aus bma 02/99

von Jan Hübner

Es war ein Dienstag, wie es schon so viele Dienstage in diesem verregneten Sommer gab. Ich sprang in mein ledernes Beinkleid, streifte mir meine Kutte über und holte mein Moped aus dem Schuppen. Dann traf ich mich mit meinem Kumpel zu unserer wöchentlichen Ausfahrt. Das Wetter war schön, und so entschlossen wir uns zu einem längeren Ausritt zu einem uns noch unbekannten Moped-Händler an der Küste. Doch als wir ankamen, hatte er schon zu, und wir besahen uns die Mopeds durch die großen Schaufensterscheiben. Plötzlich fesselte ein Funkeln aus dem Dunkeln meinen Blick. Mit plattgedrückter Nase entdeckte ich eine schwarze Schönheit, die mir den Atem verschlug. Ein Namensschild zu ihren Füßen stellte sie als CBR 900 RR vor mit der Potenz von 130 PS. Sie schien noch recht jungfraulich, gerade erst in ein heißes Alter gekommen. Eine junge,wilde Schönheit.
Was war das nur für ein Gefühl – ein Kribbeln tief in der Magengrube. Nein, das konnte nicht sein, dieses Gefühl kannte ich nur von anderen Gelegenheiten, die so gar nichts mit dieser Situation zu tun hatten!
Noch zu Hause auf dem Sofa kreisten meine Gedanken immer nur um das Eine. Es war etwas Schwarzes und Schnelles und sah verdammt gut aus. Meine Freundin bemerkte, ich sei etwas gedankenlos. Ja, war ich das? Ist mir gar nicht aufgefallen!
Auch am nächsten morgen war dieses Gefühl im Magen noch da. Bei der Arbeit wartete ein voller Schreibtisch auf mich, aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Meine Gedanken spielten mit etwas anderem. Kurzerhand nahm ich mir den Nachmittag frei. Ich mußte sie wiedersehen. Ich hüllte mich in den Mantel der Verschwiegenheit, schwang mich auf mein ach so lieb gewonnenes Moped und fuhr allein und guter Dinge zu besagtem Moped-Händler.
Durch eine klitzekleine Notlüge arrangierte ich ein Rendezvous mit dem Wesen mit den leuchtenden Augen. Ich erzählte einfach, daß ich mein Moped schon so gut wie verkauft hätte, und jetzt mit ziemlicher Sicherheit die CBR haben wollte, dies aber natürlich erst nach einer ausgiebigen Probefahrt. Nachdem alle Formalitäten überwunden waren, schob der freundliche Moped-Händler den schwarzen Flitzer aus dem Verkaufsraum an mir vorbei. Wieder heftete sich mein Blick gierig an die Kurven dieses rassigen Mädels! Schnell war eine rote Nummer montiert und schon bald hörte ich, wie sie zum Leben erweckt wurde und sich für unseren Ausritt warm lief. Der Chef erzählte mir zwar noch einiges über das Moped, aber ich hörte schon gar nicht mehr zu, denn in meiner äußerst schmutzigen Fantasie kratzte ich bereits mit den Fußrasten auf der Straße.
Dann war es so weit. Ich bestieg das erste Mal eine Feuerblöd, drückte meine Schenkel voller heißer Erwartung gegen ihre prallen Rundungen und spürte wie ein Zucken durch ihren ganzen Körper ging. Sie war genauso erregt wie ich auch. Eine sanfte Fußberührung mit dem linken Fuß und sie zuckte unter meinen Schenkeln. Ich merkte gleich, sie will genommen werden. Und dann fuhren wir los, erst ganz langsam und dann immer schneller und schneller und tiefer und tiefer. Oh, ja, das war genau das richtige für mich. Und obwohl wir beide wußten, daß es Sünde war, was wir taten, lebten wir unsere Gefühle leidenschaftlich aus.Es gab keine Zeit und keinen Raum um uns herum, denn unsere Welt war bunt.
Irgendwann als die erste Erregung sich Erleichterung verschafft hatte, kam der Moment der Vernunft. Ich fuhr mit ihr auf einen einsamen Parkplatz im Industriegebiet, nahm sie nochmal genau unter die Lupe, inspezierte jedes Detail an ihrem aufregenden Körper, und ich sag Dir, er war fast makellos. Nur der Hintern war ein wenig dick, gerade so an der Grenze zum guten Geschmack. Vielleicht kann man da noch etwas optimieren. Dann stand da immer noch der Preis von immerhin 17.500,- DM zwischen mir und meinem leidenschaftlichen One- „Day”- Stand.
Schon bald überkam uns beide wieder diese wilde Leidenschaft, ließ unsere Körper erzittern und wir verschmolzen erneut zu einer erregten und pulsierenden Einheit. Diesmal schwang ich ihre heißen Rundungen in Kurvenlage auf eben dem besagten Parkplatz und weiß Gott, ich hätte viel drum gegeben, wenn ein Paparazzi uns aus seinem Versteck geknippst hätte und mir diese Fotos hätte zukommen lassen.
Die halbe Stunde war leider im nu vorüber, und schweißnass aber überglücklich kehrten wir beide aus dem siebten Himmel der Liebe und Leidenschaft auf den Boden der Tatsachen zurück und schlugen langsam und genüsslich den Weg zurück zum Händler ein. Dort angekommen fuhren wir wieder in die Halle, in dem Bewußtsein, daß es nicht richtig war, was soeben geschehen war, aber keiner von uns wollte dieses prickelnde Erlebnis auch nur eine Sekunde missen. Nur schwer konnte ich meinen Schenkeldruck wieder lösen und mich von dieser Schönheit aus kühlem Aluminium trennen.
Es hätte mehr aus uns werden können, aber die Vernunft löschte unser Feuer der Sehnsucht und Leidenschaft. Ein letzter Blick zurück, und sie rollte wieder an mir vorbei, über den Teppich zurück an ihren Stammplatz. Dort stand sie nun, edel und anmütig und wartet auf die nächste heftige Romanze. Vielleicht findet sie ja irgendwann den richtigen, der sie so nimmt, wie sie ist und ihr alle Wünsche erfüllt, und sie werden glücklich bis an ihr Lebensende, bis daß der TÜV sie scheidet! Ich wünsche es ihr von ganzem Herzen.
Ich schwang mich wieder auf meinen guten alten Tourer und fuhr mit ihm in den Sonnenuntergang. In mir machte sich ein Gefühl tiefer Zufriedenheit breit – bereut habe ich nichts. Aber es war auch wieder schön, mit meiner jetzigen Beziehung zusammenzukommen und mit ihr das alltägliche Leben zu genießen. Mit einer noch nie gekannten Leichtigkeit schwänzelte ich mit ihr um jedes Eck nach Hause. Ich glaube, sie nahm mir den kleinen Fehltritt, der ja in diesem Sinne gar keiner war, nicht übel. Appetit kann ich mir ja holen, denn ich esse immer schön brav zu Hause. Dieses kleine Abenteuer peppte unser gemeinsames Liebesleben sogar kräftig auf, und wir sind glücklich wie nie zuvor.
Aber des Nachts, wenn alles um mich herum Dunkel ist, dann träume ich noch manches mal von diesem Tag mit der schwarzer Schönheit, von der entbrannten Leidenschaft und unserem Akt der Verschmelzung. Am Morgen wache ich dann mit einem kleinen Grinsen im Gesicht auf und fühle mich wunderbar leicht… und wenn mich einer fragt, wie ich geschlafen habe, so antworte ich: Wie ein Motorrad, seitlich auf’m Ständer!