aus bma 7/00

von Dieter Rahn

Geplant war die Tour vom 19. bis 26. Juni mit vier Leuten: Bernd mit seiner 650er Drag Star, Andreas mit der CB 500, Norbert mit seiner 535er Virago und ich, Dieter, mit meiner 600er Shadow. Vier Wochen vor der Abreise setzten wir uns zusammen, um die Reiseroute auszuarbeiten. Wir hatten uns vorgenommen, von Kristiansand an der Küste Richtung Oslo zu fahren, von dort aus ins Landesinnere vorzustoßen, um dann wieder nach Süden abzubiegen – dem Ausgangspunkt der Reise zu. Die Fährplätze hatte Bernds Frau zum Glück schon im Januar gebucht, denn wie wir feststellen konnten, sind die Fähren über den Sommer meist ausgebucht. Geliebt sei Maggi dafür.

 

Treffpunkt der Reise war die Shell-Tankstelle in Handewitt, unweit der dänischen Grenze. Dort trafen wir uns um 5.45 Uhr, so hatten wir für die Fahrt bis Hirtshals im Norden Dänemarks – mit Tanken und Käffchen zwischendurch – etwa sechs Stunden Zeit. Gutes Timing: eine Zigarettenlänge später begann bereits die Verladung. Das Festzurren der Motorräder bleibt einem übrigens selbst überlassen, da aber Gurte vorhanden sind, war dies kein Problem.
Auf der Hintour hatten wir die Schnellfähre erwischt, und so waren wir zweieinhalb Stunden später in Kristiansand/Norwegen. Dort empfing uns gleich norddeutsches Wetter, nämlich Regen. Trotzdem wurden noch einige Kilometer abgerissen, bevor wir den ersten Campingplatz ansteuerten, um uns eine Hütte zu mieten. Es ist übrigens zu empfehlen, Campingplätze abseits der Hauptstraßen zu suchen, die Übernachtung ist dann um einiges billiger.
Bei Nieselregen ging es am nächsten Morgen auf der E 18 nach Arendal. Bald ließ der Regen nach und so machte das Dahingleiten auf den gut ausgebauten Straßen gleich doppelt so viel Spaß. In Arendal bogen wir, um an der Küste entlang zu fahren, auf eine Nebenstrecke nach Risør ab, wo wir mit der Fähre über den Søndeledfjord übersetzen wollten, nur … die Fähre fehlte. Es war auch weit und breit kein Anleger zu entdecken, und da die Innenstadt für Motorräder gesperrt ist, entschlossen wir uns, den Fjord landseitig zu umrunden, um auf die 351 Richtung Kragerø zu kommen.
Auf dieser Straße passierte es dann. Norbert fuhr als letzter in der Kolonne, als in einer S-Kurve ein Fahrzeug so weit auf seine Seite kam, dass er nur noch nach rechts ausweichen konnte, um nicht frontal auf das Fahrzeug aufzufahren. Der kleine Straßengraben und der dazugehörige Felsvorsprung waren somit seiner. Zum Glück und „Lederhose sei Dank” ist ihm außer ein paar Schrammen am Knie nichts passiert, das Motorrad sah aber nicht gut aus. Das Fahrzeug, das Norbert in diese Lage gebracht hatte, war natürlich nicht mehr zu sehen.
Der Zufall wollte es wahrscheinlich so, dass kurz darauf ein Polizist vorbeikam, der selbst in seiner Freizeit Motorrad fuhr. Er nahm sämtliche Daten auf, telefonierte zwei, drei Mal und dann hatten wir sowohl einen Abschleppwagen als auch einen Termin in einer Yamaha-Werkstatt am Sonntagnachmittag. Wir waren begeistert. Bis zum nächsten Morgen wollte sich der Werkstattbesitzer den Schaden ansehen und Norbert die Reparaturkosten mitteilen. Bis dahin bekam er eine Leihmaschine, so dass wir uns auf den Weg machen konnten, eine Übernachtungsmöglichkeit zu suchen.
3000 bis 4000 norwegische Kronen – etwa 1000 bis 1500 DM! – sollte die Reparatur der Virago kosten. Norbert entschied sich angesichts dieser hohen Summe allerdings dagegen und ließ das Motorrad stattdessen über einen großen deutschen Automobilclub nach Hause bringen. Für ihn war der Urlaub damit zu Ende.
Drei Stunden dauerte es, bis endlich mal jemand den Hörer der „Hotline” des Automobilclubs in Deutschland abnahm. Dort wurde uns gesagt, Norbert müsse erst einmal für einen Fahrtüchtigkeitscheck ins Krankenhaus. Als das erledigt war, dauerte es wieder zwei Stunden, bis wir jemanden vom Automobilclub erreichten. Schließlich waren alle For- malitäten für die Rückführung geklärt, und Andreas besorgte ein Leihfahrzeug für Norberts Rückreise.
Am Dienstagmorgen fuhr Norbert Richtung Heimat, und für uns ging es weiter Richtung Sande. Von dort fuhren wir auf der 319 am Drammenfjord entlang über Svelvik nach Drammen. Bernd hatte von einem Arbeitskollegen den Tipp bekommen, unbedingt die am Stadtrand von Drammen gelegene „Spirale” hinaufzufahren. Gesagt, getan. Nach Entrichtung von 10 Kronen (etwa 3 DM) fährt man in einen 300 Meter langen Tunnel, dann geht es nur noch links herum nach oben – 1650 Meter lang! – man kommt sich vor wie in einem Parkhaus mit endlosen Stockwerken. Oben ist alles auf Touristen eingestellt, mit Restaurant und Postkartenstand. Auch wir genossen die traumhafte Aussicht über Drammen und Umgebung.
Von Drammen fuhren wir weiter über Kongsberg nach Ongelæs, um auf die 364 Richtung Hardangervidda einzubiegen. Es wurde Zeit, eine Hütte für die Nacht zu suchen, und so statteten wir dem Blefjell-Campingplatz einen Besuch ab. Hier oben, schätzungsweise 700 Meter über dem Meer, änderte sich das Wetter innerhalb einer Stunde. Wir hatten gerade unsere Moppeds entladen, den Kamin in der Hütte angemacht und die letzten Fotos geschossen, als die Berge in den Wolken verschwanden und es anfing zu regnen. Wie schön ist es da, wenn im Kamin das Feuer prasselt, man etwas richtiges zu Trinken auf dem Tisch hat und das Wetter draußen lässt.
Am Mittwochmorgen ging es trotz Regen weiter in Richtung Hardangervidda. Hier oben konnten wir getrost die Regenkombis anbehalten, denn das Wetter wechselte ständig zwischen Sonne und Regen.
Zu Mittag verleibten wir uns in Rjukan einen 250 g schweren Hamburger ein. Rjukan ist eine sehr langgezogene Kleinstadt, die umringt ist von Bergen mit schneebedeckten Gipfeln. Nach Aussage eines Einheimischen kann es hier im Winter minus 40 bis 50 Grad kalt werden.
Am Vestfjord entlang ging es den Tinnsjö weiter nach Süden. Wir hatten uns für diesen Tag vorgenommen, in der Nähe von Selfjord zu übernachten und wollten uns für einen gemütlichen Ausklang des Abends auf dem Weg noch Brot und Bier besorgen. Nach diversen Supermärkten und Tankstellen fanden wir jedoch heraus, dass es in dieser Gegend nur „Frei-Bier” – also alkoholfreies Bier – gibt. (In Norwegen herrscht absolutes Alkoholverbot am Lenker bzw. Steuer.) Doch als wir schließlich vom Selfjordsvatnet über einen lehmbe- festigten Weg den Campingplatz Kilen erreichten, bekamen wir dort unser Bier und obendrein noch eine Hütte für die Nacht.
Am nächsten Morgen ging die Fahrt weiter Richtung Süden, vorbei an Lunde nach Drangedal. Von dort aus fuhren wir nach Tveitsund, um entlang der Nisser zum Heddervikfjord zu gelangen. Mittagspause wurde am Fyresvatn gemacht – mit guter Tütensuppe und Brot. Parkplätze mit Sitzgelegenheiten gibt es an Norwegens Straßen reichlich. Die Rastplätze sind sehr sauber, wie eigentlich die ganze Gegend auf unserer Tour.
Die vorletzte Nacht verbrachten wir in Amli, wo wir uns abends auf der Terrasse vor der Hütte die Sonne auf den Bauch scheinen ließen. Der Campingplatz liegt unmittelbar am Nidelv, einem der längsten und saubersten Flüsse Norwegens. Der Freitag führte uns nach Tvedestad bis fast an die E 18 – eine der Hauptstraßen des Landes, die von Kristiansand nach Oslo führt. Bevor wir jedoch die E 18 erreichten, zog es uns auf eine Nebenstrecke nach Blakstad. Dort gibt es nur vereinzelte Gehöfte und wir kamen uns vor, wie von Gott und der Welt verlassen.
Am Abend hatte uns Kristiansand wieder, und in Åros – südwestlich von Kristiansand – fanden wir wieder eine Hütte für die Nacht. Bei Sonnenschein saßen wir abends noch sehr lange auf der Terrasse und sprachen über diese traumhafte Woche.
Sonnabendmorgen wurden wir mit Regen geweckt, als wolle uns Norwegen sagen: „So wie ich euch begrüßt habe, will ich euch auch verabschieden.” Dann ging es auf Souvenirjagd in die Stadt, bis die Fähre zur Heimfahrt rief. Da wir diesmal keine Schnellfähre erwischten, dauerte die Überfahrt nach Hirtshals viereinhalb Stunden.
Auch in Dänemark regnete es junge Hunde, und so fuhren wir in einem Zug durch bis wir nachts um 23.30 Uhr endlich zu Hause waren.