aus Kradblatt 5/14
von Jörg „Jogi“ van Senden, www.penta-media.de

 

Naked-CrewIst euch eigentlich schon einmal aufgefallen, dass man neuerdings immer häufiger Bikern begegnen kann, die auf ihren Kutten Patches mit der Aufschrift „Naked Biker“ tragen?Hackt man diesen Begriff in die Leiste seiner Internet-Suchmaschine, werden zahlreiche Treffer angezeigt, die sich zunächst zur Klärung dieses Begriffes anbieten würden, aber wenig Sinn ergeben weshalb ein Rocker oder Motorradfahrer seine Kutte damit schmücken sollte.

Die meisten Links weisen auf Kreaturen hin, die es unterhaltend finden in großen Rudeln nackt auf dem Fahrrad, oft sogar noch dekoriert durch naive Körperbemalung und lustige Kostüme, durch die Metropolen dieser Welt zu radeln. Das ist zwar alles ganz heiter, aber das sind definitiv nicht die gesuchten „Naked Biker“.

Dann finden sich tatsächlich Seiten von nackten Bikern im Netz, die sich nebenbei gerne an FKK-Stränden herum lümmeln, wenn sie nicht gerade auf ihrem bayerischen Vibrator mit dem blauen Propeller hocken. Nein, diese reiselustige Gore-Tex-Fraktion kann ebenfalls nicht gemeint sein; aber zumindest sind es schon mal Biker, Motorradfahrer oder Ähnliches. Es folgen weitere, unpassende Seiten von Freunden unverkleideter Maschinen, also „Naked Bikes“, die sich zu irgendwelchen Fahrgemeinschaften, bezogen auf eine Marke oder einen Ort, zusammengerottet haben.
Dann endlich die ersten Treffer. Es muss sich bei den „Naked Bikern“ wohl um Opfer ihrer verlorenen Wetten handeln, geschlossen und besiegelt im Delirium, aus Übermut oder vom Leben gelangweilt, an irgendwelchen Tresen unserer Republik.

Naked-BikerJunge Burschen schwingen sich nackt, nur mit dem vorgeschriebenen Helm und Stiefeln bekleidet, auf den Bock, um in der davon nichts ahnenenden und völlig überraschten Öffentlichkeit ihre Show abzuziehen. Sehr geeignet erscheinen den „Naked Bikern“ für ihre Auftritte hoch frequentierte Örtlichkeiten, wie Einkaufs­passagen und Fußgängerzonen. Auch auf vielbefahrenen Schnellstraßen wurden sie schon gesichtet. Einen besonderen Reiz üben fest installierte Radarfallen auf diese Kandidaten aus. Mit abgeschraubten Kennzeichen und blankem Hintern zeigen sie der Staatsmacht, was sie von der Abzocke zu Gunsten der Gemeindekassen halten. Schade nur, dass sie ihre eigenen Bilder in der Regel nie zu sehen bekommen. Es ist wohl der Schalk im Nacken einiger Biker, der sie nach einer eigentlich sinnbefreiten Tat den Drang verspüren lässt, diese zusätzlich per Internet über Facebook und YouTube hinaus in die weite Welt posten zu müssen, um so zu zweifelhaften Ruhm zu gelangen. Um nicht erwischt zu werden, geschieht das in der Regel anonym und unter einem frei erfundenen Nick-Name. Ja, mit der Anonymität und dem angestrebten Ruhm ist das so eine zwiespältige Angelegenheit.

2002 entdeckte der Schwedische Ghost Rider „Mika“, dass es nicht nur ungemein Spaß bereiten kann, Videos vom illegalen Treiben und Rasen mit dem Motorrad aufzunehmen, sondern dass es auch recht lukrativ sein kann, diese zu verbreiten. Er besaß die Dreistigkeit, seine mit der Video-Kamera festgehaltenen Verfolgungsjagden, die er sich immer wieder mit der Schwedischen Polizei lieferte, dank einer Gesetzeslücke, sogar auf DVD zu vermarkten.

Heute kann man eine geeignete Ac­­tion-Cam in jedem Moped-Zubehörladen kaufen und problemlos mit dem Computer verbinden, um anschließend die selbstgedrehte Heldentat aus Eigenproduktion im Netz zu publizieren. Bezeichnenderweise nennen sich solche Kameras auch noch Hero-Cam oder Ghost-Cam. Nachahmer fühlen sich zum Ärger der Ordnungshüter auf den Plan gerufen. Die Zählwerke der zahlreichen Streaming-Portale liefern den Beweis, dass solche Videos bei den Usern gut ankommen. Die Zähler laufen heiß und es wird geteilt was das Zeug hält, bis schon keiner mehr weiß, vom wem das Video eigentlich ins Netz gestellt wurde.

Besonders viel Aufmerksamkeit erreichte vor kurzem ein Biker, der mit einem Aufkleber der „Baller Boyz“ auf der Brust dekoriert, eine nackte Burnout-Einlage in einer Einkaufspassage der Stadt Münster präsentierte. Der Hintergrund war auch hier eine verlorene Wette, gepaart mit erhöhtem Selbstdarstellungszwang, denn sonst wäre die Aktion wohl kaum auf Video aufgenommen und im Netz verbreitet worden. „Gebt mir 1.000 ‚likes‘ und ich mach‘ das!“ Eigentlich eine harmlose Entgleisung, über die die meisten vermutlich nur schmunzeln oder verständnislos den Kopf schütteln können. Die Polizei sah das jedoch ohne jeglichen Humor und versuchte pflichtgemäß den unbekannten Motorrad-Nudisten zu fassen. Obwohl er zwar den vorgeschriebenen Helm trug, warfen ihm die Ordnungshüter das Fahren ohne Kennzeichen und Versicherungsschutz in einer Fußgänger-Zone, sowie sexuelle Belästigung vor. Außerdem wären einzelne Passanten beim Burnout durch herumfliegende Reifenteile gefährdet worden. Verletzt wurde allerdings niemand.
Wettschulden sind bekanntlich Ehrenschulden. Den meisten gelingt es, ihren „Naked Ride“ ohne das erwähnte Aufsehen und die Folgen zu absolvieren. Von denen hört man aus den Medien keine fragwürdigen Meldungen – und das ist auch gut so.

Zu diesen „verantwortungsvolleren“ Bikern gehören auch jene, die sich „Naked Crew“ auf die Kutte nähen. Das klingt nicht nur ähnlich, es meint auch das Gleiche. Der Unterschied liegt jedoch darin, dass in diesem Falle nicht eine Wettschuld der Hintergrund ist, sondern ein heiterer Brauch, der vor einigen Jahren von den Amerikanern zu uns über den Teich geschwappt ist.

Die „Trooper Germany“ (kein MC), aus dem 6er Postleitzahlengebiet, bieten diesen Patch für alle die am „Naked Run“ teilnehmen kostenlos auf ihren Veranstaltungen an. Allerdings muss man sich diesen Patch „verdienen“, indem man nackt mit seinem Motorrad bei einem Treffen über das Partygelände oder durch das Festzelt fährt. Einige Minuten sollte der Spaß schon dauern. Aus Sicherheitsgründen dürfen die Kandidaten, wenn schon auf schützende Kleidung mit Ausnahme der Schuhe verzichtet wird, keinen Alkohol oder andere Drogen in der Blutbahn haben. So sind die Regeln. Einige Teilnehmer machen diesen Spaß immer wieder mit, obwohl sie sich ihr „Naked Crew“ Patch bereits verdient haben. Die Öffentlichkeit dürfte sich an diesem Gaudi in geschlossener Gesellschaft sicher nicht stören.

Als nächste Party der Trooper – und damit die Chance auf eine echt verdiente Auszeichnung – wird am 17. und 18. Mai in 63538 Großkrotzenburg das 20-jährige Jubiläum gefeiert. Infos findet ihr unter www.trooper-germany.de

Ob es nun wirklich rühmlich ist, sich ein „Naked Biker“-Patch auf die Kutte zu nähen, das muss wohl jeder für sich selbst entschieden. Wir haben da so unsere Zweifel. Aber wie sagte schon ein fast unbekannter Proll-TV Kanditdat: „Ohne Spaß kein fun“. Zumindest wissen wir nun, was mit diesem Patch gemeint ist.