Ein Gericht hat erhebliche Zweifel an der Eignung des Blitzers ES 3.0 als standardisiertes Messverfahren. RA Jan Schweers beschreibt den Fall …

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aus Kradblatt 2/16 – Rechtstipp

von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de

Probleme mit Blitzer ES 3.0 …

Ein Urteil des Amtsgerichtes Meißen lässt viele Verkehrsteilnehmer aufatmen. Das Amtsgericht Meißen, Urteil vom 29.05.2015, 13 OWi 703 Js 21114/14, hat in einem 112 Seiten langen Urteil entschieden, dass Messungen mit dem bis dahin als zuverlässig geltenden, standardisierten Messgerät ES 3.0 der Firma eso, fehlerhaft und damit nicht verwertbar sind.

In dem Urteil setzte sich die vorsitzende Richterin des Amtsgericht Meißen eingehend mit dem Messgerät ES 3.0 auseinander. So heißt es wörtlich in dem Urteil: „Die Beweisaufnahme hat bauartbedingte Fehlerquellen der Geschwindigkeitsmessanlage bei der Messwertbildung zu Tage treten lassen, die nicht innerhalb der zulässigen Verkehrsfehlergrenze liegen und auch nicht durch einen größeren Toleranzwert ausgeglichen werden können.“

Die Beweisaufnahme wurde durch die Vernehmung von Zeugen durchgeführt. Zeugen, die eigentlich alles, aber auch wirklich alles über das Messgerät beantworten müssten, es aber dann doch nicht konnten. Die Zeugen waren nämlich der Geschäftsführer sowie der Entwicklungsleiter der Firma eso. Wer, wenn nicht diese Personen, sollten umfassende Informationen und Wissen zu dem von ihnen betriebenen Messgeräten liefern können.

Die Beweisaufnahme verlief jedoch ernüchternd. Die Befragung des als Zeugen geladenen Entwicklungsleiters der Firma eso ergab nach Ansicht des Gerichtes nicht nur erhebliche Zweifel an der Eignung des ES 3.0 als standardisiertes Messverfahren, sondern auch am Verständnis der Firma eso am eigenen Messverfahren und dem zugrunde liegenden Messprinzip.

So wollte oder konnte der Geschäftsführer der Firma eso die Auswertungen der Messungen seines Messgerätes nicht vor Gericht vertreten. Die Gründe sind unbekannt.

Der Entwicklungsleiter der Firma eso kennt bspw. den Algorithmus der Korrelationsprüfung nicht. Weiterhin konnte der Entwicklungsleiter die Gültigkeitskriterien für die Auswertung einer Messung nicht nennen.
Überraschend war auch, dass die Bauartzulassung auf einer falschen Einstufung des Messgerätes als sog. „Lichtschrankenmessgerät“ beruht. Damit ist sie aus formellen Gründen schon nichtig, so die Richterin. Aus materieller Sicht ist die Gerätezulassung auch nichtig, weil ein einziger Impuls, sog. „peak“, zur Messwertbildung ausreicht.

Stark wurde auch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) kritisiert. Diese ist die verantwortliche Zulassungsstelle für Geschwindigkeitsmessgeräte. Nach Auffassung des Gerichts hätte die Bauart des „ES 3.0” überhaupt nicht zugelassen werden dürfen. Die PTB habe das Messverfahren nicht ordnungsgemäß geprüft. Im Endeffekt sei nicht gewährleistet, dass unter gleichen Voraussetzungen auch tatsächlich gleiche Messergebnisse zu erwarten sind.

Auch eine Auswertung der Messung durch esoData.esoDigiatales.de ist abzulehnen, so das Gericht, da hier die Möglichkeit der Manipulation besteht. Ferner gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine Überprüfung von Messwerten anhand von Rohmessdaten unabdingbar ist. Rohmessdaten, anhand derer die vom Gerät ermittelte Geschwindigkeit durch Sachverständige überprüft werden könnte, jedoch von der Firma eso unter Verschluss gehalten wird. Auch dies spricht gegen ein zuverlässiges und standardisiertes Messverfahren.

Das Gericht stellte damit anhand zahlreicher Punkte fest, dass das bis dato eigentlich zuverlässige Messgerät seine Tücken hat und offensichtlich nicht weiterhin als standardisiertes Messgerät betrieben werden kann.
Betroffene haben deshalb eine große Chance, sollten sie mit dem Messgerät ES 3.0 geblitzt worden sein, gegen den Bußgeldbescheid erfolgreich Einspruch einzulegen.

Es bleibt abzuwarten, wie andere Gerichte in Deutschland mit diesem Urteil umgehen werden. Letztendlich wird es aber immer darauf hinauslaufen, dass von einem standardisierten Messverfahren nicht mehr ausgegangen werden darf und öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Messungen im Straßenverkehr die jeweilige Messung unter die Lupe nehmen müssen. Ich halte euch auf dem Laufenden, wenn es hierzu neue Entscheidungen gibt. Ihr solltet euch aber gegen Messverfahren mit dem Messgerät ES 3.0 wehren.