aus Kradblatt 2/17
von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
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Schwierige Hinterherfahr-Messung

Ich habe bereits mehrfach darüber berichtet, dass es unseren Ordnungshütern möglich ist, eine Geschwindigkeitsmessung während des Hinterherfahrens vorzunehmen. Dies kann mit einem Provida Messgerät oder aber auch durch einfaches Hinterherfahren unter Berücksichtigung bestimmter richterlicher Grundsätze erfolgen.

Die Hürden für eine ordnungsgemäße Messung beim Hinterherfahren sind sehr hoch und die Gerichte scheinen es unseren Ordnungshütern in Zukunft auch nicht leichter machen zu wollen. Das ist meiner Ansicht nach auch sehr vernünftig, denn nur zu oft werden in Bußgeldverfahren vage Geschwindigkeiten behauptet und zur Anzeige gebracht. Wenn man dann nicht aufpasst und sich gegen den Vorwurf nicht professionell wehrt, muss man ein Bußgeld bezahlen und eventuell auch die Fahrerlaubnis abgeben.

Die erstinstanzlichen Amtsgerichte kennen sich oftmals mit der Problematik und der Schwierigkeit einen solchen Vorwurf zu überprüfen, nicht aus, so dass es gut ist, wenn man den Messbamten die richtigen Fragen stellen und anschließend auf die Rechtsprechung anderer Gerichte verweisen kann.

Das Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 27.01.2016, Aktenzeichen 1 Owi 4 SsBs 1/16 hatte sich mit einem Fall zu befassen, nachdem die erste Instanz einem Verkehrsteilnehmer ein Fahrverbot von einem Monat und eine Geldbuße von 185 € auferlegt hatte. Der Verkehrsteilnehmer war damit nicht einverstanden und legte gegen das Urteil das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde ein. So landete der Fall vor dem Oberlandesgericht Kassel. Der Verkehrsteilnehmer soll anstatt der zulässigen 100 km/h ganze 144 km/h schnell gewesen sein. Dies will ein Polizeibeamter in einem Polizeifahrzeug, das dem Betroffenen hinterherfuhr, festgestellt haben.

Das Oberlandesgericht Koblenz urteilte zwar, dass es grundsätzlich möglich sei eine Geschwindigkeitsüberschreitung während der Hinterherfahrens festzustellen, es stellte aber auch sehr strenge Regeln auf, die die Polizeibeamten einzuhalten haben, um einen gerichtsverwertbaren Verstoß feststellen zu können.

Das Oberlandesgericht Koblenz machte dies an der Länge der Strecke, die hinterhergefahren wurde, dem Abstand währenddessen und der Geschwindigkeit fest.

Der Abstand zwischen dem gemessenen und hinterherfahrenden Fahrzeug darf nicht zu groß sein. Der Abstand sollte den halben Tachowert nicht unterschreiten und den ganzen Tachowert nicht überschreiten. D.h. bei 140 km/h muss der Abstand mindestens 70 Meter und höchstens 140 Meter betragen. Der Abstand der Fahrzeuge sollte auch nahezu gleichbleibend sein. Dann haben die Fahrzeuge die gleiche Geschwindigkeit.

Zudem muss die Messstrecke ausreichend lang sein. Dies sollte das Fünffache des Tachowertes, mindestens aber 500 Meter sein. Bremst also das vorausfahrende Fahrzeug noch bevor im nachfahrenden Fahrzeug der Tachostand abgelesen werden konnte ab, ist die Messung nicht zu verwerten.

Macht der Messbeamte alles richtig, ist letztendlich vom abgelesenen Tachowert auch noch ein Abzug von 20 Prozent vorzunehmen. Im entschiedenen Fall soll die Geschwindigkeit 180 km/h und die vorgeworfene Geschwindigkeit 144 km/h betragen haben.

Ihr fragt euch sicherlich, wie denn der Fall ausgegangen ist. Da das erstinstanzliche Amtsgericht in seinem Urteil die Vorgaben des Oberlandesgerichts in den Urteilsgründen nicht aufgeführt hatte, musste es sich mit dem Fall erneut befassen. Eine schwere Aufgabe für das Amtsgericht, hatte es doch die Abstände zum Zeitpunkt des Ablesens des Tachos nicht erwähnt. Da das vorausfahrende Fahrzeug abbremste und das Polizeifahrzeug beschleunigte, sprach vieles dafür, dass die Geschwindigkeit des Polizeifahrzeugs nicht dem des vorausfahrenden entsprach. Der Betroffene wurde freigesprochen und die Polizeibeamten mussten letztendlich feststellen, dass sie übers Ziel hinausgeschossen waren, nachdem sie sogar noch eine Überprüfung der charakterlichen Eignung des Fahrers bei der Führerscheinstelle angeregt hatten.