aus bma 05/02

von Frank Sachau

Die Ostseeinsel Fehmarn ist mehr als nur ein Sprungbrett nach Skandinavien. Abseits ausgetretener Pfade sind stille Ecken und Winkel entlang der Vogelfluglinie zu erkunden. Höher gelegene Streckenabschnitte der Bundesstraße 202 bieten verlockende Ausblicke auf die Hohwachter Bucht, weiße Sandstrände laden ein zum Faulenzen oder Schwimmen.
Von Oldenburg führt die Europastraße 47, die „Deutsche Ferienstraße Alpen-Ostsee”, nach Fehmarn. Seit der Fertigstellung der Fehmarnsundbrücke im Jahr 1963 ist Fehmarn wie mit einer gigantischen Nabelschnur mit dem Festland verbunden. Bis zur Wiedervereinigung war die 185 Quadratkilometer große Scholle die einzige Ostseeinsel der Bundesrepublik Deutschland. 23 Meter über der Wasseroberfläche bietet die Brücke einen fantastischen Ausblick auf Ostholstein, die Insel und unzählige Segelboote.
Kaum senkt sich die Abfahrt hinunter auf die flache Insel, setzen wir den Blinker und verlassen die verkehrsreiche Strecke über die Ausfahrt Avendorf. Wir nehmen Kurs auf die Inselhauptstadt Burg. Uriges Kopfsteinpflaster, alte Fachwerkhäuser und schmale Gassen prägen ein typisches Kleinstadtbild. Kräftig durchgeschüttelt erreichen wir den alten Fährhafen Burgstaaken; er wurde mit dem Bau der Brücke und der Entstehung des gigantischen Skandinavien-Fährterminals Puttgarden fast um seine Existenz gebracht. Früher wurde der ein Kilometer breite und bis zu neun Meter tiefe Sund mit Fähren überquert. Heute ist der Hafen ein beliebter Liegeplatz für Sportboote und Fischkutter. Zum Trocknen ausgebreitete Netze verbreiten ihren eigenen Duft – Hafenidylle pur.

 

Bei einem Pott Kaffee und dem obligatorischen Fischbrötchen ein schneller Blick auf die Generalkarte: Verfahren unmöglich – alle Wege führen nach Burg. Auf menschenleeren Straßen schwingen wir an windschiefen Bäumen und Knicks vorbei zum östlichsten Punkt des Eilandes – dem Leuchtturm von Staberhuk. Als „Huk” bezeichnet der Fehmarner ins Meer ragende Landnasen, auf denen ein Leuchtfeuer steht.
Einmal nicht aufgepasst und eine Lücke im Knick übersehen, ergreift der Wind urplötzlich seine Chance und drängt das Motorrad aus der Spur. Hier an der Ostsee weht fast immer eine steife Brise. Hunderte von Windrädern sind über die ganze Insel verteilt und nutzen den ständigen Luftstrom zur Energiegewinnung.
Anschließend tasten wir uns an der Küstenlinie entlang nach Norden zum nächsten Leuchtfeuer – Marienleuchte. Der Raps steht Mitte Mai in voller Blüte, sein schwerer Duft findet den Weg in den Helm und betäubt die Sinne.
Im Fährterminal von Puttgarden herrscht reger Betrieb, eine Fähre nach der anderen öffnet ihr Riesenmaul für Kraftfahrzeuge aller Art auf dem Weg von und nach Rodbyhavn auf der dänischen Insel Lolland.
Der Name Vogelfluglinie stammt übrigens von den unzähligen Zugvogelschwärmen, die ebenfalls die kürzeste Strecke, Fehmarn-Belt, für ihre Ostseeüberquerung nutzen. Wer mehr über die gefiederten Durchreisenden erfahren möchte, sollte dem Vogelschutzgebiet Wallnau an der Inselwestküste einen Besuch abstatten.
Unsere Rundtour geht weiter. Am Strand von Gammendorf angekommen, macht ein Gedenkstein darauf aufmerksam, dass die sonst so friedliche Ostsee im Sommer 1932 das Segelschulschiff „Niobe” verschlang. Acht Kilometer vor der Küste brachte eine Gewitterböe das Schiff zum Kentern, 69 Menschen fanden den Tod. Seit dem heißt hier fast alles „Niobe” – das Restaurant, das Café, der Imbiss, der Campingplatz, eigentlich der gesamte Strandabschnitt. Wer auf Rente scharf ist, kann sich auf’s Altenteil verziehen: Das gleichnamige kleine Dorf befindet sich auf dem Weg zum Leuchtturm Markelsdorfer Huk.
Viele der Straßen Fehmarns führen als Sackgassen bis an den Strand. Wer Ruhe und Erholung sucht, findet immer ein einsames Fleckchen, um die Seele baumeln zu lassen, denn Fehmarn gehört zu den sonnenreichsten und zugleich regenärmsten Gebieten Deutschlands.
In Petersdorf ein schneller Blick auf die Straßenkarte, rechts halten. Neues Ziel: Flügge, mit dem letzten Seefahrtszeichen des heutigen Tages. Ist die östliche Hälfte des Eilandes durch die ständigen Winde rau und spröde, wechselt auf Westfehmarn die Landschaft ins Liebliche. Die Felder und Scheunen werden größer. Reiche Ernteerträge sorgten für den Titel „Kornkammer Schleswig-Holsteins”. Mehr über Historie und Technik der vielen Mühlen Fehmarns kann man im Mühlen- und Landwirtschaftsmuseum Lemkenhafen erfahren.
Aber nicht nur das Land brachte Lohn und Brot, auch das Meer schenkte Nahrung und Arbeit. Vor der Aalkate in Lemkenhafen stoppen wir die Motoren und betreten die Räucherei. Die umfangreiche Auswahl an frischem Räucherfisch lässt uns das Wasser im Mund zusammenlaufen. Im Garten, wo früher Netze und Boote repariert wurden, laden jetzt rustikale Bänke und Tische zum Verweilen ein. Aal, Heilbutt und Makrele verwöhnen unsere Gaumen.
Der Blick geht zum Horizont, im Dunst sind die kühn geschwungenen Bögen der Fehmarnsundbrücke zu erkennen.

Karten:
ADAC-Reiseführer „Schleswig-Holstein, Nordsee, Ostsee und Inseln“. Handliches Format, ideal für den Tankrucksack.
Die Generalkarte „Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen“, Maßstab 1 : 200.000, Mairs Geografischer Verlag.

Reisezeit:
Ab Mitte Mai bikerfreundliche Temperaturen. Dann taucht die Rapsblüte das ganze Land in den Farbeimer. Angenehme Badetemperaturen ab Ende Juni. Die Sommerferien sollten gemieden werden. Der meist beständige September lockt mit reizvollen Touren entlang der abgeernteten Felder. Ständig vorherrschende Winde vertreiben rasch so manche Regenwolken.

Anreise:
Die Autobahn A1 führt bis nach Puttgarden.