aus bma 03/01

von Stefan Haueis

Auf der Suche nach einem günstigen Motorrad (für den Weg zur Arbeit) kam ich im Frühjahr 1998 zufällig an eine MZ TS 150. Es waren ein paar kleine Reparaturen und ein neuer TÜV-Stempel fällig, ansonsten war die Maschine in einem recht passablen Zustand. Als ich die Sache in Angriff nahm, fiel mir sofort der extrem einfache und trotzdem geniale Aufbau der MZ auf. Kannte ich gar nicht, hatte vorher nur Japaner… Ersatzteile sind schnell und günstig zu bekommen, TÜV-Plakette drauf und ab ging’s.
Schnell freundete ich mich mit dem Motorrad an und fahre es seitdem fast jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit genauso wie auf kurzen und langen Strecken in der Freizeit. Auch meine Frau Angelika fand – nach anfänglich skeptischen Blicken – allmählich Gefallen an dem urigen Ost-Bock. Sie machte kurzerhand den Einser-Führerschein nach. Währenddessen machte ich für sie ein zweites Fahrzeug vom gleichen Typ klar – RALF. Ja, das Ding heißt Ralf!
Nun, nach inzwischen 20.000 km mit der TS 150, hat man so seine Erfahrungen gesammelt – aber auch Ersatzteilspender. Die Dinger laufen einem manchmal richtig hinterher. Ehe man nein sagen kann, hat man die Garage voller Ruinen stehen – zu viele Ersatzteile für zwei MZ in täglichem Einsatz. Also warum nicht eine dritte Maschine aus diesem Trümmerhaufen zusammenbauen, eine nicht alltägliche?

 

Ich nahm mir einen Rahmen vor, für den sogar noch Papiere vorhanden waren, entfernte sämtliche Farbschichten, die ihm seit 1977 verpasst worden waren und beschichtete ihn mit mehreren Lagen Hammerit in schwarz. Ebenso erging es dem Rahmenheckteil und der Schwinge. Der Motor wurde zerlegt und sämtliche Lager und Simmeringe gegen solche aus westlicher Produktion ausgetauscht. Als Neuteile fanden Kurbelwelle, Übermaßkolben, Primärkette, Kupplungsfedern und Auspuffanlage Verwendung. Gute gebrauchte Auspuffanlagen findet man leider nur selten. Meistens wurden sie von den DDR-Fahrern wegen „mehr Sound” zersägt und ausgeräumt. Völliger Blödsinn!
In die Telegabel passte ich einen Kotflügel vom Vorgängermodell ES 150/1 ein. Aus dem selben Fahrzeug stammt auch das hintere Schutzblech samt Rückleuchte. Die originalen Radnaben und Speichen lackierte ich schwarz und spannte sie in Stahlfelgen der Grösse 1.85 x 18 ein. Das entspricht zwar nicht ganz der Serie, hält aber besser und sieht auch besser aus als die meist völlig krummgefahrenen originalen Aluminiumfelgen. Natürlich wurden auch die russischen und bulgarischen Radlager gegen die geschlossene, dauergeschmierte Version von FAG getauscht und neue Bremsbacken montiert.
Vom Teilemarkt stammen der italienische Schwingsattel mit einstellbarer Feder, der DKW-Lenker und der Tank einer Bundeswehr-Maico. Das mit dem Maico-Tank ist übrigens eine ldee von meinem Freund Jens, dessen TS 125 sich schon längere Zeit mit einem solchen Behälter schmückt. Sieht echt geil aus! Allerdings bereitete mir die Befestigung von Tank und Sitz viel Kopfzerbrechen, da von den originalen Aufnahmevorrichtungen absolut nichts zu gebrauchen war, sie waren eher noch hinderlich! Nach vielen Tagen mit Fehlversuchen und Wutausbrüchen gelang es mir unter stark erhöhtem Tabak- und Kaffeeverbrauch doch noch, eine Art Hilfsrahmen zu konstruieren, der die Bauteile sicher aufnahm. Als ich bei der Montage dann bemerkte, dass der Stutzen für den Sprithahn versetzt werden musste und der originale Kabelbaum auch nicht mehr passte, konnte mich das auch nicht mehr erschüttern. Die Vorstellung von der fertigen Maschine hatte ich im Kopf und daran führte kein Weg mehr vorbei. Der Sitz wurde aufgearbeitet, der Benzinhahn am Tank versetzt und das Ganze anschließend lackiert und montiert.
Das Projekt nahm langsam Gestalt an… fast fertig – dachte ich. Doch dann sah ich den rostigen Lampentopf in der Ecke liegen, ein Tacho muss da ja auch noch rein, wo war nochmal der Schalthebel, ’ne neue Kette wäre auch nicht schlecht, der Scheinwerfereinsatz fehlt auch noch, wie war das mit den neuen Bowdenzügen, Kabelbaum anfertigen… All diese „Kleinigkeiten” – wie Teile besorgen, anfertigen oder ändern, entrosten und lackieren und so weiter – brauchten halt sehr viel Zeit und Arbeit. Doch ein paar Wochen weiter war auch das erledigt. Um das klassische Erscheinungsbild der Maschine zu unterstreichen, wurden Hellas Ochsenaugen montiert, der Scheinwerfer bekam einen Chromschutzbügel und die Telegabel Gummibälge. Zu guter Letzt wurde dann noch eine passende Topcase-Palette zweckentfremdet und findet sich nun auf einem Eigenbau-Halter als Gepäckbrücke wieder. Der Yamaha SR 500-Spiegel weiß auch nicht so recht, was er an dem DKW-Lenker zu suchen hat. Er macht sich dort aber ebenso prächtig wie die Honda-Felgen, die da leicht gespannt zwischen Heidenau-Reifen und MZ-Speichen verharren. Auch der Maico-Tank fügt sich astrein in ein harmonisches Ganzes ein, welches nun zeigt, wie schön sich Einzelteile verschiedenster Hersteller und Altersklassen miteinander vertragen können.
Als das Werk dann endlich vollendet war, stand eine wunderbare Maschine vor mir, die – so finde ich – einen ebensolchen Fahrer braucht. Jemanden, der sie versteht. Deshalb schenkte ich sie meiner Frau, die sich tagtäglich und hellauf begeistert mit ihrem Ralf durch fast jedes Wetter kämpft. Find‘ ich echt Klasse!
Und Ralf soll ja nicht glauben, dass er jetzt in Rente gehen kann…