Hat es mal geknallt, darf man den Unfallort nicht verlassen! Das BGH hat aber einen Fall entschieden, wo eine Ausnahme gelten kann. Ob man im Ernstfall daran denkt ist wohl eine andere Frage. RA Jan Schwers klärt auf…

 

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aus Kradblatt 2/15 – Rechtstipp

von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de

(Un)Erlaubtes Entfernen vom Unfallort

 

Das kennt wohl jeder von euch! Man hat einen Unfall und ist unter Zeitdruck. Am liebsten würde man sich schnell vom Acker machen, obwohl man nicht einmal Schuld am Unfall hatte. Das darf man in Deutschland jedoch nicht. Ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort wird bestraft. Man kann je nach der Höhe des Schadens sogar die Fahrerlaubnis verlieren. Es lohnt sich folglich nicht den Unfallort ohne Weiteres zu verlassen.

Einen interessanten Fall hatte der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 27.08.2014, Az. 4 StR 259/14 entschieden. Folgender Fall lag der Entscheidung zu Grunde: Der Angeklagte verursachte einen Verkehrsunfall und lief einem Fluchtimpuls folgend zu dem PKW seines Bekannten, der an der Unfallstelle vorbeifuhr und nach rechts in eine Straße abbog. Als der Angeklagte die Beifahrertür öffnete, bemerkte er, dass die Fingerkuppe seines Mittelfingers abgeknickt war und die Wunde sehr stark blutete. Der Angeklagte stieg in das Auto seines Bekannten und ließ sich in ein Krankenhaus fahren, wo er medizinisch versorgt wurde. Nachdem die Blutung gestillt war, rief der Angeklagte ca. 40 Minuten nach dem Unfall bei der Polizei an und gab sich als Fahrer und Unfallverursacher zu erkennen. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB) verurteilt. In § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB heißt es nämlich: „Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht.“

Die gegen die Verurteilung eingelegte Revision des Angeklagten hatte Erfolg. Das Landgericht hat die für die Entfernung rechtfertigenden Umstände des Angeklagten – hier im konkreten Fall – nicht berücksichtigt und ist dem reinen Gesetzeswortlaut gefolgt. Der BGH hingegen sah kein strafbares Verhalten des Angeklagten. Denn „diese Feststellungen lassen nicht erkennen, ob der Bekannte des Angeklagten noch im Bereich der Unfallstelle gehalten hat. Wenn der Angeklagte noch vor Verlassen der Unfallstelle seine eigene Verletzung bemerkt hatte und die Unfallstelle zumindest auch deshalb verließ, um seine massiv blutende Wunde versorgen zu lassen, könnte sein Entfernen vom Unfallort gerechtfertigt gewesen sein. Hiermit hatte sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt.“ Es kommt somit auf den Zeitpunkt des Entdeckens der Verletzung an.

Was hätte der Angeklagte in der Situation sonst anderes auch tun sollen? Sollte er seine eigene Gesundheit aufs Spiel setzen, nur um seiner gesetzlichen Pflicht nachzukommen und sich nicht strafbar zu machen? Es blieb dem Angeklagten in diesem Falle nur das Verlassen des Unfallortes, um ins Krankenhaus zu fahren und die Blutung zu stoppen. In diesem Zusammenhang stellte der BGH aber auch klar, dass nicht jede, auch kleinere Verletzung ausreicht, um sich auf einen Rechtfertigungsgrund für das Verlassen des Unfallortes zu berufen. Vielmehr muss die eigene Verletzung eine Massivere sein, die im Zweifel einer sofortigen ärztlichen Behandlung bedarf.

Der Fall zeigt, dass ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort unter Umständen berechtigt und gerechtfertigt sein kann. Jedoch ist dabei stets der Einzelfall zu betrachten, denn nicht jede Verletzung berechtigt den Unfallbeteiligten den Unfallort zu verlassen. Eine eigene, zumindest kleinere Verletzung ist damit kein „Freifahrtschein“.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs ist zu begrüßen. Das Gericht scheint damit in eine menschenfreundliche Rechtsprechung einzulenken. Ich kann euch nur raten, nach einem Unfall einen kühlen Kopf zu behalten und erst mal in Ruhe das eigene Verhalten zu überdenken. Ist man erst mal vom Unfallort verschwunden wird es meistens teuer und kostet oftmals die Fahrerlaubnis. Zudem gilt es auch zu bedenken, dass bei einem unerlaubtem Entfernen vom Unfallort nach einem verschuldeten Unfall die eigene Versicherung den Schaden zurückerstattet verlangt.