aus Kradblatt 4/22 von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
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Ausparken vs. Einparken – wer hat Schuld?

Mangels Parkplätzen in den Innenstädten ereignen sich immer mehr Unfälle in den Parkhäusern. Davon sind wir mit dem Motorrad zwar eher selten betroffen, viele von uns fahren aber ja auch Auto. Problematisch ist bei diesen Unfällen immer die Haftungsverteilung. Hier also mal ein „Parkhaus-Rechtstipp”.

Grundsätzlich ist es so, dass sofern in einem Parkhaus zwei Fahrzeuge gleichzeitig ausparken und es dabei zu einer Kollision kommt, die Haftung zu teilen ist. D. h., dass jede Partei 50% des Schadens der anderen Partei zu tragen hat. Kommt es hingegen zu einem Verkehrsunfall während eine Partei ausparkt und eine Partei eingeparkt, muss genau auf die Einzelheiten des Falls geschaut werden. Das Landgericht Lübeck hatte einen solch speziellen Fall (Urteil vom 25.03.2021, Aktenzeichen 14 S 153/19) zu entscheiden. 

Die Klägerin hatte ihr Fahrzeug in einer sogenannten Parktasche vorwärts geparkt. Jedoch ragte der rechte Hinterreifen über die Parkplatzbegrenzung in die benachbarte Parktasche hinein. Die Beklagte parkte aus dieser Parktasche aus. Hierbei kam es zu einem Unfall. Die weiteren Einzelheiten des Falls sind jedoch streitig. Die Klägerin lässt vor dem Gericht vortragen, dass die Beklagte beim Auspacken in ihr bereits stehendes Fahrzeug gefahren sei. Die Beklagte lässt vortragen, die Klägerin sei beim Einparken in ihr ausparkendes Fahrzeug gefahren. Die Klägerin soll dabei in die Parkbox der Beklagten gefahren sein. 

Die Versicherung der Beklagten hat außergerichtlich 50% des Schadens der Klägerin gezahlt. Die Klägerin war damit jedoch nicht einverstanden und reichte die Differenz von weiteren 50% als Klage zunächst beim Amtsgericht ein. Das Amtsgericht verurteilte die Beklagte auch, die weiteren 50% zu zahlen. Hiermit war jedoch die Beklagte nicht einverstanden. Und legte gegen das Urteil das Rechtsmittel der Berufung ein. Folglich musste das Landgericht Lübeck als Berufungsgericht über diesen Fall entscheiden.

Das Landgericht kam letztendlich zu dem Ergebnis, dass die Beklagte zu 80% und die Klägerin zu 20% haften. Das Landgericht Lübeck begründet seine Entscheidung damit, dass sofern ein Fahrzeug beim rückwärtigen Ausparken mit einem anderen Fahrzeug kollidiert, es grundsätzlich die überwiegenden Schuld an dem Unfall trägt, wenn es nicht beweisen kann, dass es vor der Kollision noch angehalten hat. 

In diesem Fall hatte das Gericht ein Sachverständigengutachten hierzu eingeholt. Damit konnte jedoch kein klarer Beweis erbracht werden, da der Sachverständige beide Unfall­darstellungen der Parteien für möglich hielt. Das Landgericht Lübeck entschied, dass auch die Klägerin einen gewissen Anteil Schuld an dem Unfall hatte, da sie unstreitig quer über die Markierungen der Parkbuchten parkte. Dies wertete das Gericht als einen Verstoß gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot aus §1 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hatte schließlich auch festgestellt, dass der Unfall hätte vermieden werden können, wenn die Klägerin ordnungsgemäß geparkt hätte. Die überwiegende Schuld sah das Landgericht jedoch bei der Beklagten da sie unstreitig zum Unfallzeitpunkt ausparkte.

Bei Parkplatzunfällen kommt es speziell auf die Feinheiten des Unfalls an. Ihr dürft, egal ob mit dem PKW oder mit dem Motorrad, immer nur maximal mit Schrittgeschwindigkeit fahren, so dass ihr jederzeit anhalten könnt. Ist eine Verkehrssituation nicht klar solltet ihr auch sofort anhalten, um nicht die überwiegende Schuld an dem Unfall zu haben. Es ist zudem aber auch wichtig, dass ihr euer Gefährt, egal ob im Parkhaus, auf einem Parkplatz oder auf der öffentlichen Straße ordnungsgemäß parkt. Wer sein Fahrzeug nicht ordnungsgemäß parkt, kann immer mit einer Teilschuld in die Haftung genommen werden. Dies gilt auch bei Verstößen gegen das Park- & Halteverbot, das muss euch klar sein!