aus Kradblatt 9/17
von Frank Sachau

Angeregt vom Jahrestag der Wiedervereinigung machte sich der Autor und Plöner Bürger Frank Sachau auf, um mit dem Motorrad zwischen Meer und Müritz Meilen zu machen und seinen ganz persönlichen Plan P:
Plön – Plau – Plön zu verwirklichen. 

Von Plau nach Plön - Mecklenburg VorpommernDie vielen Gemeinsamkeiten waren es wohl, die die Plöner Stadtväter vor einem Vierteljahrhundert unmittelbar nach der Grenzöffnung bewegten, eine Partnerschaft mit dem mecklenburgischen Städtchen Plau einzugehen: Die ähnlich klingenden Ortsnamen, die Lage an Seen, Fließgewässern und Hügellandschaften, sowie das Vorhandensein von historischen Bauten wie das Plöner Schloss und die Plauer Hubbrücke.

Seeblick bei PlauDer Bayernboxer hat seine Betriebstemperatur noch lange nicht erreicht, als ich die Kreisstadt Plön am frühen Morgen in Richtung Ostseeküste verlasse. Auf der Promenade an der Lübecker Bucht sind um diese Zeit nur Jogger, Hundebesitzer und Brötchenholer unterwegs. Dank der hohen Sitzposition auf meiner Adventure genieße ich den Blick aufs Meer und erreiche nach Scharbeutz den mondänen, aber um diese Zeit noch schlafenden Timmendorfer Strand. Frech klappe ich am Hotel Maritim den Seitenständer raus und schlendere zu den Dünen hinauf. Dort wurde dem Panikrocker Udo Lindenberg eine stählerne Skulptur mit dem Titel „Horizont“ gewidmet, weil angeblich das gleichnamige Lied hier entstanden sein soll. Mein Horizont reichte bis zum November 1989 gerade mal bis nach Travemünde, dort war für mich die westliche Welt zu Ende. Nicht ganz! Denn zu Lübecks schöner Tochter gehört der Priwall, zu DDR-Zeiten eine Klassenfeind-Enklave am östlichen Traveufer. Bevor ich mit der Fähre übersetze, gönne ich mir noch einen Abstecher zur Viermastbark Passat. Das hiesige Wahrzeichen mit seinen 56 Meter hohen Masten zählte einst zu den legendären Fracht­seglern der Flying P-Line, bis es hier für immer vor Anker ging. Meine kurze Seefahrt endet mit einem sanften Bumms.

Schloss GüstrowWieder festen Boden unter den Reifen, weiche ich anfangs Schlaglöchern und Frostaufbrüchen aus, um dann auf verwinkeltem Weg durch das ehemalige Niemandsland der innerdeutschen Grenze Kurs aufs mecklenburgische Dassow zu nehmen: Schmaler Teer, gesäumt von sich selbst überlassener Natur. Die B 105 lässt mich im hohen Gang rasch Grevesmühlen erreichen, bekannt für seine Open-Air-Piratenfestspiele und seine schmucke Holländerwindmühle. Im nicht weit entfernten Gressow biege ich an der uralten Backsteinkirche rechts ab nach Bad Kleinen. Schlanke Pappeln säumen eine ehrliche Landstraße, die sich ohne erkennbaren Rhythmus durch weite Felder und satte Wiesen windet. Der Fahrspaß hält bis an die Nordspitze des Schweriner Sees an, als ich in Hohen Viecheln einem Hinweisschild zu einer Fischräucherei mit Imbiss folge. Ein enger Weg führt mich unter der Bahnlinie hindurch an den See. Hinter mir tickert der abkühlende Motor, neben mir raschelt Schilf im Wind, als ich den vertrauenswürdigen Bootssteg betrete und meinen Blick über die weite Wasserfläche gleiten lasse.

Schloss PlönEinen Pott Kaffee und ein Fischbrötchen später wendet sich das Landschaftsbild, als ich die GS auf perfektem Teer durch dunkle Forste bis zum Schloss Hasenwinkel tanzen lasse. Das unter Denkmalschutz stehende Ensemble aus prächtigem Gutshaus, intakten Wirtschaftsgebäuden und gepflegtem Park bildet das Tor zum Sternberger Seenland. Der über 500 Quadratkilometer große Naturpark mit seinen unzähligen Seen und Hügeln verdankt seinen Ursprung den Gletschern der letzten Eiszeit und ist der westliche Ausläufer der Mecklenburgischen Seenplatte, die sich von Wismar im Nordwesten bis nach Neustrelitz im Südosten erstreckt. Als ich in Warin auf die B 192 stoße, denke ich kurz darüber nach, direkt nach Plau durchzustarten, was angesichts des wechselhaften, eben typisch norddeutschen Wetters verlockend wäre. Aber das Entdeckergen in mir verlangt nach einem Abstecher in die Tiefen des am dünnsten besiedelten Bundeslandes der Republik und prompt beschleunige ich nordwärts nach Neukloster. Da der angekündigte Witterungsumschwung noch auf sich warten lässt, ist auch hier alles Grau in Grau und die in der Karte vermerkte Windmühle ist durch große Planen verhüllt.

An der Sagen & MärchenstraßeAuf halbem Weg nach Bützow biege ich nach Qualitz ab. Eine charaktervolle Nebenstrecke tut sich vor mir auf, eine Allee reiht sich an die nächste, nach Kastanien und Birken folgen Obstbäume, bis ich weit in die Niederungen der noch jungen Warnow vorgedrungen bin. Sie wird später in Warnemünde in die Ostsee strömen, Störche, Reiher, Kanuten, die GS und ich begleiten sie ein Stück des Weges. Das sich anschließende Teerband in die Barlachstadt Güstrow glänzt mit einem tollen Feld-Wald-und-Wiesen-Mix, der jede Menge Fahrspaß aufkommen lässt. Deutlich ernster ging es dagegen im Leben Ernst Barlachs zu: Der Bildhauer, Grafiker und Schriftsteller schuf seine Werke in seinem Atelier und Wohnhaus am romantischen Inselsee. Den Nazis waren seine expressionistischen Werke, die sich häufig mit dem Tod und dem Elend des ersten Weltkrieges auseinandersetzten, ein Dorn im Auge. Seine im Güstrower Dom beheimatete Bronzeskulptur „Der Schwebende“ galt als entartete Kunst und wurde eingeschmolzen.

Schweriner SchlossAls deutlich widerstandsfähiger erwies sich das im Stil der Backsteingotik errichtete Gotteshaus. Weil Feldsteine, Marmor und Granit rar waren, wurden im Ostseeraum ab dem 12. Jahrhundert aus Lehm geformte und anschließend gebrannte Ziegel verbaut. Nachdem ich mir den Nachguss angeschaut habe, schlendere ich zum benachbarten Renaissance-Schloss hinüber, als Petrus sich schüchtern von seiner guten Seite zeigt: Schon als vermisst gemeldete Sonnenstrahlen erhellen für wenige Minuten die Schlossfassade und wärmen meinen Rücken.

Hubbrücke Plau angehobenOptimistisch drücke ich den Starterknopf, schwenke auf die B 104 ein und presche in Richtung Sternberg. Anfangs schnurgerade durch den finsteren Forste, dann windungsreich über grüne Kuppen, ab und zu glitzert eine Wasserfläche durchs Unterholz. Wie aus dem Ei gepellt erscheint das von einer wuchtigen Kirche überragte Sternberg. Der Flat-Twin rumpelt über betagtes Kopfsteinpflaster und durch verwinkelte Einbahnstraßen bergan, um das besondere Karree zu erreichen, das von der frühgotischen Backsteinkirche St. Maria und St. Nikolaus dominiert wird. Der hiesige Marktplatz gehört unbestritten zu den baulichen Schätzen Mecklenburgs. Ein weiteres Schätzchen erreiche ich mit dem Lauf der Mildenitz, die wie die Warnow zahllose große und kleine Seen miteinander verbindet. Das im 13. Jahrhundert gegründete, unter Denkmalschutz stehende Kloster Dobbertin beherbergte einst Benediktiner. Während des Dreißigjährigen Krieges zogen immer wieder Truppen durch, die das Kloster als Quartier besetzten, Vorräte beschlagnahmten und die Bewohner in Angst und Schrecken versetzten.

Nach einem kurzen Halt an der schmucken Goldenberger Mühle, die am gleichnamigen See ihre Flügel malerisch in den grauen Himmel reckt, passiere ich Karow am Nordufer der Plauer Sees und lasse mich vom Navi bis vor die Türen des Seehotel Plau am See leiten. Nach einer belebenden heißen Dusche schlendere ich ins Zentrum des Ortes, der von der Müritz-Elde-Wasserstraße durchflossen wird. Ein kleiner Leuchtturm markiert die Einfahrt, von der Aussichtsplattform habe ich einen traumhaften Blick über den drittgrößten See Mecklenburg-Vorpommerns. Hundertjähriges Jubiläum feiert die nahegelegene Hubbrücke, die nach lautstarkem Klingeln 1,60 Meter emporfährt, um Leichtmatrosen und Hobbykapitänen die Durchfahrt zu ermöglichen. Während der Straßenverkehr ruht, beobachte ich von meinem Logenplatz vor dem Eiscafé al Ponte die Szenerie rund um das technische Unikat. Am nächsten Morgen, die Sonne lacht, folge ich dem blauen Band, das sich von Plau bis an die Elbe 120 Kilometer unentschlossen durchs flache Land windet, hinaus nach Lübz, der bekannten Bierstadt. Weil die B 191 aber überhaupt kein Flair versprüht, scheuche ich die Maschine auf einer anmachenden Chaussee durch allerkleinste Dörfer und verwunschene Alleen bis an das südliche Ende des Schweriner Sees.

ScharbeutzHier treffe ich auf die Sagen- und Märchenstraße, die mich zu einem von Schilfgürteln eingefassten Damm geleitet. Trockenen Fußes brumme ich ans westliche Ufer ins Herz der sehenswerten Landeshauptstadt. Heinrich der Löwe ließ im 12. Jahrhundert gleich drei stattliche Dome aus gebrannten Ziegeln errichten: Den Schweriner Dom, den Ratzeburger und den zu Lübeck – allesamt Highlights der Backsteingotik. Das romantische Äußere des Schweriner Schlosses, das malerisch auf einer Halbinsel im See liegt, täuscht, seit 1990 tagt hier der Landtag Mecklenburg-Vorpommerns. Raus aus der Stadt, hinaus aufs Land! Die stark frequentierte B 104 geizt mit Fahrspaß, was mich veranlasst, in Gadebusch abzubiegen, um nach den Weilern Benzin und Neu Benzin zu suchen. Doch der Tankdeckel bleibt zu, weil die Dörfer zwar lustige Namen, aber keine Tankstelle haben. Macht nix, das Spritfass der Adventure ist noch gut gefüllt.

Auf meinem Weg in die Hansestadt Lübeck komme ich schon bald ins ehemalige Grenzgebiet. In Schlutup, bis zum Mauerfall der nördlichste innerdeutsche Übergang, „mache ich rüber“ in den Westen. Die sieben Türme der Marzipanmetropole sind noch nicht lange aus meinen Rückspiegeln verschwunden, als sich vor meinem Cockpit die charakteristische Knicklandschaft der Holsteinischen Schweiz bemerkbar macht: Bewachsene Erdwälle, die das Ackerland begrenzen und vor Winderosion schützen, mittendrin eine mir vertraute Straße, die nur noch wenige Kilometer bis nach Hause schmaler, enger und kurviger wird. Vor meiner Garage angekommen, ziehe ich den Zündschlüssel, streiche der GS zum Dank für die tolle Tour liebevoll über die Sitzbank und summe Udo Lindenbergs Hit vor mich hin: „Hinter’m Horizont geht’s weiter …“

Reisetipps

Unterkunft: Seehotel Plau am See. Ob auf der sonnigen Terrasse oder im hellen Wintergarten – der fantastische Ausblick auf den Plauer See gehört immer dazu. Ein aufmerksamer Service, eine ausgezeichnete Küche und komfortable Zimmer runden den positiven Gesamteindruck des Viersternehauses ab. Ausgearbeitete Tourentipps und sichere Stellplätze. Das Doppelzimmer mit Frühstück ab 110 Euro.  Adresse/Kontakt: Seehotel Plau am See, Hermann-Niemann-Straße 6, 19395 Plau am See, Fon 038735-840, www.falk-seehotels.de

Literatur und Karten: DuMont Bildatlas Band 133 „Mecklenburgische Seen“. 120 Seiten reich bebilderte, geballte Informationen für den ersten Überblick. Zahlreiche Straßenkarten. DuMont Reiseverlag, ISBN 978-3770192939. 8,50 Euro.

ADAC Kartenset Deutschland 2016/2017. 10 Doppelblätter im Set von MairDumont. Maßstab 1 : 200.000. Im Buchhandel oder über www.adac.de. ISBN 978-3826460463. 14,99 Euro.