aus Kradblatt 12/18 von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
Telefon 0421 / 696 44 880 – www.janschweers.de

Der Kampf ums Geld nach einem Unfall …

Nach einem Verkehrsunfall wird oft über die Höhe des angemessenen Schmerzensgeldes gestritten. Es gibt zu jeder Verletzung sehr viele gerichtliche Entscheidungen über die angemessene Höhe des Schmerzensgeldes. 

Aus den Tabellenwerten kann man sich entsprechende Entscheidungen heraussuchen, die jedoch niemals hundertprozentig zu dem eigenen Fall passen. Folglich muss immer insgesamt geschaut werden, welche Verletzungen der Geschädigte in der Gesamtheit erlitten hat, wie lange er aufgrund der Verletzungen beeinträchtigt war und ob eventuell Dauerschäden verbleiben. Dies sind die Grundlagen für die Ermittlung des angemessenen Schmerzensgeldes. Dass es in Deutschland kein Schmerzensgeld wie in den USA gibt, ist uns allen bekannt. Ich mag nicht abstreiten, dass die Schmerzensgelder in den USA sicherlich oftmals zu hoch sind, jedoch in Deutschland sind sie in vielen Fällen weitaus zu gering.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 18.10.2018, Az. 22 U 97/16 hatte sich jüngst wieder mit der Höhe eines angemessenen Schmerzensgeldes zu befassen. Ein Motorradfahrer kollidierte auf einer Kreuzung mit einem Pkw Fahrer, der kurz vor der Kreuzung wenden wollte. Der Motorradfahrer erlitt einen komplizierten Speichenbruch, eine HWS-Distorsion, eine Bauchwandprellung und eine dauerhafte Sensibilitätsstörung der Hand. Er war über 4 Monate arbeitsunfähig und die Versicherung des Pkw Fahrers zahlte auf das Schmerzensgeld einen Betrag i.H.v. 5.000 Euro. 

Der Motorradfahrer war mit der Höhe des gezahlten Schmerzensgeldes nicht einverstanden und reichte eine Klage vor dem Landgericht ein. 

Das Landgericht sprach dem Motorradfahrer schließlich ein Schmerzensgeld i.H.v. 10.500 Euro zu, womit jedoch die beklagte Versicherung des Pkw Fahrers nicht einverstanden war. Sie legte dagegen das Rechtsmittel der Berufung ein. Der Fall musste folglich vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main verhandelt werden. 

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verurteilte jedoch die Versicherung des Pkw Fahrers zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von insgesamt 11.000 Euro, da die tabellenmäßig erfassten Schmerzensgeldentscheidungen anderer Gerichte für die Grundlage der Berechnung weder einen Maßstab noch eine Begrenzung begründen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main erachtet als angemessene Methode für die Berechnung des Schmerzensgeldes eine taggenaue Berechnung unter Berücksichtigung der im Zeitverlauf unterschiedlichen Behandlungsarten, wie z.B. Krankenhausaufenthalt und die Reha-Behandlung. Zudem ist natürlich die Schadensfolge zu berücksichtigen. Laut Oberlandesgericht Frankfurt am Main basiert diese neue Berechnungsweise auf einem prozentual ausgedrückten Tagessatz des vom statistischen Bundesamt ermittelten jährlichen durchschnittlichen Brutto-Nationaleinkommens je Einwohner, welcher mit einem weiteren prozentual ermittelten Faktor für den Grad der Schädigungsfolgen multipliziert werde. Auf das persönliche Einkommen des Geschädigten kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, da Schmerz von allen Menschen gleich empfunden werde. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verwies darauf, dass in anderen europäischen Ländern ähnliche Berechnungsweisen zur Vereinheitlichung von Schmerzensgeldberechnungen lange anerkannt sind.

Das Urteil lässt uns hoffen, dass die teilweise in Deutschland zugesprochenen sehr geringen Schmerzensgelder in Zukunft angemessener und den Verletzungen sowie der Verletzungsfolgen entsprechender für die Zukunft angepasst werden.

Im vorliegenden Fall war, insbesondere aufgrund des komplizierten Speichenbruchs und der dauerhaften Sensibilitätsstörung der Hand, das von der Versicherung zugesprochene Schmerzensgeld i.H.v. 5000 Euro weitaus zu gering. Es kann keinen Ausgleich für die erlittenen Verletzungen in der Vergangenheit und auch die Beeinträchtigung in der Zukunft erbringen. Ich kann euch allen nur raten, bei den Verhandlungen über das Schmerzensgeld nicht allzu schnell den Kopf in den Sand zu stecken und den Vorstellungen der Versicherung nachzugeben. In der Regel lohnt sich eine auch über einen längeren Zeitraum vorgenommene zähe Verhandlung mit den Versicherungen.