Carcassone
Familie und Motorrad lassen sich gut verbinden. Eine Reise in die Pyrenäen.

aus bma 12/09

von Angela Wahlen

CarcassoneMan nehme einen Mini-Bus mit 9 Sitzen und großem Kofferraum. Einen Motorradhänger für 3 Motorräder (650er V-Strom, 600er Fazer + XJR 1300) 4 Erwachsene und 2 Kinder (17 + 9 Jahre). Es ist erstaunlicherweise wesentlich günstiger Bus und Hänger zu mieten + inkl. Sprit und Autobahngebühren, als in der Hauptsaison mit dem Autoreisezug zu fahren. Und der Urlaub geht los!

Freitagmorgen (Sommerferienanfang) holten die Männer den Bus und den Hänger ab. Während wir Frauen die Klamotten zusammenpackten. Gegen Mittag wurde der Wagen beladen. Allein schon die Motorradbekleidung, 6 Helme, 12 Stiefel und ein Topcase nahmen die Hälfte des Kofferraums in Anspruch. In der Kühlbox lagen lecker selbstgemachte Frikadellen und Schnittchen. Ein Eimer Kekse für zwischendurch, das wird reichen um unnötige Pausen zu vermeiden, denn diesmal ist nicht der Weg das Ziel. Eins, zwei und drei, alle Mopeds auf den Hänger und ordentlich festzurren. Wackeltest und ab geht’s. Hamburg verabschiedet sich von uns mit strömenden Regen (gut, dass wir nicht mit dem Motorrad fahren mussten) und natürlich mit kilometerlangen Ferien-Staus. So ist es halt, wenn die „Zwerge” noch zur Schule gehen.

Gegen 23 Uhr, 784 Kilometer weiter, haben wir es bis nach Neuenburg am Rhein geschafft. Letzter Snack vor der „Grenze”, noch schnell ’ne Pause. Ein bisschen Koffein und was für den Bauch tun. Frankreich tief dunkel, alles schläft, bis auf den Fahrer (zum Glück!). Bei den Mautstellen war auch im Dunkeln echter Andrang. Ca. 900 Kilometer später, insgesamt 62 Euro und ein paar Zerquetschte ärmer, sind wir bei Sonnenaufgang in Perpignan angekommen. Von dort geht es von der Autobahn auf die Schnellstraße N 116 nach Prades. „Sie haben Ihr Ziel erreicht!” sagte uns das Navi.

Rast in den Pyrenäen

Super Unterkunft (Biker Paradise von Mireike und Olli), sehr familienfreundlich, tolle Anlage ist auf jedenfall weiter zu empfehlen. Pool, Liegewiese mit verschiedenen Liegemöglichkeiten, Trampolin, Tischtennis und andere Bewegungsmöglichkeiten sind reichlich vorhanden. Auf dem Areal sind diverse Sitzgruppen mit Grill und Feuerstellen. Garage mit Werkstatt für die Motorräder und ein großer Parkplatz für die Autos und Anhänger sind auch da. Allerdings war die Auffahrt und der Hof mit Kieselsteinchen belegt.

Einkaufsmöglichkeiten und Bäcker sind gut zu Fuß zu erreichen. Ferner gab es in Prades auch Wochenmärkte. Der am Samstag war ne Miniaturausgabe, aber am Dienstag steppt dort der Bär. Prades-City im Ausnahmezustand. Es gab nichts, was es nicht gab. Naja fast, leider haben wir keine Peperonis fürs Abendessen bekommen. Und der Kurven-Spaß kann beginnen.

Am Sonntag, zum Eingewöhnen, Familienausflug nach Andorra. Von Prades aus auf die N 116 nach Pulgcerda, dann rechts auf die N 20, in Porta der N 320 weiter nach Andorra. Große lang gezogene und kleine Kurven, für den Anfang schon mal recht gut. Andorra la Vella am Sonntag ist nicht zu empfehlen. Wir haben echt Schwierigkeiten gehabt, für drei Mopeds Parkplätze zu bekommen. Der Hamburger Hafengeburtstag ist dagegen ‘ne Kleinveranstaltung. Deshalb haben wir uns nicht lange aufgehalten und sind denselben Weg wieder zurück gefahren. Abends beim gemeinsamen Grillen auf „unserer” Terrasse wurden Pläne für die nächsten Tage geschmiedet.

Tolle Strecken, kleine Straßen mit kleinen Kurven bietet die Straße von Prades nach Axat, die sich an den Bergen entlang schlängelt und eine Höhe von ca. 1500 m erreicht. Aber selbst in dieser Höhe ist es noch immer sehr heiß. Von Axat ging es ein Stück auf der N 117 bis Lapradelle, von dort aus die kleine Bergstraße über Sournia zurück nach Prades.

Aus Drei wird Vier. Nee, nicht so, ich mein natürlich Mopeds. Am Samstagabend bekamen wir noch „Verstärkung” von unserem Freund aus dem Siegerland mit seiner BMW GS 1150. Da bei uns schon alles belegt war, wohnte er in ca. 600m Entfernung.

{dybanners}13,,,{/dybanners}

 

Kurvenspaß

Spaß in den „Backen” hatten wir auf der Tour nach Col de Pailhères. Er ist mit seinen 2001m einer der vier 2000er der Pyrenäen. Die N 116 bis Mont-Louis, dann auf die N 118. Hinter Puyvalador auf die D 32 / D 16 nach Quérigut. In La Pla auf die D 25 über Miljanés. Danach geht es nur noch Zick-Zack nach oben, mit einer Steigung von teilweise bis zu 13%. Oben in einem vegetationsarmen Hochtal, mit Resten von Schneefeldern hatten wir einen herrlichen Panorama-Blick auf die Pyrenäen. Auch der „Abstieg” gestaltete sich serpentinartig, so dass es uns nochmals ein Grinsen hinters Visier zauberte. Richtung Ascou, über die D 613 Col de Chouila, dann den Sieben-Brüder-Pass zum Col de sept Fréres, wo wir wieder eine Höhe von 1253m erreicht haben. In Espezel biegen wir auf D 120 und in Belfort-sur-Rebentyauf die D 107 ab, bis Cailla und dann weiter bis Axat. Von dort aus auf die D 118. Wir durchqueren die Schlucht Gorges de St.Georges. Dann in Sainte-Colombe-sur-Guette links auf die D 17 / D18 und D 84. Wir schraubten uns noch mal in kurvenreiche Höhe von 1513m im Hochgebirge des Col de Jau. Runter ging’s über Mossat nach Prades.

An einem Tag haben wir unsere Mopeds gegen 1 PS-Offroader getauscht. Über Stock und Stein auf unbefestigten Wegen, durch Flussläufe ritten wir rauf auf ca. 1800 m Höhe. Ein Wahnsinns-Ausblick erwartete uns. Über unseren Köpfen kreisten die Bartgeier (im Volksmund werden Sie auch Bein- oder Knochenbrecher genannt), die eine erstaunliche Flügelbreite von 2,30 bis 2,80 m bei einer Körperlänge von 94 -125 cm aufweisen können. Nach drei Stunden tat uns der Hintern weh und wir freuten uns schon auf die gemütliche Sitzbank unserer Bikes.

Am Mittelmeer

Während wir uns über die Berge schaukeln ließen, haben zwei unerschrockene Biker von uns einen auf Kultur gemacht. Ziel war die Festung Carcassonne. Die Stadt wurde von den Römern im 1. Jahrhundert v. Chr. gegründet und zählt heute zu den am besten erhaltenen Festungsstädten Europas. Auf den 14 Hektar wohnten im Mittelalter 3.000 bis 4.000 Menschen. Im 13. Jahrhundert beherbergte die Festung die zentrale Verwaltung der Inquisition in Süd-Frankreich. Sie war ein Zentrum der ketzerischen Katharerbewegung. Die im 19. Jahrhundert restaurierte Altstadt mit gut erhaltener doppelten Stadtmauer wurde 1997 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.

Nun aber genug mit Kultur! Runde Reifen bekommt man in Spanien am Mittelmeer. Wir fuhren früh am Morgen, na ja, es war mittlerweile auch schon neun Uhr durch, von Prades auf die N 116 nach Bouleternere von dort weiter auf die D 618 / D 13. In Céret auf die D115 in /Le Boulou D 618 nach Argeles-sur-Mer / Port-Vendres. D 914 an der Küste entlang nach Spanien. Hinter der „Grenze” in Spanien heißt die Straße N 260. Mann o mann, da kann einem ja fast schwindelig werden, das sind ganz schön runde Kurven die die spanischen Straßenbauer hier am Mittelmeer gebastelt haben. Die Mitte der Reifen ist ja auch für Touren in Norddeutschland reserviert. In Llanca verabschiedeten wir uns vom Mittelmeer und fuhren bei Garriguella auf die C252. Gi 603 / Gi 602 über Espolla nach Capmany. Gi 502 über Darnius. In Macanet de Cabrenys haben wir eine Pause gemacht. Uriges Städtchen, mit super engen mit Kopfstein gepflasterten Straßen. Gut erholt fuhren wir auf die D 503 / Coustouges D 3 in Can Patere auf die D115 Rictung Ceret D 13 / D 618 und N 116 wieder zurück nach Prades. Damit wir nicht mit unserer „Helmblässe” nach Hause kommen, haben wir an unserer Urlaubsbräune gearbeitet. Einen Tag lagen wir faul am Strand von Argeles-sur-mer. Der im äußersten Süden Frankreichs gelegene Badeort am Mittelmeer, am Rande der Pyrenäen. Der Strand erstreckt sich auf über sieben Kilometer und ist teilweise fast 100 m breit. Wir hatten also genug Platz um uns den Bauch bescheinen zu lassen und zum Abkühlen sind wir halt mal ins Mittelmeer gehopst.

Katharerfestung

Am Tag vor unserer Abreise haben wir noch eine kleine Runde gedreht. Von Prades aus über Sournia nach St. Paul und weiter zur Georges de Galamus. Der Fluss, der am Grund der Schlucht fließt, heißt Agly und hat mehrere zehn Meter Vertiefung in den Stein gegraben. Die Schlucht selber wurde durch eine seltene geologische Gesteinsart, die aus Quellwassern entstanden ist, geformt. Wir sind die ca. 1,5 km lange Strecke an der Schlucht von Galamus entlang „gefahren” – das heißt, unsere Tachonadel hat sich kaum bewegt, denn die Enge der Straße und auch die unübersehbaren rechtwinkligen Kurven ließen nur Schrittgeschwindigkeit zu.

Die Straße windet sich am Berg entlang und ist teilweise nur knapp einspurig befahrbar. Die Durchfahrtshöhe liegt unter 2,70 m, nix für große Autos wie Wohnmobile oder so. Ab dem späten Vormittag wird dieser Weg abwechselnd zur Einbahnstraße. Das Navi zeigte uns den schnellsten Rückweg. Diese Mini-Wege bestanden teilweise aus Schotter oder Rollsplitt, dafür war die Landschaft drum herum atemberaubend.

KaffeepauseKleine Touren zwischen 200 und 350 km machten wir in der Umgebung. Manche Strecken sind wir doppelt gefahren bzw. andersherum, oder haben sie mit anderen Streckenabschnitten verbunden. Ab und zu schoben wir einen Pooltag ein, wir wollten unseren „Lüttsten” nicht überfordern. Er hat schließlich toll mitgemacht und super durchgehalten. Auch mit Kindern kann man einen super Motorrad-Urlaub erleben.

Schwupps, da waren zwei Wochen vorbei. Schnell noch die Bikes abduschen damit die Fingerchen, beim Verzurren der Mopeds auf dem Hänger halbwegs sauber bleiben. Tja, was noch gesagt werden sollte ist, dass die Einheimischen den Bikern gegenüber sehr zu vorkommend sind, denn sie haben immer Platz zum Überholen gemacht, obwohl wir gar nicht immer wollten! Allerdings stellte sich später im Gespräch mit Mireike heraus, dass dies keine Nettigkeit der französischen Bevölkerung ist, sondern die Autofahrer hätten Angst vor einheimischen Bikern, weil die wohl recht rücksichtslos überholen und fahren deshalb weit nach rechts rüber. Irren ist menschlich!!!

Alles in allen war es ein wunderschöner Urlaub, der Groß und Klein viel Freude bereitet hat. Unsere Große hat das Fieber gepackt. Kaum zu Hause ist sie zur nächsten Fahrschule und hat sich für die Führerscheine Auto und Motorrad angemeldet. Für Sie steht zum 18. Geburtstag schon seit Juni das passende Präsent in Form einer GPZ 500 in der Garage eines Freundes.

Es ist jeder auf seine Kosten gekommen. Allerdings ist es Mitte bis Ende Juli ziemlich warm. Wir hatten am Abend immerhin noch Temperaturen um die 30 Grad. Unser „Lütter” freut sich schon auf den nächsten Familien-Biker-Urlaub. Der Winter ist lang hier im hohen Norden, wir haben viel Zeit das passende Reiseziel zu finden.

Ich hoffe, ich habe mit diesem Bericht auch anderen Familien Mut gemacht. Mann/Frau muss sich nicht zwischen Kind und Zweirad entscheiden, nein man kann auch alles haben.

{dybanners}14,,,{/dybanners}

 

{dybanners}15,,,{/dybanners}