aus bma 8/13
von Matthias Binder

”Nur der Lärm ist noch ein bisschen zu leise…”

Auspuff…sprach ein langnasiger Biker und charismatische Comicfigur aus Schleswig-Holstein und was für den Einen pure Lebensfreude ausdrückt, ist für den Anderen ein Akt der Köperverletzung. Wieder einmal drehen die Debatten um Motorradlärm ihre Runden durch die Print- und Onlinemedien, bzw. soziale Netzwerke. 

Info d. Red.: Wer im Juni das Geschehen auf der bma-Facebookseite bzw. der Facebook-Seite „Motorradlärm“ der V.A.G.M. (Vereinigte Arbeitskreise gegen Motorradlärm) und der Seite „Anti-Motorradlärm“ verfolgt hat, wird das bestätigen. Da ging es teilweise recht hitzig zu. Die V.A.G.M. findet man immer noch unter www.motorradlaerm.de, deren Facebook-Seite wurde mittlerweile geschlossen. Über den Grund können wir nur spekulieren. Das der Betreiber als Geschäftsführer einer Mediaagentur aber z.B. einen Kettensägenwettbewerb der Firma Stihl fördert, andererseits aber gegen Motorradfahrer anging,warf kein gutes Licht auf die V.A.G.M.

Was den echten Biker für sein Leben mit dekorativen Lachfalten zeichnet, malt dem ruhesuchenden Anwohner eine schmerzverzerrte Miene ins Gesicht und gerade jetzt zur Motorrad-Hochsaison erhitzen sich daran die Gemüter. Eine brüllende Bestie zu zähmen liegt ebenso in der Natur des Homo Sapiens, wie am Ende des Tages schweigend ins Lagerfeuer zu starren. Jedenfalls trifft das grob auf die Hälfte aller Humanoiden zu, nämlich die (Achtung Vorurteil), die mit einem unterschiedlichen Chromosomenpaar durchs Leben schreiten. Aber das Zähmen einer Bestie zeitgleich zum Starren in das Lagerfeuer funktioniert im wahren Leben nicht und scheinbar schon gar nicht, wenn Zähmender und Starrender zwei unterschiedliche Personen sind. Unterschiedliche Interessenlagen bedeutet gleich Konflikt.

Im Prinzip ist es ja nichts Neues. Motorradfahren als Freizeitbeschäftigung mit legalen aber zu lauten Auspuffanlagen stört den Frieden der Anwohner von beliebten Motorradstrecken. Und die Anwohner haben nicht unrecht, denn die Lärmemissionen, die ein Motorrad im Rahmen des Erlaubten abgeben darf liegen teilweise deutlich jenseits der Schmerzgrenze. 

Wenn wir uns jetzt mal ganz nüchtern überlegen wer das Problem verursacht, dann müssen wir uns leider an unsere eigene Nase fassen. Es ist ja nicht der Anwohner, der eine Handlung vollzieht die uns stört, sondern wir sind es die den Anwohner stören. Wir sind daher in der Regel in der unglücklichen Position, in der wir uns rechtfertigen müssen. 

Ist es Recht oder gerecht, was wir in unserer Freizeit machen? Eine vielleicht provokante Frage und die Antwort könnte ganz einfach sein: Ja, es ist rechtens und Ja, es ist ungerecht. 

Wir als Motorradfahrer fordern gerne und immer wieder Rücksicht. Wir wollen im Sinne unserer eigenen Sicherheit gesehen und wahrgenommen werden. Wir fluchen über jeden Bitumenfleck und jedes Gramm Rollsplit, ärgern uns über jede Vorfahrt die uns genommen wurde und stoßen unflätige Kommentare in unseren Helm, wenn uns ein nach StVO fahrender PKW die Beschleunigung versaut, die freie Fahrt versperrt oder einfach nur die falsche Lackierung hat (A-Klasse in Goldmetallic – sage ich nur). Jeder der noch nie „Gas is‘ reeeechts!“ gegen das eigene Visier gebrüllt hat, möge jetzt nicht weiterlesen, denn er/sie ist wahrscheinlich über unseren Babylärm erhaben. 

Mehr Sicherheit im Straßenverkehr wollen wir genauso sehr wie Leistung und Sound. Und ja: Ich will auch den Sound und ich gebe gerne zu dass mein Zubehör Endschalldämpfer einen gewaltigen Lärm produziert und zwar mehr als 3x so viel (in Bezug auf die logarithmische dB(A) Skala, als der Serienendtopf. Doch wer jetzt denkt dass sei illegal, der irrt. Der Endtopf hat in Italien eine E(3) Zulassung bekommen und darf damit legal am Motorrad betrieben werden. Um es zu konkretisieren sprechen wir von einer Honda CBR 600F Typ PC 41 (die Joghurt-Hornet, wie ich sie gerne nenne). Da heißt es in der Zulassungsbescheinigung dass ein Fahrgeräusch von 93 dB(A) bei 6000 U/min zulässig ist, zusammen mit einem Standgeräusch von 79 dB(A). Der Zubehör Endtopf ist ein netter kleiner Shark Factory Carbon mit offizieller Zulassung für die PC41. Die Realität sieht aber so aus, dass das Standgeräusch mit dem Endtopf bei 86 dB(A) liegt, er allerdings beim Fahrgeräusch bei 6000 U/min die zulässigen 93 dB(A) genau einhält. 6000 Umdrehungen sind bei der PC41 Halbgas. Im Bereich von 10.000 bis 12.000 Umdrehungen erreicht die PC41 in der Vorbeifahrt mit diesem Schalldämpfer Spitzenwerte von unglaublichen 130 dB(A). Mein heißgeliebtes Fichtenmopped (auch Kettensäge genannt) erzeugt max. „nur“ 103 dB(A) und das ist ein Lärmpegel, den man nicht lange aushalten kann. Oder zum Beispiel ein auch immer wieder beliebter Kleinkompressor mit 97 dB(A). Wer von euch setzt da nicht freiwillig seinen Gehörschutz auf, wenn der Kompressor in der Garage läuft? Und jetzt stellen wir uns einmal einen Dorfbewohner vor, der in Ruhe seinen Sonntagskaffee genießen will und es brüllt ein über 120 dB(A) lautes Inferno an seinem Garten vorbei. 

Nach unseren inoffiziellen Versuchsmessungen werden 120 dB(A) von vielen Motorrädern spielend erreicht, zumal sich in der Realität sich Schallwellen anders ausbreiten, als in klinisch reinen Tests. Wo ein sonor blubbernder V2 in freier Wildbahn noch ganz erregend klingt, ändert sich der Sound vor einer Häuserwand oder grade in einer Häuserschlucht zu einem unerträglichen Höllenlärm. Ganz ehrlich: Ich würde mich auch gestört fühlen. 

2-Mose-19-16Ein weiteres wesentliches Problem ist aber das Bedienpersonal auf der Sitzbank, das über den allseits beliebten Gasdrehgriff die Lärmemission unmittelbar kontrolliert. Laut bedeutet schnell; das wird uns gerne vorgeworfen und steckt da nicht auch ein Stück Wahrheit drin? Die Bestie brüllt, das Adrenalin fließt, der Biker grinst. Ja, auch ich bin dem Reiz bisweilen unterlegen. Dennoch sollten wir uns, wenn wir uns schon an die eigene Nase fassen müssen, bewusst machen, dass wir die Lärmemission aktiv kontrollieren können. Niemand bricht sich einen Zacken aus der eigenen kleinen Krone, wenn er (oder sie) einen Gang hochschaltet, oder besser noch gleich den höchstmöglichen Gang wählt. Wer dabei allerdings das Gefühl vermisst eine Bestie zu zähmen, der sollte in regelmäßigen Abständen eine spezielle Bestienzähmarena (auch Rennstrecke genannt) aufsuchen. Ich mache das zu rein therapeutischen Zwecken auch ab und an. Man kann hervorragend seinem Jagdinstinkt folgen und stört dabei niemanden unmittelbar. 

Die Rücksicht, die wir von anderen einfordern, müssen wir selbst gewähren und damit sollte jeder Biker freiwillig und einem guten Sozialverhalten folgend den Lärm dort produzieren, wo er damit niemanden in seinem Ruhebedürfnis stört. 

Das wäre natürlich viel zu einfach. Ein wenig gegenseitige Rücksichtnahme und für eine friedliche Koexistenz von Kradfahrern und Ruhesuchenden wäre hinreichend gesorgt. Vielmehr wird die Diskussion lieber von den Extremisten beider Szenen aufgeheizt. Auf der einen Seite haben wir natürlich die Sorte Biker, die sich nicht im Griff haben. Müßig nun zu mutmaßen, was so manch einen zu extremen Geschwindigkeitsüberschreitungen und Jaulen in den untersten Gängen veranlasst. Nach meinen natürlich nicht repräsentativen Beobachtungen ist das Geltungsbedürfnis proportional zum Angstrand am Hinterrad und sicherlich hilft dieser speziellen Gruppe eher der regelmäßige Besuch beim Psychotherapeuten aber man muss auch ganz deutlich sagen, dass wir hier von einer verschwindend kleinen Randgruppe reden. Die meisten von uns fahren angepasst und rücksichtsvoll. Echte Biker eben!

Dem gegenüber stehen Initiativen gegen Motorradlärm. Vertreten durch ein paar radikale Ruheprediger, die keine Gelegenheit scheuen den gemeinen Motorradfahrer in Sippenhaft zu nehmen und für sein Verhalten, Körperstatur oder Hautverzierungen zu diffamieren. Wer sich ein persönliches Bild machen möchte, der besucht motorradlaerm.de (deren Facebook-Gemeinschaft ist ja derzeit (Stand 7/13) tot, könnte aber jederzeit reaktiviert werden). 

Dabei sind die Forderungen der Lärmgegner gar nicht abwegig und sollten im Dialog mit uns Bikern und dem Gesetzgeber diskutiert werden. Es kommen aber leider zu wenig dieser Dialoge zustande, da die Vertreter der Lärmgegner sich lieber in Polemik ergehen, als an Lösungen zu arbeiten. In der Facebook-Gemeinschaft wurden Beiträge von Bikern konsequent gelöscht, sodass die Dialoge zu zusammenhanglosen Monologen des selbsternannten Gemeinschaftsgurus verkümmern. Im aristotelischen Theater ist der lange Monolog des Protagonisten an die Selbsterkenntnis geknüpft, aber für manchen PR-Agenten ist dies wohl ein Buch mit sieben Siegeln. Dialog und die Bereitschaft diesen zu führen sieht jedenfalls anders aus und damit schadet sich die Gemeinschaft der Lärmgegner nur selbst. In Politik und Wirtschaft werden Fehlbesetzungen durch Abwahl, Suspendierung und Kündigung schnell korrigiert. Man kann dem Interessenverband der Lärmgegner nur wünschen hier zu einer schnellen Lösung zu kommen.

Wir wollen aber nicht untätig warten und es ist daher an der Zeit, dass wir Biker selbst aktiv werden und die eindeutige Führung in der Lärmproblematik übernehmen. So wie wir für den Lärm verantwortlich sind, müssen wir uns auch für dessen Reduzierung einsetzen. Wer seine Freiheit liebt, der muss dafür auch eintreten und wer könnte das besser als wir, die wir die Freiheit auf zwei Rädern lieben und leben?

Wir sollten daher eine eigene Anti-Lärm-Initiative gründen mit den Ziel, die Lärmemissionen zu senken, ohne auf kernigen Sound zu verzichten. Was bei Personenkraftwagen möglich ist, sollte auch für uns möglich sein. Was jeder von uns sofort tun kann und muss ist:

• In geschlossenen Ortschaften oder Siedlungen im höchstmöglichen Gang fahren.
• Immer mit dem vorgeschriebenen DB-Killer fahren.
• Und natürlich Rücksicht nehmen wann immer es angebracht erscheint.

Was wir politisch erreichen sollten, ist eine Lärmobergrenze für Motorräder von generellen 98 dB(A) in Vorbeifahrt und bei Höchstdrehzahl. Das ist für einen kernigen Sound allemal laut genug und deutlich weniger schmerzhaft für diejenigen ohne Helm am Straßenrand. Die einerseits komplizierte und andererseits wirkungslose EU Richtline und die Regelungsnummer ECE-R 41 müssen so novelliert werden, dass die maximale Geräuschentwicklung des Motorrades als solches begrenzt wird und nicht nur in Abhängigkeit der 3 Gewichts-/Leistungssklassen bei mittleren Drehzahlen in Vorbeifahrt in urbaner Umgebung. Das Studium dieser Richtline hat durchaus einen Unterhaltungswert und führt letztendlich zu der Erkenntnis, dass es für 2 Räder keinerlei wirkungsvolle Lärmobergrenze gibt. Genau hierfür müssen wir uns in unserem eigenen Interesse einsetzen.

In diesem Sinne: Heute mal die rechte Hand zum Gruß!