aus bma 8/13
von Olaf Jansen
Fast ganz Europa haben wir in den letzten 10 Jahren mit unseren Motorrädern bereist. Meine Freundin auf ihrer Honda Hornet 600 S, ich auf meiner Yamaha R1, Modell RN04, Bj. 2000.
Mittlerweile hat die R1 schon 100.000 km (Artikel in 12/12 <hier>) gelaufen. Dabei haben wir neben allen direkten Anrainerstaaten um Deutschland herum auch England, Schottland, Wales, Nordirland, Irland, Slowenien, Italien, Norwegen und Schweden bereist. In vielen Ländern haben wir auch an Renntrainingveranstaltungen teilgenommen, die wir vorher gebucht hatten. Nie hatten uns unsere Maschinen im Stich gelassen, immer sicher und pünktlich wieder nach Hause gebracht.
Nun also stand die Ostseeumrundung an. Schließlich fehlten noch Litauen, Lettland, Estland und Finnland auf unserer Agenda. Der R1 mochte ich eine solche Tour jedoch nicht mehr zumuten. Etwas Neues musste her. Als Erstmotorrad stand schon immer ein Sportmotorrad der Marke Yamaha in der Garage. Wahrlich nicht nur aus wirtschaftlichem Patriotismus habe ich mich im letzten Jahr aber für eine BMW S 1000 RR entschieden. Die R1 steht aus Liebe zur Marke Yamaha aber immer noch in der Garage und wird auch noch bewegt. Denn eines meiner Mottos lautet: „Einmal Yamaha, immer Yamaha“. Bei der Kilometerleistung und auch einigen „Kampfspuren“ aufgrund der Erdanziehungskraft ist die Aussicht einer Kostenkompensierung für die S 1000 RR durch den Verkauf der R1 eher gering. Der Ärger darüber am nächsten Tage wäre sicher schmerzhafter.
Die S 1000 RR ist sicher kein Reisemotorrad. Sie ist auf der Rennstrecke zu Hause. In der Motorsportarena Oschersleben und im Fahrsicherheitszentrum Lüneburg habe ich sie auch schon ausgiebig getestet und an ihre und meine Grenzen gebracht.
Nun aber die geplante Ostseeumrundung. Als erstes hatte ich aufgrund der kantigen Form des Hecks und der spitzen Form des Soziussitzes das Problem, das erforderliche Gepäck für die Reise sicher zu transportieren. Im S 1000 RR Forum (www.S1RR.de) konnte man mir aber entsprechende Tipps geben. Die Firmen Hepco & Becker bzw. Krauser haben für die S 1000 RR ein sogenanntes Sportrack und ein Trägersystem für die Satteltaschen konstruiert und in ihren Programmen aufgenommen. Auf den Hamburger Motorradtagen habe ich die Gunst günstiger Messepreise genutzt und das komplette Paket inkl. Sattentaschen gekauft. Zu meiner Überraschung ist das Sportrack durch ein zusätzliches Schloss, das ich bei BMW bestellte, in wenigen Sekunden gegen den Soziussitz austauschbar. Das Trägersystem ist an den zwei Befestigungen für die Heckbeleuchtung bzw. Nummernschild und mit Splinten an den Fußrasten für den Sozius angebracht. Der An- und Abbau ist daher auch in wenigen Minuten möglich. Ohne angebrachte Satteltaschen hat das Trägersystem nach meiner Einschätzung kaum negative Einflüsse auf die sportlich aggressive Optik des Motorrades. Das Gepäckproblem war gelöst.
Um die Reise ohne ständiges Suchen nach Straßen und Wegen bewältigen zu können, musste auch ein Navigationsgerät am Motorrad angebracht werden. In den letzten Jahren hatte uns das Rider 1 von der Firma TomTom immer treue Dienste erwiesen. Doch Verschleiß und veraltetes sowie nur auf Westeuropa beschränktes Kartenmaterial bewegte uns zu einem Neukauf. Wir entschieden uns für ein Navigationsgerät der Firma Garmin. Das Zumo 220 hat das gesamte Straßennetz Europas im Portfolio. Leider gibt es aber werksseitig keine Befestigungsmöglichkeit im Cockpit und am Lenker der S 1000 RR. Auch hier bekam ich im o.g. Forum den entscheidenden Tipp. Die Firma Motorradzubehör Hornig hat eine GPS Halterung speziell für Sportmotorräder konstruiert. Die Halterung wird in die vorhandene Aufnahme in der Gabelbrücke geschraubt und hat keine negativen Einflüsse auf das Lenkverhalten des Motorrades. Mit der von der Firma Garmin mitgelieferten Motorradhalterung ist die Navigation ohne Probleme möglich. Die zielgeführte Navigation war somit auch sichergestellt. Hauptziele unserer Reise sollten die alten Hansestädte Riga in Lettland und Tallinn/Reval in Estland sein. In Litauen standen die Kurische Nehrung und der „Berg der Kreuze“ auf der Agenda.
Anfang Juli ging es endlich los. Gleich nach der Arbeit starteten wir Freitagnachmittag erst mal nach Siedenbüssow ins Gutshaus. Herzlichen Dank noch einmal an Nils Werner, der uns wieder mal vorzüglich bewirtet und untergebracht hat.
Über Kolobrzeg (ehemals Kolberg), einem beliebten Ostseebad in der Woiwodschaft Westpommern mit einem sehr gepflegten strandnahen Campingplatz ging es durch den kaschubischen Teil Polens nach Elblag (ehemals Elbing) im Ermland-Masuren. Der City-Campingplatz liegt direkt an den Flüssen Elblag und Nogat, die zusammen in das Frische Haff der Ostsee münden. Der Platz ist einfach, aber sauber. Zudem wird der Platz tags und nachts überwacht und ist sehr günstig. Die sehr schöne Altstadt ist und wird weiterhin mit EU-Fördermittel aufwendig saniert. Hinter den Mauern der Altstadt ist aber noch sehr viel Handlungsbedarf um westlichen Wohn-und Lebensstandard zu erreichen. Von Elblag sind wir an der Nordgrenze Masurens durch das alte Ostpreußen gefahren. Dieser Landstrich ist sehr reizvoll. Herrliche Alleestraßen wechseln sich mit kurvenreichen Passagen entlang der zahlreichen Seen ab. Die Straßenverhältnisse sind nicht anders als in Schottland oder Irland. Man wird teilweise kräftig durchgeschüttelt. Eine etwas softere Einstellung der Upsidedown-Gabel konnte dieses etwas mildern. Zudem ist der Nordosten Polens ein Land der Störche. In manchen Ortschaften konnten wir auf jedem Hof ein besetztes Nest entdecken.
Unsere letzte Übernachtung in Polen hatten wir westlich von Suwalki (ehemals Sudauen), im Dreiländereck Polen/Russland/Litauen, auf einem sehr einfachen Campingplatz ohne Kiosk.
Entschädigt wurden wir durch den herrlichen See Jezioro Wigry, an dessen Ufer wir unser Zelt aufschlugen sowie durch ein Kloster im Ort Wigry, in dem man auch ein gutes und günstiges Restaurant in alten Gemäuern besuchen konnte. Als eine Anekdote wird uns aber wohl das Hochzeitspaar in Erinnerung bleiben, die unsere beiden Motorräder für eine ausgiebige Fotosession in Anspruch nahmen. Zur Belohnung bekamen wir einen Sixpack polnischen Biers. Lecker.
Man merkt Polen an, dass es momentan die am stärksten wachsende Wirtschaft in Europa hat. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt im Jahre 2010 ist es sogar die zwanziggrößte Volkswirtschaft der Welt. Die Infrastruktur in Form von Tankstellen und Supermärkten stimmt. Die Straßen inner- und außerorts, die vor großen Knotenpunkten früher häufig starke Spurinnen aufwiesen, sind größtenteils erneuert bzw. saniert worden. Dieses hängt sicher nicht nur mit der vergangenen Fußball-Europameisterschaft zusammen, die ja zuletzt auch in Polen stattfand.
Bei schwülwarmen Wetter ging es am folgenden Tag nach Litauen. Die Grenze zu Litauen haben wir auf der „Via Baltica“ überquert. Auf dieser im Grenzgebiet zweispurigen Europastraße 67 schleicht ein LKW nach dem anderen von Süd nach Nord und umgekehrt.
Für uns hieß das, die Straße so schnell wie möglich wieder zu verlassen, um auf die Kurische Nehrung zu gelangen. Gefahren sind wir immer entlang der Grenze zu Russland (Kaliningrad), überwiegend auf der Straße 141. Diese alte gut ausgebaute memelländische Straße gestattet auch Blicke in das Gebiet Kaliningrad und nach Sovetsk, dem alten Tilsit am Grenzfluss Nemusnas (ehemals Memel). Auf eine Bereisung des russischen Kaliningrader Gebiets haben wir aufgrund der größtenteils schwierigen Visabeschaffung verzichtet. Entlang der Straße 141 kann man gut erkennen, welche Vergangenheit die einzelnen Ortschaften haben. Im östlichen, früher sowjetisch-litauischen, Teil haben wir überwiegend schmucklose Plattenbauten mit Flachdächern vorgefunden. In diesen Orten waren kaum Bäume zu sehen, ein Ortskern war nicht erkennbar. Im westlichen, früher memelländisch ostpreußischen Teil, haben wir teilweise akzeptabel erhaltene Backsteinhäuser gesehen. Im Ortskern befinden sich kleine Dorfteiche mit überwiegend alten Eichen- und Buchenbäumen. Aber egal wie die Häuser auch aussahen, vor fast allen Häusern stand mindestens ein gutes Mittelklasseauto.
Auf die Kurische Nehrung gelangt man in Klaipeda (ehemals Memel) nur mit einer Fähre, die über die Nemusnas die Straße 167 fährtechnisch verbindet. Die Straße 167 ist mautpflichtig. Zusammen mussten wir für die Nutzung der Straße 40 Litas (LTL) bezahlen. Ein Euro sind umgerechnet rd. 3,50 LTL. Die Straße 167 ist auf der Nehrung bis zur russischen Grenze ca. 45 km lang. Unmittelbar an der russischen Grenze liegt der Kurort Nida (ehemals Nidden). Hier befindet sich auch der einzige Campingplatz auf der Nehrung. Der sehr saubere Platz liegt inmitten eines Kiefernwaldes. Einen Kiosk gibt es zwar nicht, dafür aber ein Restaurant mit einheimischer und internationaler Küche. In Nida haben wir Heiko mit einer Honda Africa Twin und Bernd mit einer Kawasaki ER 500 aus dem Emsland kennengelernt. Beide Motorradfahrer, die wir in den kommenden Tagen immer wieder auf Campingplätzen trafen, wollten ebenfalls Polen und die baltischen Staaten bereisen. Zudem trafen wir dort Silke und Thomas aus Berlin, die uns in Sachen Zelt- und Campingausrüstung eine Länge voraus sind. Silke hat sich schon als Jugendliche zum Ziel gesetzt, alle Hauptstädte Europas mit dem Motorrad zu bereisen. In der näheren Vergangenheit sind ja einige neue Hauptstädte dazu gekommen. Die Nehrung mit ihrem endlos erscheinenden Sandstrand zur Ostsee und der vom Nemusnas gespeiste Bodden sind einen Besuch wert.
Weiter ging es nach Riga in Lettland. Auf dem Weg dorthin haben wir den Berg der Kreuze in Litauen besucht. Der Berg liegt ca. 12 km nördlich der Stadt Siauliai, zu deutsch Schaulen (veraltet), an der Europastraße 77, die hier auch als Via Hanseatica bezeichnet wird. Der Berg der Kreuze ist ein litauischer Wallfahrtsort, der zu einem politischen Symbol gegen die kommunistische Herrschaft der Sowjets in Litauen wurde. Anfang der 1960er Jahre zerstörten die Sowjets den Hügel zum ersten Mal. Doch bereits in der nächsten Nacht wurden neue Kreuze errichtet. Dieses wiederholte sich mehrmals. Mittlerweile stehen hunderttausende Kreuze auch aus aller Welt auf der kleinen Anhöhe, absolut sehenswert. Nahe der Anhöhe befindet sich ein kleiner Shop, in dem Kreuze und auch Souvenirs gekauft werden können. Das Parken ist gebührenpflichtig, kostet derzeit aber nur 2 Litas pro Motorrad.
In Riga steuerten wir den City-Campingplatz an. Der rund um die Uhr durch Sicherheitspersonal bewachte Platz ist einfach, sauber und günstig. Auf der Zeltwiese steht ein Extrazelt mit Bänken und Tisch, das nicht nur bei schlechtem Wetter als eine Art Gemeinschaftszelt genutzt werden kann. Eine gute Idee des Betreibers. Die Hauptstraßen um Riga sind größtenteils neu und als Autobahnen bzw. zumindest als 4-spurige Landstraße ausgebaut, so dass der Campingplatz ohne langes Stop and Go erreicht werden konnte. In Lettland wird noch mit Lats (LVL) bezahlt. Für einen Euro bekommt man rd. 0,70 LVL. Für Lettland aber auch Litauen wird derzeit eine Einführung des Euro in 2014 angegeben. In Riga machten wir einen Tag Pause um die Stadt, vor allem die Altstadt, näher zu erkunden.
Die alte Hansestadt hat sehr viel zu bieten. In der Altstadt gibt es zahlreiche Kirchen und alte hanseatische Kaufmannshäuser, die größtenteils liebevoll restauriert worden sind. Zahlreiche Cafés und Restaurants, teilweise mit Livemusik, laden zum Verweilen ein. Einige Kneipen präsentieren sich im mittelalterlichen Ambiente. In Riga trafen wir auch Heiko und Bernd aus dem Emsland wieder. Beide hatten Riga als ihr nördlichstes Reiseziel auserkoren und wollten tags darauf die Heimreise durch Litauen und Polen antreten. Nach ein paar Bierchen im Gemeinschaftszelt und der Verwunderung über unsere geplante Ostseeumrundung haben sich beide kurzerhand entschieden, ebenfalls die Ostsee zu umrunden. Im Nachhinein war das auch eine gute Entscheidung, denn im Nordosten Polens fegte kurze Zeit später ein Tornado über’s Land, der neben Chaos und zahlreichen entwurzelten Bäumen auch Todesopfer forderte.
Nach der ausgiebigen Besichtigung der Altstadt Rigas machten wir uns auf den Weg nach Tallinn in Estland. Die Strecke legten wir auf der bereits vorgenannten „Via Baltica“, der Europastraße 67 zurück. Die Straße ist zweispurig, aber sehr gut ausgebaut und relativ wenig befahren. Der Haupttransitverkehr für Gütertransporte verläuft eher vom litauischen Kanaus Richtung dem russischen St. Petersburg im Osten. Unsere letzten Lats hatten wir für Kaffee an einer der wenigen Roadhouses ausgegeben. In der letzten lettischen Tankstelle vor der Grenze zu Estland, an der wir Nachtanken mussten, ist die Internetverbindung zusammengebrochen und somit war keine Kartenzahlung möglich. Verwunderlich war für uns, dass die Tankstelle keine Euros als Zahlungsmittel akzeptierte. Eine längere Wartezeit und großer innerlicher Ärger lag vor uns. In allen anderen Tankstellen aber auch Restaurants und Geschäften wurde in Litauen und Lettland der Euro als Zahlungsmittel akzeptiert. Der Wechselkurs lag immer bei den oben angegeben Kursen. Letztendlich konnten wir aber nach einer gefühlten Ewigkeit unsere Fahrt fortsetzen. Kurz vor Tallinn bekamen wir einen heftigen Regenschauer ab. Sicher hätten wir uns den erspart, wenn wir die Tankstelle früher hätten verlassen können.
In Tallinn ist der City-Campingplatz überhaupt nicht ausgeschildert. Das Navigationsgerät hat diesen Point of Interest aber im Programm, so dass wir den Platz zielgenau ansteuern konnten. Bereits im polnischen Elblag hatten wir gehört, dass der „City-Camp Tallinn“ nicht der Beste sein sollte. Als schon viel Gereiste sind wir ja einiges gewohnt, was Campingplätze und Motels etc. betrifft. Der „City-Camp Tallinn“ stellt aber alles bisher Dagewesene in den Schatten. Der Platz befindet sich auf einem ehemaligen und/oder wenig genutzten Messegelände und ist überwiegend asphaltiert. Das Personal war nicht sehr interessiert an Service oder Sauberkeit, dafür mehr am eigenen Laptop. Die sehr kleine Zeltwiese ist sehr uneben und liegt direkt hinter dem Chemietoilettenausguss, entsprechend roch es dort auch. Die Sanitäranlagen sind sehr schmutzig, die Abfallbehälter quollen schon seit einiger Zeit über, so dass überall Unrat anzutreffen war. Ebenfalls dreist waren die Preise, die wir sicherlich auf einem gut geführten Campingplatz gerne bezahlt hätten. Der Preis war mehr als doppelt so teuer wie in Riga. Wir zahlten 22,- EURO pro Tag.
Der Regen und die Verabredung mit Heiko und Bernd, die noch nicht am Platz waren, ließen uns unser Zelt am äußersten Rand der Zeltwiese aufbauen. Zu allem Überfluss bekamen wir in der Nacht auch noch Besuch eines kleinen Ameisenstamms. Einzig und alleine die Aussicht auf die Besichtigung der Altstadt Tallinns ließ uns den Frust über den Campingplatz verdrängen. Denn Tallinns Altstadt übertrifft nochmal die Eindrücke, die wir aus Riga bereits gesammelt hatten. Alles ist hier nochmal etwas größer. Tallinn hat zwei alte Stadtmauern, die in Teilbereichen immer noch aufwendig restauriert werden. Zum einen ist der Bereich um die Domkirche, zum anderen die Altstadt von je einer Mauer umgeben. Die Kirche sowie der damals herrschende Deutsche Orden und die hanseatische Kaufmannsgilde waren sich damals nicht „grün“. Heiko und Bernd verließen uns nach einem Abend Tallinn um rechtzeitig wieder in der Heimat zu sein.
Wie bereits die russische Exklave Kaliningrad haben wir bei unserer Ostseeumrundung auch den Besuch Russlands mit St. Petersburg ausgelassen. Von Tallinn haben wir die Fähre ins 80 km nördlich befindliche Finnland genommen. Die Besichtigung der Hauptstadt Finnlands haben wir uns gespart. In Finnland selbst sind wir überwiegend die Kingsroad gefahren. Die Kingsroad ist eine der ältesten skandinavischen Verkehrsrouten, die ursprünglich von Bergen am Atlantik über Oslo, Karlstad, Örebro und Stockholm und in Finnland entlang der Südküste weiter von Turku nach Wyborg, später auch bis nach Sankt Petersburg führte. Die Sehenswürdigkeiten an der Strecke sind exzellent ausgeschildert. Leider hat es auf zirka der Hälfte der Strecke fürchterlich geregnet, so dass wir in Turku erstmals in ein Hotel im Hafenbereich eingecheckt haben. Hier kam auch der Entschluss, die Fahrt nach Schweden über den Landweg Richtung Polarkreis auszulassen. Eine Fähre nach Stockholm wurde für lediglich zusammen 76,- EUR gebucht. Auf der 11-stündigen Fährfahrt mit Zwischenstopp auf der halbautonomen finnischen Inselgruppe Aland haben wir Johann aus Stockholm kennengelernt. Johann ist ein begeisterter BMW-Fahrer, der mit seiner BMW R65 bereits mehr als 260.000 km abgerissen hat. Er konnte uns ein paar Tipps zu Stockholm geben und hat uns von einer Reise entlang der Ostküste Schwedens abgeraten.
Nördlich von Göteborg haben wir auf der Insel Tjörn zwei Camping-Plätze auf unserer Karte ausfindig gemacht. Beide Campingplätze sind von der 1981 eröffneten Brücke erkennbar. Hier ereignete sich zum Abschluss unserer Reise wieder eine Anekdote, die wir sicher noch das eine oder andere Mal erzählen werden. Wir steuerten den südlichen Platz an. Der Platzchef war nicht anwesend, so dass uns ein Dauercampergast das Anmeldeformular ausfüllen ließ. Die Bezahlung etc. sollten wir mit dem Chef persönlich vornehmen. Wir konnten schon einmal nahe unter der Brücke unser Zelt aufbauen. Die Sanitäreinrichtungen waren unterer Standard und nicht besonders sauber. Davon ließen wir uns aber nicht abschrecken, da wir schon anderes kennengelernt hatten. Und schließlich hatten wir nur noch Dänemark und die Rückreise nach Lüneburg vor uns. Unseren Einkauf für das wie fast immer selbstzubereitete Abendmahl tätigten wir beim nördlichen Campingplatz, da „unser Platz“ keinen Kiosk hatte. Der nördliche Campingplatz war deutlich mehr frequentiert als der südliche Platz. Ich erkundigte mich vorsichtshalber mal nach dem Preis. Dieser belief sich auf 175,- Schwedische Kronen (SEK). Ein Euro entspricht rd. 8,50 SEK. Warme Duschen kosteten weitere 5,- SEK. Nachdem wir auf „unseren Platz“ zurückkamen, wollten wir beim Chef die Übernachtung bezahlen. Dieser verlangte von uns mit allen Drum und Dran 300,-SEK zzgl. einer Campingkarte in Höhe von 140,- SEK. Beides zusammen lehnten wir ab und boten ihm an 300,- SEK zu bezahlen, da wir schon komplett aufgebaut hatten. Dieses lehnte wiederum der Chef ab. Kurzerhand rödelten wir unsere Sachen zusammen und verließen „unseren Platz“ nach gefühlten 5 Minuten, um auf dem nördlichen Platz unser Zelt an einem schönen Fleckchen am See wieder aufzubauen. Kurioserweise kam kurze Zeit später ein Paar aus Bad Oldesloe im Wohnmobil, welches ebenfalls schon auf dem südlichen Platz alles aufgebaut hatte, ebenfalls zum nördlichen Platz. Der Chef hatte wohl einen besonders schlechten Tag erwischt.
Nach Dänemark sind wir über die ÖÅNresundbrücke eingereist, die wir bereits aus über 45 km Entfernung erkennen konnten. Gegenüber 2004, als wir die Brücke das erste Mal überquerten hat sich der Preis pro Motorrad um 7,- EUR erhöht. Derzeit werden 23,- EUR pro Motorrad verlangt. Dänemark haben wir abseits der großen Straßen in 2009 einmal umrundet. Heuer sind wir ab Kopenhagen nur Autobahn gefahren. Nach Deutschland haben wir mit der Fähre Rödby-Puttgarden übergesetzt. Die Fähre ist mit 51,- EUR pro Motorrad für die dreiviertel Stunde Fahrt im Gegensatz zu den beiden vorgenutzten Fähren recht teuer. Aber es bleibt einem ja kaum eine andere Wahl. Nach 16 Tagen und exakt 4000 km ohne Pannen sind wir wieder in Lüneburg angekommen.
Alles in allem haben wir eine sehr schöne Tour mit vielen unterschiedlichen landschaftlichen Eindrücken hinter uns. Man erkennt, dass der Osten Polens und die drei baltischen Staaten auf dem Weg sind, sich an den uns bekannten Westen und unseren Standards anzunähern. Die wahrscheinlich baldige Euroeinführung in Polen, Litauen und Lettland wird den Ländern sicher noch einen Schub geben.
Mittlerweile bin ich mit der S 1000 RR ca. 10.000 km gefahren. Wie schon oft zu lesen war, ist BMW mit diesem Motorrad ein großer Wurf gelungen. Das kann ich nur bestätigen. Abgesehen von der Leistung haben mich die Bremsanlage und die Traktionskontrolle mächtig beeindruckt und überzeugt. Aufgrund des höheren Schwerpunkts gegenüber der R1 ist das zügige Kurvenfahren deutlich „entspannter“. Zum ersten Mal habe ich die Erstbereifung am Motorrad nicht gleich gegen eine andere Reifenkombination austauschen müssen. Der Metzeler Racetec K3 hat abgesehen von einer eher mäßigen Nassperformance durchweg gute Qualitäten, auch auf der Rennstrecke. Der dritte Hinterreifen wartet schon darauf, auf die Felge aufgezogen zu werden. Das ist halt der Preis, den man zahlt, wenn man solch ein Motorrad fährt. Die Unterhaltung ist nicht gerade kostengünstig. Etwas betrübt bin ich daher über die von BMW geforderte kilometerunabhängige Jahresinspektion, wenn man weniger als 10.000 km im Jahr gefahren ist. Zurzeit noch betrifft mich dieses eher nicht, da ich i.d.R. rd. 10.000 km im Jahr mit dem Sportmotorrad unterwegs bin. Wir kennen jedoch viele Motorradfahrer die deutlich weniger im Jahr mit dem Motorrad fahren. Mal schauen, ob es zukünftig bei BMW hierzu noch ein Umdenken gibt.
Die erste große Reise mit der S 1000 RR war körperlich nicht sonderlich anders als die vergangenen Reisen auf der Yamaha R1. Aufgrund der Sitzposition merkt man schon abends am Etappenziel, dass man den ganzen Tag in einer körperlich anstrengenden Position unterwegs war. Doch wozu hat Mann seine Freundin. Ein bisschen Massage hier und da und es geht am nächsten Tag nach einem schönen Frühstück unter freiem Himmel auf einem meistens schönen Campingplatz weiter. Mal schauen wo es uns nächstes Jahr hinzieht. Spanien, Andorra und Portugal fehlen noch auf unserer Agenda.
Kommentare
2 Kommentare zu “Ostseereise mit BMW S 1000 RR”
Respekt
Toller Bericht. Mit so einem Moped so eine Tour? Respekt. 🙂