aus Kradblatt 6/24 von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
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Wird – man womöglich zu Unrecht – geblitzt, ist man bei seiner Verteidigung auf Daten angewiesen
Eigentlich fahren wir ja immer mit angemessener Geschwindigkeit, trotzdem ist mancher schon in ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen des Vorwurfs des Fahrens mit überhöhter Geschwindigkeit geraten.
Die Feststellung des gefahrenen Tempos ist dabei ein sehr komplexer Vorgang, der mit unterschiedlichen Messverfahren und -instrumenten vorgenommen wird, woraus sich eine kaum noch überschaubare Vielzahl an Details und Feinheiten ergibt, mit denen das Ergebnis einer Messung bei möglicherweise ungerechtfertigten Vorwürfen in Zweifel gezogen werden kann.
Von erheblicher praktischer Bedeutung sind dabei die sogenannten Rohmessdaten. Diese werden als Kern jeder digitalen Geschwindigkeitsmessung angesehen und bilden das Geschehen zum Zeitpunkt der Messung ab. Rohmessdaten sind die ursprünglichen, direkt von den Messinstrumenten des Messgeräts erfassten, unverarbeiteten Daten, die zur Bestimmung der Geschwindigkeit eines Fahrzeugs benutzt werden.
Wichtig ist auch die Kenntnis der Bedienungsanleitung eines Messgerätes, damit geprüft werden kann, ob die Messung korrekt durchgeführt wurde. Die Messung muss von den Messbeamten genau nach der Bedienungsanleitung des Messgeräteherstellers vorgenommen worden sein. Von Bedeutung ist auch, dass der eingesetzte Messbeamte im Umgang mit dem genutzten Messgerät ordnungsgemäß geschult worden ist. Auch in diesem Rahmen tut sich im praktischen Alltag ein ganzes „Füllhorn“ an möglichen Fehlern auf, wodurch die Messung als nicht korrekt zu bewerten sein kann.
Es kommt allerdings nicht selten vor, dass die Polizei bzw. die Verwaltungsbehörden einem Verteidiger die Rohmessdaten und/oder die Bedienungsanleitung nicht zur Verfügung stellen, sodass dieser nicht überprüfen kann, ob die Geschwindigkeitsmessung korrekt erfolgt ist. Er kann dann nicht feststellen, ob die bei der Messung gewonnenen Daten im Verfahren gegen seinen Mandanten verwendet werden können bzw. dürfen.
Sowohl hinsichtlich der Zurverfügungstellung der Rohmessdaten als auch in Bezug auf die konkreten Umstände der Verwendung der Bedienungsanleitung ist jedoch bislang keine einheitliche Rechtsprechung gegeben. Es gibt Gerichte, die ausgesprochen haben, dass die Verweigerung der Herausgabe der Rohmessdaten einen Verstoß gegen den in Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes enthaltenen Anspruch auf rechtliches Gehör darstellt – in der Regel wird dies aber anders gesehen. Gerichte haben auch erklärt, dass die Bedienungsanleitung ein Teil der Informationen ist, auf die der Betroffenen ein Recht auf Einsicht hat – auch hier wurde aber häufig schon gegenteilig entschieden.
Das Amtsgericht Dortmund hat vor kurzem in einem Bußgeldverfahren mit einem Beschluss vom 14.12.2023 (Aktenzeichen: 729 OWi-260 Js 2315/23-135/23) das Verfahren nach § 47 Absatz 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten eingestellt. Dort hatte die Polizei trotz einer richterlichen Verfügung in einer Hauptverhandlung die Rohmessdaten und die Bedienungsanleitung nicht für den Verteidiger zur Verfügung gestellt. Das Gericht hielt es danach für angebracht, dass die Ordnungswidrigkeit nicht zu ahnden sei.
Eine neuerliche Fortsetzung der Hauptverhandlung und Durchsuchung des Polizeipräsidiums zur Datenverschaffung erschien dem Amtsgericht unangemessen.
Eine fast schon vorbildliche Entscheidung, die andere Gerichte zum „Nachahmen“ anregen sollte.
Sollten wir tatsächlich einmal „geblitzt“ worden sein, weil wir angeblich zu schnell unterwegs waren, kann es durchaus ratsam sein, sich sämtliche verfügbaren Informationen zu dem Vorwurf schicken zu lassen, und bei einer Ablehnung auf unsere Rechte zu beharren. Es ist immer besser, gegen einen ungerechtfertigten Vorwurf anzugehen, als ein Bußgeld auf Grundlage einer vielleicht nicht korrekt erfolgten Geschwindigkeitsmessung zu zahlen. Dabei dürfte es aber zumeist ratsam sein, einen kompetenten Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen. Das „Dickicht“ der Fehlerquellen bei einer Geschwindigkeitsmessung ist heutzutage für den durchschnittlichen Betroffenen so gut wie nicht durchschaubar.
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