aus bma 9/12, von Holger Gehrke

KradKircheKultur-im-FrankenlandBurgen, Basiliken und Brauereien. Zwischen Papst und Poppendorf: Im Sommer 2012 schwangen sich die Motorradfreunde von KradKircheKultur der Evangelischen Gemeinde Gröpelingen und Oslebshausen in Bremen durch die Fränkische Schweiz.

Manche Jahre muss es auch mal eine Nummer kleiner gehen! Nicht immer kann man dem Ruf der Ferne mit einer Tour in die Bretagne, nach England oder zu Alpenklöstern nachfolgen. Zu weit, zu teuer, zu aufwendig, zu speziell – und was es in einer engagierten Gruppe da immer an berechtigten Vorwänden zu berücksichtigen gilt. Warum also nicht einfach einmal in die Fränkische Schweiz fahren?! Viele von uns wussten anfangs gar nicht so genau, wo sie da auf der Landkarte suchen mussten, ehe sie das hügelige Dreieck zwischen Nürnberg im Süden, Bamberg im Nordwesten, Bayreuth im Nordosten und mit dem Wallfahrtsort Gößweinstein im Zentrum schließlich ausgemacht hatten.

Geopolitisch bewegt man sich rund um die fränkischen Fünfhunderter-Kuppen zwar in Bayern, aber laut sagen sollte man es dort nicht, denn die Einheimischen verstehen sich zuerst einmal als Franken und ihr Zungenschlag kommt einem „Pelzig hält sich” Zuschauer sofort bekannt vor. Außerdem sind sie überwiegend evangelisch und – das mag allenfalls Luther fremde Katholiken erstaunen – rühmen sich der höchsten Brauereidichte der Welt! Kaum ein Ort, in dem es nicht mindestens so viele Kleinbrauereien gäbe wie Bäcker oder Schlachter! Ob das nun den Punktsieg bei der Tour-Wahl 2012 für unsere Ü50-Truppe der KradKircheKultur-Mannen gab oder ob zusätzlich ein Blick in die Speisekarte der vorgeschlagenen Pension mit ihren ach so preisgünstig-bodenständig-kulinarischen Verlockungen samt EZ-Preis von 25 Euro samt Frühstück den Zuschlag bewirkte – es mag dahingestellt bleiben!

KradKircheKultur - Picknick mit WeitblickIch will den Glauben aber nicht aufgeben, dass einige sicher auch von kulturellen Spezialitäten jenseits der Ess- und Trinkkultur des Frankenlandes beflügelt wurden. Da lockten nicht nur der Bamberger Reiter und der einzige nördlich der Alpen begrabene Papst im Bamberger Dom samt dem weltberühmten Schnitzaltar eines gewissen Tilman Riemenschneider, lockte nicht nur das Meisterwerk des Barockbaumeisters Balthasar Neumann in Gestalt der Basilika von Gößweinstein, sondern es lockte vor allem die Musikfreunde unter uns DER Kultbau schlechthin: Das von Richard Wagner speziell für seine unvergleichliche Musik passend geschaffene Festspielhaus in Bayreuth. Anmerkung für Interessierte: Wagner war seiner Zeit auch technisch und kreativ weit voraus, indem er das Riesenorchester in einem nicht einsehbaren und klanglich speziell berechneten Graben komplett verschwinden ließ. Der Orchesterschall wurde erst auf die Bühne geworfen, vermischte sich mit den Stimmen der Sänger und ging dann erst in bisher nicht erlebter Akustik ins Publikum. Selbiges sitzt in leichten Holzstühlen auf einem aufgehängten Holzboden, der die Schwingungen der Musik aufnimmt. Gaslichtinstallation war damals ungeheuer modern, ebenso wie eine riesige Drehbühne. Und alles nur für ein einziges Werk gebaut, die längste Oper der Welt: Der Ring des Nibelungen – mit 28 Stunden Musik an vier Abenden. Auch deshalb ist dort jede Karte bis heute mehrfach überzeichnet, und wenn die Inszenierungen noch so grottenschlecht sein mögen…

Schloss StauffenbergDie wirklich fränkischen Überraschungen ergaben sich aber erst im Laufe der acht Tage vor Ort im Gewusel der scheinbar unendlich vielen kleinen wunderbar kurvigen und absolut naturnahen Sträßchen durch die Fünfhunderter-Schweiz. Zwar rollt man immer mal wieder durch einen Ort, der einem schon irgendwie bekannt vorkommt, aber jedes Mal auf einer anderen Straße! Und eine schöner als die andere! Kernige Dörfer, glasklare Bäche und Quellen – die braucht man für gutes Bier, Felsen und Grotten allerorten und dabei kaum eine Tagestour länger als hundert Kilometer. Mal entlang dem Flüsschen Wiesent von der Quelle bis zur Mündung – absolut empfehlenswert! Oder eine Burgen- und Schlössertour, alle hoch oben auf imponierenden Felstürmen thronend. Und plötzlich umweht einen sogar der Hauch der Geschichte, wenn man die Kräder vor dem Schloss Stauffenberg parkt, der Heimat des Hitler-Attentäters Klaus Schenk Graf von Stauffenberg in der Nähe von Heiligenstadt. Dort gingen die Verschwörer gegen Hitler ein und aus und planten, was letztlich leider zum Scheitern verurteilt war.

Motorrad-MuseumGeschichte völlig anderer Art umweht den Besucher mit leichtem Ölgeruch hingegen im Motorrad-„Museum“ von Manfred Brunner in Obertrubach bei Hiltpoltstein: Ein Familienhaus, das nur nach einem einzigen Gesichtspunkt gebaut wurde: Alle Motorräder müssen hineinpassen, vom Keller bis zum Boden, samt Fahrstuhl für die originellen Sammlerstücke des noch originelleren Sammlers und seines Sohnes, zwischen denen und weiteren tausenden Getrieben, Motoren, Vergasern und Auspüffen die ganze Familie fröhlich lebt! Die 5 Euro „Eintritt“ muss man unbedingt investieren!

Und für weitere schlappe 3 Euro Eintritt sollte man – vielleicht erst recht als Pazifist – bei einer Tour in Richtung Nürnberg auch das von einem Verein getragene und auf dem Gelände der Metallfirma Diehl gelegene „Wehrtechnische Museum Röthenbach“ besuchen. Eine faszinierende und teilweise skurile Misch­ung aus Minen, Torpedos, Geschossen und Waffen aller Art und Größe aus beiden Weltkriegen, mechanischen Rechenmaschinen und Computervorläufern samt Verschlüsselungsgerät „Enigma“ bis hin zum Wecker (vieles von Diehl je nach politischer Wetterlage produziert!).

WehrmuseeumAllein die Zündertechnik wird so umfassend dokumentiert, dass der Respekt vor den Bombenentschärfern schlagartig ins Unermessliche steigt! Was hat sich der menschliche Geist nicht alles ausgedacht, um noch effektiver töten zu können! Wieviel Manpower, Kreativität und Geld wurde und wird in diese Technik investiert! Und in einer Vitrine daneben Produkte einfacher Soldaten, die aus Munitionsresten Kruzifixe für den Altar bei der Feldmesse gebastelt hatten oder ein Kreuz, ganz aus Schrapnells zusammengeschraubt, Metallsplitter aus Bomben gegen „weiche“ Ziele. Wir haben in diesem Museum die Zeit vergessen und hingen gebannt an den pausenlos erzählenden Lippen des Museumsführers. Da sollte man unbedingt gewesen sein! So pervers es auch klingen mag; aber für Diskussion ist dann anschließend gesorgt!

Markgräfliches Opernhaus in BayreuthDoch zurück zur Kultur im klassischen Sinne: Da das Bayreuther Festspielhaus wegen der laufenden Proben für die Festspiele nicht zu besichtigen war und das Wagner-Refugium „Haus Wanfried“ samt Museum gerade entkernt wurde, entdeckte die Gruppe mitten in Bayreuth auf der Suche nach einem Café das 1744 erbaute Markgräfliche Opernhaus, das schönste Barocke Opernhaus Europas, das schon bald zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören wird, gebaut von Elisabeth Friederike Sophie von Brandenburg-Bayreuth, der Schwester Friedrichs des Großen. Durch dieses Traum-Theater war Richard Wagner nach Bayreuth gelockt worden, wollte es ur­sprüng­lich zu seinem Festspielhaus umbauen, wozu es dann glücklicherweise nicht kam. Gewiss einer der Orte, die man gesehen haben sollte, ehe man den Zündschlüssel für immer an den Nagel hängen wird! Und wenn man schon mal in Bayreuth ist, dann legt sich ein Ausflug ins benachbarte Fichtelgebirge unter Verdoppelung der Berghöhen nahe. Aber bitte nicht, wie wir es taten, den Fichtelberg dort suchen, auch wenn da noch so ein toller Bikertreff sein soll: der liegt nämlich im Erzgebirge und dafür reicht die Tankfüllung dann an diesem Tag nicht mehr!

KradKircheKulturUnd dann wieder dieses entspannte Wedeln durch die Sträßchen rund um Pottenstein, Plankenfels oder Pegnitz, Hundsboden, Hundshaupten, Poppendorf oder Wichsenstein, das schon mal einen zu einem unbedachten Freudenseufzer verführte: „Wozu muss man eigentlich in die Alpen fahren?!“

Manche Jahre muss es eben auch mal eine Nummer kleiner gehen: ohne Reisezug, ohne teure Hotels oder komplette Campingausrüstung, ohne stressige Anreise auf Autobahnen mit Kilometerfresserei. Wir haben An- und Abreise übrigens auf je zwei Tage verteilt und dabei bewusst auf Autobahnen verzichtet. Dafür erlebten wir tolle Strecken im Eichsfeld, im Thüringer Wald und in der Rhön. Und nächstes Jahr? Wir sammeln schon mal die Speisekarten…