Paragraph

aus bma 7/13 – Rechtstipp

von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de

Gesetzliche Motorradstiefel-Tragepflicht?

In Europa ist mittlerweile alles reglementiert. Man denke nur an die Länge und Krümmung der Gurken. Es gibt nur wenig, was nicht geregelt ist. Dem Bürger bleibt kaum noch eine Entscheidungsfreiheit. So ist es auch bei Unternehmern. Verstößt man gegen eine Reglementierung, sind gleich satte Strafen fällig. Letztendlich eine vollständige Entmündigung, die jegliches Denken und auch freies Handeln unterbindet. Es ist kaum noch etwas zu finden, was nicht in unseren Gesetzen geregelt ist. Da verwundert es schon, dass für Motorradfahrer nicht eine vorgeschriebene Einheitsschutzkleidung in einem Gesetz verankert worden ist. Von Versicherungen wird dieses bereits gefordert. Die EU hat hierfür allerdings noch keinerlei Regelungsbedarf gesehen. 

Der Rechtstipp für Juli 2013 befasst sich deshalb mit dem Nichttragen von Motorradschuhen bei einem Unfall. Das Oberlandesgericht Nürnberg, (Beschluss vom 09.04.2013, Geschäftsnummer 3 U 1897/12) hatte sich mit einem solchen Fall zu befassen. Ein Motorradfahrer wurde während eines Ausparkmanövers eines Pkw am rechten Fuß schwer verletzt. Das hatte eine distale Unterschenkelamputation zur Folge. Die Parteien stritten vor dem Oberlandesgericht Nürnberg über die Höhe des zu ersetzenden Schmerzensgeldes und Schadensersatzes. 

Der Motorradfahrer trug zum Unfallzeitpunkt einen Motorradhelm, eine Motorradjacke, Motorradhandschuhe, eine Arbeitshose und Sportschuhe. Motorradschutzschuhe trug er allerdings nicht. 

Die erste Instanz, das Landgericht Ansbach, hat ein Mitverschulden des Klägers an der Entstehung der Unfallfolgen auf Grund des Tragens von Sportschuhen anstatt fester Motorradschuhe verneint. Das Oberlandesgericht Nürnberg sah dies nicht anders. 

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat in seiner Urteilsbegründung festgestellt, dass es keinerlei gesetzliche Verpflichtung gibt auf einem Motorrad Motorradschutzbekleidung, insbesondere Motorradstiefel, zu tragen. Fraglich war in diesem Fall lediglich, ob sich der Motorradfahrer „verkehrsrichtig” verhalten hat. Das heißt, ob er die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Das OLG verneinte dies. 

Das Oberlandesgericht Nürnberg begründet seine Entscheidung damit, dass völlig unklar ist, was für Schuhe als Standard benutzt werden sollen. Hierfür gibt es zu viele unterschiedliche Schuhe, die auch die unterschiedlichsten Schutzfunktionen haben. Eine solche Schutzfunktion könnte aber auch durch Arbeitsschuhe oder hohe Wanderschuhe gegeben sein. Zwar tragen 80 Prozent aller Motorradfahrer Motorradstiefel und es gibt Empfehlungen zum Tragen von Schutzausrüstung beim Motorradfahren, das alles führt allerdings noch nicht dazu, dass das Tragen von Motorradschutzstiefeln dem allgemeinen Verkehrsbewusstsein der Motorradfahrer entspricht. Da dies alles unklar ist und auch keine gesetzliche Bestimmung besteht, hat das Oberlandesgericht Nürnberg die Berufung der Unfallverursacher zurückgewiesen. Letztendlich ist die Entscheidung juristisch zutreffend. 

Jeder von uns muss sich allerdings über die Gefahren des Motorradfahrens bewusst sein. Wir haben keinerlei Knautschzone und bei einem Unfall sind wir deshalb unmittelbar betroffen. Dies kann zu schweren Verletzungen führen, die oftmals aber durch das Tragen geeigneter Schutzbekleidung vermieden werden können. Auch wenn das Urteil eine solche Verpflichtung verneint, kann ich  nur anraten bzw. empfehlen, nicht an der Schutzbekleidung zu sparen. Lasst euch im Motorradfachhandel beraten.