aus Kradblatt 10/18
Text Jogi, Fotos Jogi & Tine, penta-media.de

Offroad-Spaß mit dem Quad in Polen

Quad-Tour Offroad in Westpommern

Bereits vor zwei Jahren hatten wir angefangen, die Gegend rund um Krag im polnischen Westpommern mit dem Motorrad zu erkunden. Die Idee dahinter war, dass der führende Kopf von Endurofuntours, Jochen Ehlers, gerne organisierte Reisen für offroad-begeisterte Motorradfahrer nach Polen anbieten wollte.

Ich erinnere mich noch gut daran, wie wir mit dürftigem Kartenmaterial ausgestattet begannen, die Feldwege, Schotterpisten und unbefestigten Areale mit unseren Enduros abzufahren, um attraktive Strecken mit interessanten Stopps zu finden und per GPS aufzuzeichnen, um danach alles zu übertragen und zusammenzufügen. Oft ging es nicht weiter und mehrfach saßen wir in einsamen Gegenden im Morast fest. Außerdem musste noch erkundet werden, wo man Tankstellen finden kann, Werkstätten, medizinische Versorgung für den Ernstfall und natürlich gute Verpflegung und Unterkunft. 

Inzwischen haben Jochen Ehlers und Rainer Ernst einige Gruppen durch Westpommern geführt und dabei Streckenverläufe und Zielpunkte optimiert. Da die Ansprüche der Teilnehmer sehr verschieden sein können, mussten viele alternative Routen ausgearbeitet und abgefahren werden, um den individuellen Wünschen gerecht werden zu können. 

Quad-Tour Offroad in Westpommern Generell dürfen in Polen alle erkennbaren Wege befahren werden, egal wie gut sie ausgebaut sind oder nicht. Das Verlassen der Wege erfordert eine Erlaubnis oder zumindest Duldung des Eigentümers oder der zuständigen Behörden und Förstereien. Keine leichte Aufgabe, denn wer von uns beherrscht schon die polnische Sprache?

Ich erwähne die Vorteile und den enormen Aufwand, der hinter diesen organisierten und geführten Touren steckt, aus mehreren Gründen. Zum einen, da den meisten von uns nur ein beschränkter Zeitraum für ihre Reisen zur Verfügung steht, so dass keine Stunde mit vergeblichem Suchen und Improvisieren verschwendet werden sollte; zum anderen weil man sich nicht alleine und ohne Ortskenntnisse in der Einsamkeit in Gefahr bringen sollte. Die dünn besiedelten Gegenden und tiefen Wälder bieten nicht nur fantastische Einblicke in die Natur- und Tierwelt, sie beinhalten auch das unangenehme Risiko, im Falle eines unglücklichen Sturzes innerhalb der nächsten 25 Jahre nicht gefunden zu werden. Das mobile Netz ist dort alles andere als flächendeckend. Damit im Falle eines Falles immer einer beim Verunglückten bleiben und einer Hilfe holen kann, sollte man mindestens zu dritt unterwegs sein. Manchmal sind allerdings auch vier kräftige Personen erforderlich, um ein Fahrzeug aus dem Dreck zu ziehen. Das aus Sicherheitsgründen mitgeführte Arsenal an Ersatzteilen, Werkzeug und Ausrüstung verteilt sich auf mehrere Fahrer unproblematisch. Darauf zu verzichten ist nicht ratsam.

Quad-Tour Offroad in Westpommern Ich möchte euch aber nicht weiter als Bedenkenträger langweilen, deshalb jetzt mehr zur Landschaft und dem, was wir erlebt haben.

Natürlich war ich neugierig, wie sich die organisierte Tour durch Westpommern weiterentwickelt hat, nachdem ich die Anfänge miterleben durfte. Die Zusage zu geben, mit Rainer und acht Teilnehmern noch einmal aufzubrechen, fiel mir deshalb nicht schwer. Tine und unser inzwischen leider verstorbene Hund Vito begleiteten mich dabei, blieben jedoch lieber auf den besser befestigten Strecken, da Vito mit seinen 11 Jahren das Offroad-Gerüttel nicht mehr besonders schätzte. 

Unser Zeitfenster war eng gesteckt, so entschieden wir uns, Polen nicht auf zwei Rädern anzufahren, sondern mit dem PKW und den Motorrädern auf dem angehängten Trailer. Außerdem gestaltete sich die 675 km lange Anreise von Hamburg aus zu zwei Dritteln über Autobahnen. Rund sieben Stunden zuzüglich Pausen sollte man kalkulieren.

Ich hatte meine Honda CRF 250 Rallye dabei, Tine ihre alte Yamaha XJ 600 S Diversion, mit der man durchaus auch Schotterwege fahren kann. Man muss es nur wollen und können. 

Etwas erstaunt waren wir, als wir unsere Unterkunft erreichten und uns Rainer zusammen mit einer Gruppe von ATV-Fahrern begrüßte. Wir hatten eigentlich Enduro-Fahrer erwartet.

All-Terrain-Vehicle sind geländegängige Quads, wie man sie häufig, von uns Motorradfahrern meist unbeachtet, bei vielen Motorradhändlern herumstehen sieht. 

Quad-Tour Offroad in WestpommernIch muss gestehen, mich vorher noch nie mit diesen Fahrzeugen auseinandergesetzt zu haben. Umso spannender war es für mich zu erleben, was mit ihnen möglich ist.

Rainer führte unsere Gruppe mit seiner Beta 480, auf der er innerhalb eines knappen Jahres über 11.000 Geländekilometer zurückgelegt hat. Dahinter reihten sich die ATV ein. 

Da sich die Fahrer kannten, wählten sie ihre Reihenfolge nach Können und Tempo gestaffelt selber. Ich bildete das Schlusslicht, denn so konnte ich mit dem eingeschränkten Grip meiner serienmäßig bei der Honda CRF aufgezogenen IEC Trial Mischbereifung mein eigenes Tempo fahren, ohne für die deutlich schnelleren Quads zur Spaßbremse zu werden. Außerdem hatte ich so bessere Möglichkeiten die Gruppe nach Absprache für Fotos zu verlassen. 

Quad-Tour Offroad in WestpommernDie Landschaft Westpommerns ist flach und von sanften Hügeln durchzogen. Die Flächen werden für Land- und Forstwirtschaft genutzt oder sind völlig unberührt. Daneben liegen kleine Dörfer, Siedlungen und einzelne Bauernhöfe. Viele Häuser sind verfallen oder in einem schlechten Zustand. Die Zeit scheint hier stehengeblieben zu sein. 

Ein gekreuzigter Jesus oder eine Marienstatue ist in jedem Dorf des katholisch geprägten Polens zu finden. Unendliche Getreide- und Rapsfelder bestimmen das Landschaftsbild bis zum Horizont, unterbrochen durch Alleen, Knicks und vereinzelte Baumgruppen. 

Anfang Juni steht alles in Blüte und die Felder sind noch nicht abgeerntet. Störche und Kraniche picken auf den Wiesen herum. Hier scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. 

Im August ist schon alles gemäht und auf den Stoppelfeldern liegen die großen Strohrollen, soweit das Auge blicken kann. Es kommt zu einer unglaublichen Staubentwicklung, wenn es einige Tage nicht geregnet hat. Wer nicht an erster oder zweiter Stelle in der Gruppe fährt, darf am Ende des Tages seinen Luftfilter auswaschen oder tauschen. Bei Regen hingegen verwandelt sich alles abseits der festen Wege in herrlichen Schlamm. Mischbereifung ist dafür wahrlich nicht die beste Wahl. Sehr schnell setzen sich die Räume zwischen den Stollen zu. 

Einen Kontrast zu den vom Sonnenlicht hell leuchtenden Feldern, setzen die tiefen Wälder mit ihrem Schatten und angenehmer Kühle. Hier herrscht absolute Stille, wenn die Motoren zum Pausieren abgestellt werden. Man hört nur das Zwitschern der Vögel und Summen der Insekten. Selbst die Geräusche der riesigen Harvester der Waldarbeiter werden nach nur wenigen 100 Metern vom Dickicht verschluckt. Ab und zu liegt der harzige Geruch frisch geschlagenen Holzes in der Luft. Auch die tiefen Fahrspuren verraten, dass man in diesem Teil des Waldes Holzwirtschaft mit schweren Fahrzeugen betreibt. 

Quad-Tour Offroad in WestpommernWährend Rainer und ich mit den Enduros elegant links und rechts neben der Spur gut befahrbaren Untergrund fanden, ackerten sich die ATV durch den Modder. Dabei verbrauchen sie nicht wenig Sprit. Alle 50 bis 100 km ist ein Tankstopp fällig, je nach Belastung. Reserve-Kanister gehören zur Grundausrüstung. Manchmal ist auch der Einsatz einer Winde notwendig, damit es vorangeht. ATV-Fahrer finden da Freude dran, denn dafür haben sie das Gerät schließlich angeschraubt. An anderen Stellen war Muskelkraft gefragt. Nach dem Motto „Vier Mann und vier Ecken“ wurde das aufliegende ATV einfach wieder auf die richtige Spur gesetzt. 

Zwischendurch passierten wir immer wieder kleine Bäche und Seen, an denen zahlreiche Vogelarten brüteten. Mit etwas Glück sieht man sogar Seeadler. Die eine oder andere Fahrt durchs Wasser gehört mit zum Programm. So wird man den groben Schlamm wieder los und reduziert den Einsatz des Hochdruckreinigers nach der Tour.

Die Tierwelt lebt in den Wäldern Westpommerns weitgehend ungestört. Wir haben jeden Tag Hirsche, Rehe, Füchse und auch ein Wildschwein sichten können. 

Einige Kilometer kann man auch auf alten Deutschen Bahndämmen aus Kaisers Zeiten zurücklegen. Die Schienen und Bohlen wurden bereits nach dem Krieg abgebaut und als Reparationsleistungen anderswo genutzt. Zurück blieb der gepflasterte Bahndamm, der zu seiner Befahrbarkeit für die Züge möglichst eben gebaut werden musste. So zieht sich der Bahndamm mal in einem Canyon eingebettet, mal über 10 Meter hoch aufgeschüttet quer durch den Wald. Sogar alte, die Canyons überspannende Betonbrücken, konnten bis heute dem Zahn der Zeit trotzen und sind noch ohne Bedenken zu befahren. Einzig einige umgefallene Bäume sind zuweilen etwas lästig über die steilen Abhänge zu umfahren, bis sie von den Forstarbeitern in gewissen Zeitabständen aus dem Weg geräumt werden. 

Rainer führte uns auch zu einer nicht mehr bewirtschafteten Kiesgrube. Hier scheinen sich häufiger die Crosser auszutoben. Ich nutzte dort das Angebot meine ersten Fahrversuche mit einem ATV machen zu dürfen und hatte einen Mordsspaß dabei. ATV-Fahrer sind beim abendlichen Bier übrigens genauso am Fachsimpeln wie wir Motorradfahrer. Eigentlich tauschen sie sich über die gleichen Themen aus, nur dass sie zwei Räder mehr bewegen. 

Grundsätzlich werden am ATV keine Gänge geschaltet. Sie fahren mit stufenloser Riemenautomatik und schleppen deshalb auch immer Reserve-Zahnriemen und Werkzeug mit sich herum. Die Schaltkulisse ist wie beim PKW mit Automatikgetriebe mit R, N, D und L angelegt und wird auch so bedient. Man unterscheidet zwischen Einrad-Antrieb, was eigentlich Hinterrad-Antrieb mit Differential bedeutet, Zweirad-Antrieb, was Hinterradantrieb ohne Differential oder mit eingeschalteter Differentialsperre bedeutet und Vierrad-Antrieb, dann sind auch die Vorderräder zugeschaltet. Einige ATV haben kein Differential an der Hinterachse. Sie fahren deshalb etwas störrisch um Kurven und das langsamere Rad macht auf Asphalt quietschende Geräusche. Einige sind mit einem Lenkrad und Fußpedalen, wie ein Auto ausgestattet. Andere haben einen Lenker mit einem Handbremshebel links und einem kleinen Hebel rechts am Griff, um mit dem Daumen Gas zu geben. Das ist gewöhnungsbedürftig. Die groben Funktionen sind in jedem Fall nicht schwer zu verstehen. Das ATV im Gelände gefühlvoll und zielsicher zu bewegen erfordert allerdings schon etwas mehr Übung. Sollte euer Motorradhändler so ein ATV als Ersatzfahrzeug bei der nächsten Inspektion zur Verfügung stellen können, probiert es doch einfach mal aus. Bereits auf der Straße ist es ein Erlebnis …

Quad-Tour Offroad in Westpommern Es gibt in Polanow riesige, über Laufbänder aufgeschüttete Halden mit unbrauchbarem Sand, der prima als Spiel-Sand Verwendung finden könnte. Nicht jeder Sand eignet sich nämlich als Bau-Sand. Manchmal sind die Körner zu rund, um stabile Verzahnungen im Zement bilden zu können. Rainer führte uns zu einer 62 Meter hohen Düne dieses Sandes zum Austoben. Mit Anlauf, Vollgas und Überwindung ist der Gipfel theoretisch zu erstürmen. Zumindest hatten es einige aus anderen Gruppen schon geschafft. Der Spieltrieb der ATV-Fahrer war schnell geweckt und plötzlich sah man erwachsene Männer wetteifern, wer es am höchsten auf die Düne hinauf schafft. Wir haben es mit den Enduros gar nicht erst versucht. Die Herausforderung war es, sich mit dem ATV an den Punkt heranzutasten, an dem man noch genug Tempo drauf hat, um das Fahrzeug zu wenden. Bei zu geringer Geschwindigkeit droht ein Überschlag oder seitliches Umkippen. 

Quad-Tour Offroad in WestpommernDas Fahren im Gelände ist anstrengend und ein Tag zur Erholung auf befestigten Straßen und Wegen deshalb nicht verkehrt, wenn man dafür genug Zeit eingeplant hat. So nutzen Tine und ich einen Nachmittag, um gemütlich über die Schotterstraßen und Plattenwege den Wald zu erkunden und die umliegenden Dörfer anzuschauen. Das geht auch mit einer Straßenmaschine noch ganz akzeptabel und ist vermutlich der Traum eines jeden Reiseenduro-Fahrers, der eigentlich sowieso nicht mit dem Übergewicht ins echte Gelände möchte.

Von Krag aus ist es nicht besonders weit nach Darlowo, dem ehemaligen Deutschen Rügenwalde, direkt an der Ostsee gelegen. Hier gibt es ein militärisches Übungsgelände, auf dem sich jedes Jahr Leute treffen, die mit privaten, ausgemusterten Militärfahrzeugen vor begeistertem Publikum durch Dünen, Tümpel und Matsch fahren. Das Übungsgelände konnten auch wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Da es in den letzten Tagen wenig Regen gegeben hatte, ähnelte es allerdings eher einer knüppelharten Hügellandschaft.

Direkt hinter dem Gelände liegt wunderschöner Sandstrand und die Promenade zum Essen gehen und Bummeln ist nicht weit.

Während es mich mit der Gruppe danach wieder in den Wald zog, nutzte Tine die Zeit um Danzig zu besuchen. Schön restaurierte alte Häuser, die Bernsteinstraße und der Hafen ziehen das ganze Jahr Massen von Touristen an. Es ist der krasse Gegensatz zur Einsamkeit der ländlichen Gegend. Auch so kann man Polen erleben. Zu den bekanntesten Bauwerken gehören das Kran-Tor, die Marienkirche und die Baltische Philharmonie. Leider wurde im zweiten Weltkrieg 90 % der Altstadt von der Sowjetischen Armee bei der Rückeroberung zerstört, in Brand gesteckt und geplündert. 

Da für unsere Verhältnisse die Preise in Polen eher günstig sind, sollte man ruhig einige Tage länger bleiben, wenn man die Fahrerei ins Zielgebiet schon auf sich genommen hat. Polen lohnt sich.

Infos zu dieser und weiteren Touren findet man online unter www.endurofuntours.com.