aus bma 4/12 – Oldtimerrallye, 5. „Droga Kaszubska” in Jastrzebia Gora

Text und Fotos: Michael Przibilski

Oldtimerrallye, 5. „Droga Kaszubska” - Concours-de-EleganceFreitag, der 26. August 2011, erster Parkplatz unmittelbar hinter der deutsch-polnischen Grenze. Als meine Frau und ich kurz nach zwölf Uhr Mittags hier eintrudelten, warteten unsere deutschen Oldtimerfreunde bereits auf uns. Die knapp 280 Kilometer bis zur Grenze bei Szczecin schafften wir in gut 3 Stunden. Lediglich die letzten Kilometer der alten Reichsautobahn kurz vor Pomellen stellten eine ernsthafte Gefahr für unsere Fahrzeuge dar. Mit Tempo 70 zuckelten wir dem Treffpunkt entgegen. Sicherheit ging vor Pünktlichkeit.

Vereint gingen wir gemeinsam die restlichen 330 km an. Auf der polnischen Seite lief es nur schleppend. LKW an LKW, teilweise schlechte Straßen, fehlende Autobahnen, zahlreiche Ampeln. Wir nahmen es gelassen hin und erfreuten uns an der Landschaft, die wunderschön im geruhsamen Tempo an uns entlangzog. Nach gut sieben Stunden Fahrt erreichten wir um 19:30 Uhr unser Hotel in Jastrzebia Gora. Die Eröffnung der Veranstaltung und den Vortrag über die Marken Vincent und HRD hatten wir leider verpasst, glücklicherweise langte es zeitlich noch für das Abendessen. Zuvor durften wir aber die traditionelle kaszubische Begrüßung erleben: einmal etwas Schnupftabak in die Nase geschnüffelt und danach einen selbstgebrannten Schnaps für eine Rachenspülung. Eine witzige Traditon, wenn es denn tatsächlich eine ist?! Nach dieser netten und herzlichen Begrüßung, es war mittlerweile nach 20 Uhr, gingen wir schnellen Schrittes in den Speiseraum, zum Abendessen.

Oldtimerrallye, 5. „Droga Kaszubska” -  Ariel Square FourDanach wollten wir deutschen Teilnehmer nur noch eines: unsere Zimmer beziehen. Schlüsselempfang an der Rezeption. Hier erlebten wir ungewohntes: es wird erst bezahlt, dann geschlafen. Auch wurden unsere Euro nicht akzeptiert. Zum Glück konnte Marcin Klimczak, der Organisator, behilflich sein, und wir tauschten mit ihm privat zum offiziellen Kurs 1 zu 4. Flink trugen wir unsere Kleidung und Habseligkeiten in die großzügigen Zimmer. Die Frauen machten sich frisch, wir Männer luden die Motorräder ab.

Langsam schoben wir unsere Schmuckstücke in den Parc Fermé. Jedes Herstellerland hatte hier seinen eigenen Bereich. Links standen die russischen und polnischen Youngtimer, in der Mitte die westlichen Youngtimer, rechts parkten die Engländer, dahinter alle deutschen Modelle, und zum Schluss die polnischen Oldtimermotorräder. Zum Gucken und Vergleichen eine tolle Idee!

Wir stellten unsere Maschinen wie vorgegeben in die einzelnen Bereiche ab, und sofort waren wir von einer Traube junger, wissbegieriger Polen umringt. Fotoapparate klickten derart um die Wette, als gäbe es für die kommenden Tage keine weiteren Motorräder mehr zu sehen.

Oldtimerrallye, 5. „Droga Kaszubska” Jahrelanges Hören von schlechten Witzen ließ mich zur Stahlkette greifen, mit der ich unsere beiden Motorräder verband. Eigentlich müsste ich es ja besser wissen, aber so schläft man ja wesentlich ruhiger. Die polnischen Kameraden grinsten nur, und ich grinste zurück. Gegen 21 Uhr betrat ein Sicherheitsdienst den Platz, wodurch ich noch beruhigter schlafen gehen könnte.

Am Lagerfeuer tranken wir dann noch den einen oder anderen Schnaps, der „Tradition“ wegen und fachsimpelten mit den Leuten.

Die große Überraschung der Rallye war deren Durchschnittsalter. Mit meinen 43 Jahren zählte ich zu den alten Hasen! Die Mehrheit war um die 25 Jahre jung. Einfach unglaublich. Woher diese Begeisterung der polnischen Jugend für die alte Technik kommt (?), ich vergaß es zu fragen. Jedenfalls klang unser erster Abend in netter Gesellschaft aus.

Samstag früh, 7 Uhr. Ein klarer Himmel und 20 Grad versprachen einen Fahrgenuss erster Güte. Ich durchschritt die mittlerweile gefüllten Reihen an Motorrädern. Insbesondere die große Anzahl an Fahrzeugen aus polnischer Produktion war für mich faszinierend. Sokol und Junak kannte ich schon vorher, aber Marken wie WFM oder SFM zum Beispiel kannte ich noch nicht. Ich zählte an diesem Morgen sieben Motorräder der Marke SOKOL!

Oldtimerrallye, 5. „Droga Kaszubska” - SokolInsgesamt 92 Oldtimerfreunde aus Polen, England und Deutschland begaben sich Punkt 9 Uhr auf die über 90 km lange Strecke. Um den Verkehr nicht unnötig mit unserer Anwesenheit zu belasten, wurden wir in drei Gruppen aufgeteilt. Ich fuhr der Fotos wegen in der ersten Gruppe mit, die anderen deutschen Teilnehmer, mit Richard aus Norfolk, in der zweiten Gruppe, die Spätaufsteher nutzten die dritte und damit letzte Gruppe für ihre Fahrt. Schon auf den ersten Kilometern fuhr ich mit Tempo 60 in ein Schlagloch, welches ich leider zu spät entdeckte. Die Gabel schlug bis auf den Anschlag durch. Ein Schmiernippel überlebte diese Aktion leider nicht. Zum Glück ist ein kaputter Schmiernippel kein Stoff für ein Drama.

Eine geschlossene Schranke vereitelte den Plan von drei einzelnen Gruppen, sodass alle Teilnehmer gemeinsam warteten. Zusammen konnten wir unsere Fahrt fortsetzen und die erste Station auf der Halbinsel Hel anlaufen. Auf dem Weg nach Kuznica schauten wir immer wieder gespannt nach rechts auf die Ostsee. Auf dem Wasser tummelten sich mehr Kite-Surfer als Wellen! Das sich deren Seile nicht vertüterten, war ein Wunder.

Wir parkten unsere Motorräder direkt am Strand von Kuznica, legten unsere Lederjacken und Helme auf den Sätteln ab und folgten Marcin und seiner Frau Daria, unserer Dolmetscherin, zu Fuß auf die andere Seite der Halbinsel. Nur etwa 200 m misst das Land an dieser Stelle. Es dauerte also nur wenige Minuten, dann hatten wir den Strand erreicht. Mitten auf dem Strand erwartete uns der Vater von Daria mit ein paar Flaschen selbst hergestellten Sekt. Jeder Teilnehmer erhielt ein Glas mit einem winzigen Schluck darin, zur Erinnerung: in Polen gilt die 0,0 Promillegrenze. Nach dem allgemeinen Zuprosten stellten wir uns zu einem Gruppenfoto auf und gingen dann wieder zu unseren Motorrädern.

Weiter führte uns die geplante Route in Richtung Hel. Mitten im Wald auf einer kurvenreichen Passage stoppten wir wieder und bogen in die Einfahrt zum Militärmuseum ein. Rund um die alten deutschen Geschützstellungen wurden zahlreiche Militärgegenstände sowie geborgene U-Boot-Teile zusammengetragen und ausgestellt. Nach gut einer Stunde Besichtigung fuhren wir weiter nach Hel. Im Hafen aßen wir lecker zu Mittag und relaxten am Strand.

Oldtimerrallye, 5. „Droga Kaszubska” - SokolGegen 13 Uhr folgte ein Geschicklichkeitsparcour, welcher in Deutschland so nicht möglich gewesen wäre. Mitten auf der Promenade wurde eine Fläche von 10 x 15 Metern abgesperrt und mit einer Slalomspur und einer Wippe versehen. Diesen Parcour hieß es nun in der schnellsten Zeit zu umrunden. Szenenapplaus kam von den zahlreichen Zuschauern, die an der Strecke standen und applaudierten. Ich fuhr selber die langsamsten Zeiten des Tages. Mitten auf der Wippe blieb ich stehen und hielt ein paar Sekunden die Balance, dann fuhr ich weiter in Richtung Ziellinie.

Pünktlich um 14.30 Uhr standen wir dann mit unseren schmucken Oldtimern im Fischerhafen von Jastarnia Góra. Hier konnten wir dank der farbenfrohen Fischerboote noch mehr maritimen Charme und Flair genießen. Die Boote selber hatten an diesem Tag eine Protestbeflaggung aufgezogen. Protestiert wurde gegen die EU-Fangquoten.

Oldtimerrallye, 5. „Droga Kaszubska” - OSA-RollerFür die zahlreichen Urlauber und Einheimischen wurde insgesamt viel geboten. Eine Polizeikapelle bereitete sich vor, um aufzuspielen. Doch zuvor war der „Eleganz-Wettbewerb“ der „Droga Kaszubia“ angekündigt worden. Zehn Teilnehmer sollten sich der Fachjury und dem Publikum stellen. Bewertet wurde die passendste Bekleidung zum Fahrzeug sowie das Motorrad an sich. Die Ehrung würde dann später im Rahmen des Festabends vorgenommen werden. Als ich die Teilnehmer von diesen Wettbewerb betrachtete, dachte ich: „Mein Gott, da tragen die Polen deutsche Wehrmachts­uniformen und fahren damit vor die Bühne!“ Mutig. Einerseits gab es da ein paar geschichtliche Ereignisse, zum an­deren hatten wir wieder 27 Grad Celsius im Schatten zu ertragen. Die Zu­schau­er applaudierten bei jedem Landser, wie auch bei den eigenen Leuten! Nun ja, andere Länder, andere Sichtweisen.

Alle Teilnehmer kauften sich in der Zwischenzeit für umgerechnet einen Euro ein Los für die Tombola. Gegen 16 Uhr fuhren wir dann zurück zum Hotel. Ein Großteil der Teilnehmer erwartete schon sehnsüchtig den Beginn der „Funny Games“. Ein Wettbewerb ähnlich den bayerischen Oktoberfest-Wettkämpfen. Nagel in einen Baumstamm hämmern, golfen oder mit einer Speiche eine Fahrradfelge eine bestimmte Wegstrecke vor sich hertreiben, auf Zeit natürlich. Herrlich, den Leuten hatte es gefallen.

Zwei Oldtimerfreunde waren leider nicht so fröhlich. Einer sammelte die Scherben seines zerbröselten Ventildeckels ein. Es war die Folge eines Umfallers, zum Glück für den jungen Fahrer gibt es für die Vorkriegs BMW R 51 wieder neue Zylinderkopfdeckel zu kaufen. Und ein Triumph-Fahrer schraubte ein wenig an seiner Fußrastenanlage herum. Der Festabend begann unmittelbar nach dem Abendessen. In dieser lockeren Runde wurden zahlreich schöne Preise verteilt und Ehrungen vorgenommen. Richard erhielt den Preis für die weiteste Anreise, ich durfte den Pokal für den „Eleganz-Wettbewerb“ in Empfang nehmen. Auch erhielten wir ausländischen Teilnehmer nette Erinnerungsgeschenke überreicht.

Wie schon den Abend zuvor, unterhielten wir uns anschließend ausgiebig mit unseren polnischen Freunden.

Dankeschön!Am Sonntag luden meine Frau und ich unsere sieben Sachen in den Wagen, hängten den Anhänger an und gingen zu den Motorrädern. Der Wachmann kam ganz aufgeregt zu mir und sagte, dass es über Nacht einen starken Regenschauer gegeben hatte und gegen 2 Uhr das Wasser den Weg in das Hupenknopfgehäuse der BMW R 2 gefunden hätte. Wie aus heiterem Himmel (es war ja quasi genau das Gegenteil) ertönte plötzlich lautstark die Hupe. Ich konnte es mir gut vorstellen, wie der arme Beschützer in der Nacht aufgeschreckt worden war. Da er sich nicht traute, dem Schreihals Einhalt zu gebieten, rief er in seiner Verzweiflung Marcin an. Marcin zog um 2.15 Uhr das Kabel aus dem Hupenknopfgehäuse, dann herrschte wieder Ruhe. Auch Marcin und Daria, die mittlerweile neben uns standen, entschuldigten sich ebenfalls für die „rüde“ Beseitigung des Lärmes. Ich meinte nur: „Marcin, das hast du richtig gemacht! Du hättest es aber ruhig weiter hupen lassen können, ich schlafe doch zur anderen Seite hin…“

Genauso herzlich wie wir empfangen wurden, war auch die Verabschiedung. Etwas traurig verabschiedeten wir uns von unseren polnischen und deutschen Freunden, mussten wir doch am Montag wieder pünktlich im Büro sein. Alle anderen bereiteten sich auf den Rallyestart nach Gdynia vor, und wir machten uns auf den Weg in die Heimat. Zuvor taten wir ausdrücklich den Wunsch kund, im kommenden Jahr wieder an der „Droga Kaszubia“ teilnehmen zu wollen!

Informationen:

www.drogakaszubska.pl
Die Homepage des Veranstalters wird in polnischer, deutscher und englischer Sprache geführt.

www.ostsee-urlaub-polen.de/kaschubien/hel-hela.htm
Auf dieser Homepage können Sie sich umfassend über die Region Kaschubien und die Halbinsel Hel informieren.

www.helmuzeum.pl
Die Homepage des Militärmuseums ist auch in deutscher Sprache geführt.

Reisetipp:

Sollten Sie ebenfalls eine Reise mit Ihrem Oldtimer nach Polen planen, so führen Sie unbedingt Ihre grüne Versicherungskarte Ihres Versicherers mit, bei mit einem Sammlerkennzeichen zugelassenen Fahrzeugen empfehle ich vorsorglich einen Hinweiszettel für die polnische Polizei. Diese können Sie sich von der Homepage der Initiative Kulturgut Mobilität www.kulturgut-mobilitaet.de herunterladen. In Polen müssen Sie auch am Tage mit eingeschaltetem Licht fahren, denken Sie bitte stets daran.