 4 quetscht sich zwischen Einfelder See und Dosenmoor hindurch bis an den Südrand der Landeshauptstadt Kiel. Im Stadtteil Molfsee betreten wir durch das imposante Torhaus das Schleswig-Holsteinische Freilichtmuseum. Historische Bauernhäuser, Katen, Scheunen und Windmühlen aus allen Teilen des nördlichsten Bundeslandes warten auf unseren Besuch. Ganz nebenbei kaufen wir für das zweite Frühstück ein: In der Bäckerei einen kleinen Laib Museumsbrot, in der Meierei ein Stückchen Käse, und in der Räucherkate einige Scheiben deftigen Landschinken. Im nahen Rumohr verlassen wir den Stadtrand und fahren hinaus in den Naturpark Westensee. Wie in einer überdimensionalen Bobbahn gleiten wir auf der von Knicks und mächtigen Bäumen gesäumten Strecke westwärts.
Die glitzernde Wasseroberfläche des Schierensees grüßt durchs Unterholz, reetgedeckte Wohnhäuser ziehen vorbei. Die Straßenkreuzung zwischen den fast einhundert Meter hohen Gipfeln von Tüteberg und Kieler Berg zwingt durch ein Stop-Schild zur langsamen Gangart. Und das ist auch gut so, denn die wunderschöne Landschaft verdient unsere ungeteilte Aufmerksamkeit. Dann nimmt uns wieder die schier endlose Allee auf, wie auf sanften Wogen surfen wir bis zum Gut Emkendorf. Das Anfang des 18. Jahrhunderts im klassizistischen Baustil erstellte Herrenhaus war damals eine Art moderne Denkfabrik. Schriftsteller, Künstler und Dichter stellten hier ihre Werke vor und diskutierten mit den adligen Grundbesitzern. Für die damalige Epoche etwas Einmaliges.

 

Nach einem kleinen Rundgang über die mit Feldsteinen gepflasterten Höfe gönnen wir uns einen Pott Kaffee und besprechen die weitere Route. Dann starten wir die Maschinen und streben in Richtung Osterrönfeld bei Rendsburg, um in einer scharfen Linkskurve einen Haken zum nahen Örtchen Warder zu schlagen. Unter der Autobahn 7 hindurch geht’s zum Wardersee und zum Brahmsee, an dem auch Altbundeskanzler Schmidt Entspannung suchte.
Reisebericht Schleswig-Holstein Schmucke Wochenendhäuser reihen sich aneinander, gelegentlich können wir auch einen Blick auf das verträumte Gewässer erhaschen. Die schmalen Wege um den unscheinbaren Pohlsee führen in eine Gegend, in der sich Fuchs und Hase noch persönlich „Gute Nacht” sagen. Abgeerntete Felder schmiegen sich an sanfte Hügel, und knorrige Eichen, deren Äste weit über die Fahrbahn ragen, stehen Spalier. Dorfkinder schleudern Knüppel in die Kastanienbäume, um die letzten Kastanien zu ergattern. Das Land duftet nach Herbst.
In Deutsch Nienhof angekommen, biegen wir rechts ab zum kleinen Nest Wrohe, denn von dort wollen wir am Südufer des von Wald und Wiesen eingerahmten Westensees entlang zum gleichnamigen Ort gelangen. Doch Obacht! Die reizvolle Strecke ist Samstags ab 13 Uhr und an Sonn- und Feiertagen ganztägig gesperrt. Die anschließende, mit allerlei Kurven gespickte Route Achterwehr – Bredenbek – Sehestedt führt uns aus dem Naturpark Westensee hinaus. Mit der kostenlosen Fähre über den Nord-Ostsee-Kanal gelangen wir in den benachbarten Naturpark Hüttener Berge. Und wieder sind Gewässer, diesmal der Wittensee und der Bistensee, zu umrunden.
Anspruchsvolle Kurven und Höhenunterschiede, die niemand im flachen Schleswig-Holstein vermuten würde, schenken jede Menge Fahrspaß. In Ascheffel, am Fuß der Hüttener Berge, startet die Auffahrt zum 98 Meter hohen Aschberg. Für holsteinische Verhältnisse befinden wir uns fast auf dem Dach der Welt, nur der benachbarte Scheelsberg und der Bungsberg in Ostholstein ragen noch höher in die dünne Atmosphäre. Als Lohn für die Mühe wartet oben auf dem Gipfel das Restaurant „Aschberger Stuben” mit Kaffee und Kuchen und einem Panoramablick über Buchenwälder, Seen und Knicks bis an die Eckernförder Bucht. Klares Wetter vorausgesetzt, sind auch die Portalkräne der Kieler Werften zu erkennen.
Reisebericht Schleswig-Holstein Später stoßen wir bei Fleckeby auf die B 76. Den Reiz der Nebenstrecke erleben wir bei einer Fahrt um die glänzende Wasserfläche des Windebyer Noors nach Eckernförde. Durch die verwinkelten Gassen schleichen wir bis an das Hafenbecken. Unter dem gewaltigen Getreidesilo liegen Fischkutter, Sportboote und Traditionssegler am Kai. Möwen zanken sich um Fischabfälle, es riecht nach Meer. Eine schmale, hölzerne Klappbrücke führt hinüber in den Ortsteil Borby. Vor einem kleinen Bistro ticken abkühlende Motoren vor sich hin, die Lokalmatadoren führen tiefschürfende Benzingespräche. Dunkle Wolken schieben sich heran, der Wind frischt auf – Zeit, an die Rückreise zu denken.
Eine gut ausgeschilderte Nebenstrecke lockt uns ins Schwedeneck. Die flott zu fahrende Route über Dänisch Nienhof führt uns bis zum Bülker Leuchtturm, wo sich ein weiterer Blick über die Kieler Bucht auftut. Das Seglerparadies reicht bis zum Horizont, der Olympiahafen Schilk-see liegt nur einen Flossenschlag entfernt. Durch diese Hintertür gelangen wir in die Landeshauptstadt. Unter dem Kieler Fernsehturm folgen wir der Beschilderung zum Freilichtmuseum, wo wir am Morgen aufgrund der starken Besucherströme am Torhaus kein Erinnerungsfoto schießen konnten.
Die Helligkeit nimmt von Minute zu Minute ab, jetzt muß das starke Blitzgerät ran. Wenig später nehmen wir Kurs auf Neumünster. Die Griffheizung gibt ihr Bestes, und der bleiche Scheinwerferstrahl zittert über den dunklen Asphalt. Eine Szene wie aus dem Abendlied von Matthias Claudius, der auch zu den Gästen auf Gut Emkendorf gehörte: Der Mond ist aufgegangen/ die goldnen Sternlein prangen/ am Himmel hell und klar/ der Wald steht schwarz und schweiget/ und aus den Wiesen steiget/ der weiße Nebel wunderbar.

REISETIPS
Allgemeines:
Seen, Wälder, Berge und die typischen Knicks bestimmen das Bild der Landschaften zwischen Eckernförder Bucht und Neumünster. Die Naturparks Westensee und Hüttener Berge, getrennt durch den Nord-Ostsee-Kanal, geizen weder mit Kurven noch mit Panoramen.

Literatur:
HB Bildatlas Band 157 „Ostseeküste”; 120 Seiten, Farbfotos und Karten. HB-Verlag, ISBN 3-616-06257-8; 8,50 Euro.

Baedecker Reiseführer „Schleswig-Holstein”; 320 Seiten, Farbbilder, Karten. Ideales Tankrucksackformat, inklusive Straßenkarte 1 : 200.000. ISBN 3-89525-906-3, 15,95 Euro.

Karten:
Motorrad Powerkarten „Deutschland”, Blatt 1, Good Vibrations Verlag, 12 Blätter einschließlich Tourerguide im Schuber, Maßstab 1 : 300.000, nahezu unkaputtbar, Preis 31 Euro. ISBN 3-932157-50-8. Die Karten sind im Buchhandel, im Motorradzubehörhandel oder unter www. tourershop.de erhältlich.

Informationen:
Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein GmbH, Walkerdamm 17, 24103 Kiel, Tel. 01805/600604, Fax 01805/600644, www.sh-tourismus.de.

Schleswig-Holsteinisches Freilichtmuseum, Hamburger Landstraße 97, 24113 Molfsee, Tel. 0431/65966-0, Fax 0431/65966-25, www.freilichtmuseum-sh.de. Je nach Jahreszeit wechselnde Öffnungszeiten. Eintritt: 4,50 Euro.